Ziel der Entwicklung
Das Zerspanen von hochwarmfesten Nickelbasislegierungen wie z.B. Inconel 718 erfolgt hauptsächlich mit beschichteten oder unbeschichteten Hartmetallwerkzeugen bei meist moderaten Schnittgeschwindigkeiten. Um die Schnittgeschwindigkeiten zu erhöhen und damit den Zerspanprozess wirtschaftlicher zu gestalten, werden zunehmend Werkstoffe aus keramischen Schneidstoffen eingesetzt, die wegen technischer Schwierigkeiten meist unbeschichtet sind. Es sollen haftfeste PVD-Schichten auf Keramikschneidstoffe mit geringer elektrischer Leitfähigkeit aufgebracht werden.
Deshalb bestand das Ziel des Vorhabens darin, eine Technologie der Schichtvorbehandlung, der Arc-PVD-Beschichtung und der Schichtnachbehandlung zu entwickeln, mit der haftfeste Werkzeugbeschichtungen auf SiAlON-Keramikschneidplatten abgeschieden werden können, um den Standweg bzw. das Zerspanvolumen beim Trockenfräsen der hochwarmfesten Nickelbasis-Legierung Inconel 718 um mindestens 20% gegenüber dem mit unbeschichteten SiAlON-Keramikschneidplatten erreichten, zu erhöhen.
Vorteile und Lösungen
Zur Erfüllung des Projektziels wurde die gesamte Prozesskette (Bild 1) von der Charakterisierung des keramischen Schneidstoffs über die Schichtvorbehandlung, die Entwicklung geeigneter haftfester PVD-Beschichtungen bis hin zum Einsatz beschichteter SiAlON-Keramikschneidplatten beim Trockenfräsen der hochwarmfesten Nickelbasis-Legierung Inconel 718 betrachtet.
Eine besondere Herausforderung stellte dabei die Entwicklung einer auf einer elektrisch schlecht leitenden Keramik haftfesten und verschleißfesten PVD-Schicht dar. Unter einer Vielzahl getesteter Schichtsysteme zeigte insbesondere eine Aluminium-Chrom-Oxinitridschicht mit einer entsprechenden Anbindungsschicht die höchste Haftfestigkeit auf SiAlON-Keramik (Bild 2). Die Schichthaftfestigkeit konnte durch die Wahl einer geeigneten Schichtvorbehandlung und Schichtnachbehandlung (Glättung der Schichtoberfläche) sowie einer optimierten Probenanordnung während des Beschichtungsprozesses (Nutzung des Antenneneffektes) noch weiter erhöht werden.
Bei den untersuchten Probenanordnungen in der Beschichtungskammer zeigten diejenigen Schichten die höchste Haftfestigkeit, bei denen die Probenanordnung so gestaltet war, dass die Feldlinien optimal in Richtung der Proben bzw. der Schneidplatte zeigten.
Für die Behandlung der Keramikoberflächen vor der Beschichtung wurden die Verfahren Läppstrahlen mit SiC- bzw. Keramik-Strahlmittel, Bürstpolieren und chemisches Ätzen mit verschiedenen Chemikalien eingesetzt. Von diesen Verfahren führte das Bürstpolieren zu den glattesten Schneidkanten und der höchsten Schichthaftfestigkeit.
Nach der Beschichtung wurden die Keramikschneidplatten mittels der Verfahren Bürstpolieren, Läppstrahlen mit Keramikstrahlmittel sowie Ionenstrahlätzen in der Beschichtungskammer nachbehandelt. Von diesen Verfahren führte das Ionenstrahlätzen zur höchsten Haftfestigkeit auf SiAlON-Schneidkeramik.
