Ziel der Entwicklung

Logo: Projektbereich mit Lösungsansatz, Schwerpunkten und Nutzeffekte der Entwicklung, © ITW e.V. Chemnitz
Projektbereich mit Lösungsansatz, Schwerpunkten und Nutzeffekte der Entwicklung, © ITW e.V. Chemnitz

Mit stetig steigenden Funktionalitäten und Designanforderungen erreichen die in der Komponentenfertigung etablierten 3D-Laser- und Streifenlichtscanner ihre Einsatzgrenzen. Insbesondere dann, wenn glänzende, transparente und absorbierende Oberflächen zu prüfen sind. Außerdem führen die lokal variierenden Reflexionseigenschaften an Werkstoffhybriden beziehungsweise fertigungsbedingten Oberflächentexturen oft zu Fehlmessungen und Ausreißern. Spezifische Mess- und Positionierstrategien für den Erhalt einer hohen Messdatenqualität sind aufwendig und verlangsamen erheblich den Abgleich mit hinterlegten 3D-CAD-Daten. Eine übliche Methode ist das Beweißen von schwierigen Prüflingen mit Kreidemitteln, um optimale Messbedingungen auf den Oberflächen für das optische Scannen zu erzielen. Um Kontaminationen durch Pigmentstoffe im Messprozess zu vermeiden, erfolgen Sprühen und Digitalisieren örtlich getrennt. Bei wertintensiven Objekten müssen die Weißmittel nach der Messung wieder vollständig entfernt werden. Eine schonende 100 prozentige-Säuberung gelingt selten. Bei sensiblen Funktionsoberflächen können Pigmentreste und Oberflächenkratzer zurückbleiben. Durch die aufwendige nicht sichere Nachreinigung beschränkt sich diese manuelle Technik auf Erstmusterprüfungen und Reverse Engineering. Die am Markt befindlichen Mattierungsmittel sind nicht immer 100 prozentig rückstandsfrei und entweder aus Spraydosen oder nur als Gebinde mit reaktiven Lösungsmitteln applizierbar. Einrichter und Anwender von optischen 3D-Bildverarbeitungslösungen suchen daher dringend nach Adaptionen für die prozessintegrierte Qualitätskontrolle. Dies beinhaltet oft auch Hilfsmittel und alternative Verfahren zur Verbesserungen der Reflexionsbedingungen an Werkstücken für den Einsatz in Produktionsanlagen und Messmaschinen, wenn Werkstoffe, Geometrien und Oberflächen variieren können.