Um die Eignung der entwickelten Beschichtungstechnologie einschließlich Vor- und Nachbehandlung in der Zerspanungstechnik nachzuweisen, wurden mit dieser Technologie beschichtete und auch unbeschichtete SiAlON-Keramikschneidplatten beim Trockenfräsen (ohne Kühl- und Schmiermittel) der hochwarmfesten Nickelbasis-Legierung Inconel 718 eingesetzt (Bild 3). Die Mittelwerte und Standardfehler der bei den Untersuchungen erreichten Zerspanvolumina je Variante sind in Bild 4 für ausgewählte Behandlungsvarianten dargestellt. Es ist deutlich erkennbar, dass mit einer hinsichtlich Haftung und Eigenspannung optimierten AlCrN-OXI-2A-Beschichtung in Verbindung mit geeigneten Varianten der Vor- und Nachbehandlung sowie der Antennenform (Probenanordnung) der Standweg bzw. das Zerspanvolumen mit beschichteten SiAlON-Keramikschneidplatten gegenüber dem unbeschichteter SiAlON-Keramikschneidplatten deutlich erhöht werden kann. Mit einer Vorbehandlung mittels zweistufigem Läppstrahlen mit SiC- und Keramikstrahlmittel, einer speziellen Antenne während der Beschichtung und einer Nachbehandlung durch Bürstpolieren kann das Zerspanvolumen erhöht und auch die Prozesssicherheit verbessert werden. Gegenüber dem mit unbeschichteten Keramikplatten erzielten Zerspanvolumens erhöht sich das Zerspanvolumen mit beschichteten Keramikplatten durch das Läppstrahlen um 240 %, mit einer Nachbehandlung mittels Bürsten um 90 Prozent und durch Nutzung einer speziellen Antenne um 120%. Mit diesen Ergebnissen wurde die Zielsetzung des Projektes, die Erhöhung der Werkzeugstandzeit um mindestens 20 Prozent zu erhöhen, erfüllt bzw. deutlich überboten.
Zielgruppe und Zielmarkt
Anwendungsbeispiele und damit Zielgruppen für die wirtschaftliche Verwertung der FuE-Ergebnisse von Schneidkeramiken sind die spanende Bearbeitung von gehärteten Stählen und von schwer zerspanbaren warmfesten Superlegierungen (HRSA). Zu den potenziellen Anwendern der Entwicklung zählen sowohl Werkzeughersteller, Beschichter als auch Zerspaner, welche die beschichteten Keramikwerkzeuge zum Zerspanen hochwarmfester Legierungen als auch gehärteter Stähle einsetzen.
Hierbei werden nach Einschätzung namhafter Werkzeughersteller Keramikschneidstoffe im Regelfall unbeschichtet eingesetzt. Im Gegensatz zu anderen Schneidstoffen wie Hartmetall und HSS sind die Möglichkeiten der Beschichtung im Bereich der Schneidkeramiken weitestgehend ungenutzt. Durch das in diesem Vorhaben erreichte Ergebnis, das Zerspanvolumen an der warmfesten Nickelbasislegierung Inconel 718 durch beschichtete Schneidkeramiken auf das 6-fache gegenüber dem unbeschichteter Schneidstoffe steigern zu können, wird erwartet, dass der Anteil beschichteter Schneidkeramiken am Markt steigen wird, um die Produktivität der Zerspanprozesse erhöhen zu können.
Auf der Grundlage der entwickelten Schichtsysteme und Beschichtungs- und Vor- bzw. Nachbehandlungstechnologien ist die Durchführung von Dienstleistungen im Beschichtungszentrum der GFE (Lohnbeschichtung) vorgesehen. Im Hinblick darauf werden Diskussionen mit verschiedenen Anwendern geführt, um die entwickelten Ergebnisse auf die jeweiligen Anwendungsfälle zu applizieren. Bei einem erfolgreichen Diskussionsabschluss können folgende Effekte auftreten:
- umfangreiche Lohnbeschichtung für Einsatztests
- Know-how-/ Lizenzverkauf an verschiedene Anwender (entsprechende Geheimhaltungsvereinbarungen sind zu gewährleisten).
Darüber hinaus ist vorgesehen, die Entwicklungsergebnisse über weitere Möglichkeiten einem breiten Anwenderkreis vorzustellen. Hierzu zählen die Präsentation auf Messen, Ausstellungen und Tagungen, die Publikationen in Fach- und Kennzifferzeitschriften, die Internetpräsenz der GFE, die zweijährlich stattfindende "Schmalkalder Werkzeugtagung" (Fachvortrag/Präsentation), der jährliche Geschäftsbericht der GFE Schmalkalden e.V., die „GFE-News“ an die Mitglieder der GFE sowie die Netzwerkarbeit der GFE in verschiedenen Clustern und Netzwerken wie „FerMeTh“ und „TopoSurf“.