Vorteile und Lösungen

Das Finalisieren von aufgebrachten Messüberzügen aus Camphen mit den zu Projektbeginn vorgesehenen Wirkmedien Strahlung und mechanische Schwingungen für den Matteffekt war nicht zielführend. Mit tiefem UV-Licht konnte zwar auf dicken Camphen-Proben eine signifikante Glanzbrechung erreicht werden. Der Mattierungseffekt ist nicht auf dünne Camphen-Schichten übertragbar. Deshalb wurde ein anderer Lösungsansatz gewählt. Dieser stützt sich auf ein flüchtiges Gemisch von Camphen und Adamantan für ein eutektisches Stoffsystem. Die höher schmelzende Komponente Adamantan wird mit der niedrig schmelzenden Komponente Camphen so gemischt, dass ein gut sprühfähiges Stoffgemisch mit deutlich herabgesenktem Schmelzpunkt entsteht. Beim thermisch unterstützten Sprühen aus der Schmelze auf Oberflächen entsteht eine weiße stumpfmatte Schicht, die gut messfähig ist. Parallel wurde für das „kalte“ Sprühen eine Stoffrezepturen mit der Substanz Adamantan entwickelt. Die Lösung enthält keine gesundheitsgefährdenden Lösemittel. Die pneumatische Zerstäubung erwies sich als robustes wirtschaftliches Verfahren zur Erzeugung gleichmäßiger Messschichten. Material und Beschaffenheit der zu beschichtende Oberflächen haben kaum Einfluss auf das Beschichtungsergebnis. Aufbauend auf diesen Untersuchungen erfolgte die Entwicklung eines Demonstrators als roboterunterstützte Fertigungszelle. Diese wurde mit Einzelsteuerung, Sicherheitstechnik und präziser Kickarm-Montagerobotik ausgerüstet. Das Prozessmodul für das geführte Oberflächenaufbereiten und das optische Scannen von Messobjekten wurde in einer Roboterzelle aufgebaut, in Betrieb genommen und erfolgreich erprobt. Dazu wurden Versuchsreihen an verschiedenen Profilkörpern durchgeführt. Vorteile des Prozessmoduls bestehen insbesondere für die automatisierte qualitätsüberwachte Bauteilfertigung. Die entwickelte Beschichtungstechnik ermöglicht ein temporäres Erzeugen der Messfähigkeit von problematischen Oberflächen. Durch das selbsttätige oder beschleunigte Abdampfen der aufgetragenen Schichten wird der ursprüngliche Oberflächenzustand am Bauteil schnell wieder erreicht. Kurzzeitig werden optimale Messbedingungen an optisch unkooperativen Oberflächen mit
- spiegelnden, transparenten bzw. absorbierenden Eigenschaften
- steilen glatten Flanken
- stark wechselndem und richtungs-abhängigem Streuverhalten
- offen porösen Werkstoffgefügen
erreicht. Auch an detektierbaren Bauteilen wird das Scannen mit Laser-/ Streifenlicht wesentlich verbessert. Messzeiten werden durch geringe Belichtungen und hohe Scangeschwindigkeiten wesentlich gesenkt. Die resultierende Punktdichte und Datenqualität von 3D-Messungen wird ohne Hardwareunterstützung deutlich gesteigert. Aufwändige Positionierstrategien, Mehrfachbildaufnahmen und Messinterpolationen können entfallen.
Mit der neuen Aufbereitungstechnik werden die bei Mattierungen sonst auftretenden Kontaminationen im Prozessraum vermieden. Somit kann der Einsatz von qualitätsüberwachenden Lasersensoren in automatisierte Prozessketten nahezu unbeschränkt erfolgen. Die Mattierung garantiert für wenigen Minuten konstante Reflexionsverhältnisse auf der Oberfläche. Dies ist besonders bei wechselnden Chargen oder Werkstoffe der Prüflinge wichtig.
Damit besteht auch hohe Planungssicherheit beim Einrichten und Bertreiben von Inline-Prüfstationen. Durch die idealen Messbedingungen ist eine 100 prozentige-Teileprüfungen unter Einhaltung hoher Taktrate wahrscheinlicher. Mit der Verfügbarkeit des Prozessmoduls zur flüchtigen Mattierung in einer Messzelle mit optischem 3D-Scanner wird ein wesentlicher Beitrag geleistet, um die bestehende Lücke zwischen herstellbaren und messbaren Strukturen in der modernen Serienfertigung von Bauteilen zu schließen.

Zielgruppe und Zielmarkt

Zielgruppen, die direkt Nutzen aus den FuE-Ergebnissen des Projekts ziehen können, sind Anwender und Entwickler optischer Mess- und Prüftechnik sowie Ausrüster von Anlagen und Einrichtungen zur Qualitätssicherung der Bauteilfertigung sowie deren Anwender. Zur Zielgruppe gehören Produzenten hochwertiger Komponenten, die bereits 100 prozentig- Prüfungen in der Teilefertigung durchführen. Dies betrifft nationale und internationale Herstellebeziehungsweise Anwender
- industrieller Messtechnik und Inline-Sensorik beruhend auf optischer Triangulation,
- von Sonder- und Messmaschinen sowie Prüfanlagen für die Präzisionsfertigung sowie
- von klassischen und additiven Fertigungssystemen.
Mit der im FuE-Projekt entwickelten Beschichtungslösung werden Einsatzgrenzen und Leistungsvermögen optischer Messverfahren erweitert beziehungsweise erhöht. Optische Prüfungen von nicht messbaren Bauteilen werden in Produktionslinien erstmalig durchgängig umsetzbar und wirtschaftlich vertretbar. Die Prozesslösung für das reversible optische Aufbereiten und 3D-Digitalisieren von Oberflächen fokussiert auf den Markt für in Serie gefertigter Funktions-und Sicherheitsbauteile. Dabei handelt es sich um eng tolerierte Halb- und Fertigfabrikate aus der Hochpreisklasse mit stark variierenden Abmessungen und fehlenden optischen Messvoraussetzungen. Oft sind vor, in oder nach der Präzisionsfertigung Zwischenprüfungen bezüglich Konturgenauigkeit und Oberflächengestalt erforderlich.
Wesentliche Zielmärkte für das Prozessmodul sind der Maschinen- und Anlagenbau, die Sensorik/Messtechnik sowie die Fertigungstechnik.
Maschinen- und Anlagenbau:
Im Maschinenbau in Deutschland und im EU-Raum sind überwiegend klein- und mittelständische Unternehmen tätig. Fast die Hälfte der Wertschöpfung im EU-Maschinenbau wird von Deutschland erwirtschaftet. Die Fertigungstiefe in den Unternehmen ist relativ hoch, die oft kundenspezifische Lösungen anbieten. Daraus resultiert eine Wertschöpfungsquote, die deutlich über dem Durchschnittswert der EU-Länder liegt. Durch die starke Konkurrenz aus China spezialisieren sich die Unternehmen auf die Fertigung höherwertiger individueller Produkte. Dafür müssen permanent neue Systeme für die Qualitätsprüfung entwickelt und implementiert werden.
Sensorik / Messtechnik:
Bedeutende Branche dieses gewichtigen Zielmarktes ist die 3D-Bildverarbeitung / Robotik mit den Methoden Laser-Triangulation, Streifenlichtprojektion, Stereo-Vision und Time-of-Flight.
Die Branche ist von einem starken Wachstum in Umsatz und Mitarbeiterzahlen geprägt. Geschaffene Sensor- und Messlösungen haben oft eine Schlüsselfunktion für die Wettbewerbsfähigkeit von modernen Maschinen, Anlagen und Fahrzeugen. Diese tragen wesentlich zur Wertschöpfung von Produkten bei. Die Aktivitäten in der deutschen Sensorindustrie sind relativ groß. Permanent werden neue Technologien eingeführt, neue Material eingesetzt, bessere Sensoren entwickelt und bestehende Sensorik modifiziert. Die Dynamik auf dem Sensormarkt wird durch Zukunftsprojekte wie „Industrie 4.0“ und Weiterentwicklungen in der künstlichen Intelligenz, bei optischen Technologien und in der Mikrosystemtechnik befeuert.
Durch die Ausrichtung auf die Elektromobilität und das Erreichen von Umwelt- und Klimazielen steht die optische Mess- und Prüftechnik vor neuen Herausforderungen. Neuartige Verfahren und Materialien zur Erzeugung von Bauteilstrukturen erfordern flexible 3D-Messkonzepte zur Beherrschung von Fertigungs- und Prüfprozessen zur Sicherung der Produktqualität. Oftmals bestehen Forderungen nach einer 100 prozentigen-Bauteilkontrolle.
Fertigungstechnik:
Ein großer Marktanteil resultiert aus den Einsatzfeldern des Werkzeug-/ Formenbaus, unter Anderem für die Kunststoffverarbeitung. Die Dynamik dieser Fertigungsbranche stützt sich zunehmend auf moderne Technologien der additiven Fertigung. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Marktanteile ausgewählter deutscher Hersteller wird der deutsche Gesamtmarkt für Systeme, Materialien und Dienstleistungen auf 15 bis 20 Prozent des Weltmarktes beziffert. Der Markt ist geprägt durch eine Vielzahl von Neuentwicklungen junger Unternehmen, die eine ernste Konkurrenz zu den großen Marktführern darstellen. Auch dort zeichnet sich ein großer Bedarf an Lösungen für ein Prozessmodul mit reversibler optischer Oberflächenaufbereitung ab, um den 3D-Druck prozess- und qualitätssicher zu gestalten. Die Anwendung der Beschichtungstechnologie soll in Drittunternehmen erfolgen. Es wird dabei eine Kooperation mit etablierten Herstellern von 3D-Messgeräten und Anwendern optischer Messverfahren angestrebt
Am ITW e.V. Chemnitz werden durch FuE-Folgeprojekte zu Anwendung und Weiterentwicklung der Lösung vorhandene Arbeitsplätze gesichert und voraussichtlich zwei neue Arbeitsplätze zur Erweiterung der Geschäftsfelder Optische Messtechnik und Fertigungstechnik geschaffen.