Ziel der Entwicklung
Aufgrund von zu großen Temperaturunterschieden zwischen Werkzeugwand und Kunststoffschmelze kann es im Spritzguss zu einer Reihe von Fehlern in den Bauteilen kommen, was Funktion und Oberflächenqualität negativ beeinflusst. So können Bindenähte, matte Oberflächen, Einfallstellen oder inhomogene Formfüllungen die Folge sein und dünnwandige Profile sowie fein strukturierte Oberflächen lassen sich nicht prozesssicher realisieren. Um dem entgegenzuwirken, soll eine direkte dynamische Temperierungsmöglichkeit für Werkzeugoberflächen entwickelt werden. Durch geeignete Strukturierungs- und Beschichtungsverfahren soll eine Einebnung der Heizleiterstrukturen für eine markierungsfreie Abbildung der Werkzeugoberfläche erfolgen.
Vorteile dieses Konzepts bestehen im Besonderen in der Energieffizienz und den schnellen Zykluszeiten aufgrund des lokal gezielten Wärmeeintrages. Bisherige Konzepte zur Temperierung im Spritzguss erwärmen den gesamten Werkzeugaufbau und haben somit hohe Verluste zur Folge.
Im Zuge des Projekts wird eine Technologie zur Laserstrukturierung für keramische Isolationsschichten erarbeitet, um die Heizleiterstrukturen einzuebnen. Des Weiteren werden PVD-Beschichtungen mit definiertem Eigenschaftsprofil entwickelt, um das thermische und elektrische Regime von Fertigungsprozessen zu beeinflussen und regulieren.
Vorteile und Lösungen
Zu Beginn wurde ein Konzept für den mehrlagigen Aufbau mit integriertem Heizleiter erarbeitet.
Im ersten Schritt wurden geeignete PVD-Beschichtungen und Schichtsysteme entsprechend des Anforderungsprofiles ausgewählt: elektrisch isolierende Eigenschaften, hohe thermische Leitfähigkeit, niedriger Reibwiderstand für den Einsatz im Spritzguss und Hybridbeschichtungen (simultan Arc- und Sputter-PVD) mit hoher Verschleißbeständigkeit. Diese Beschichtungen wurden abgeschieden und umfassend ihrer thermischen, elektrischen und tribologischen Eigenschaften charakterisiert sowie bewertet. Titanhaltige Schichtsysteme weisen in der Regel eine gute thermische und elektrische Leitfähigkeit auf, Oxinitridbeschichtungen zeigen ein gegensätzliches Verhalten. Zusätzlich haben Hybridbeschichtungen mit Bor-Dotierung aufgrund vielfältiger Kombinationsmöglichkeiten großes Potenzial anwendungsorientiert angepasst zu werden.
Im Hinblick auf die Anwendung im Spritzguss mit integrierter Temperierungsmöglichkeit wurden geeignete Kombinationen der untersuchten Schichtsysteme ausgewählt, kombiniert und weiterentwickelt sowie Vorzugsvarianten festgelegt. Hierbei wurden eine Hybridbeschichtung AlTiCrSiBN-TiSiN und eine Niedrigtemperaturbeschichtung AlCrN-LT-300°C entwickelt und eingesetzt.
Als Isolationsschicht zwischen Werkzeugeinsatz und Heizleiter wurde vom Projektpartner INNOVENT Jena eine keramische Sol-Gel-Schicht entwickelt. Für eine optimale Oberflächenqualität wurde die Lasermaterialbearbeitung genutzt, um die Heizelemente in den Aufbau einzuebnen und Abformungen am Bauteil zu vermeiden. Dazu wurde iterativ ein geeignetes Parameterfeld erarbeitet, um definierte Heizleiterstrukturen im Bereich 10 bis 250 Mikrometer prozesssicher zu fertigen. Es erfolgte die Anpassung der Bearbeitungstechnologie, der konstruktiven Vorgaben sowie der Laserleistung.
Im Anschluss erfolgte eine chemische Metallisierung der laserstrukturierten Bereiche und somit die Realisierung eines elektrischen Heizleiterdesigns. Abschließend erfolgte die Abscheidung einer PVD-Beschichtung als funktionale Verschleißschutzschicht.
Die erste Bewertung des gesamten Schichtaufbaus ergab die Erkenntnis, das für die Kombination aus Sol-Gel- sowie PVD-Schicht eine Anpassung der Prozesstemperatur notwendig ist. Mit den Erfahrungen der GFE auf dem Gebiet der Niedrigtemperaturbeschichtung wurden verschiedene LT-Beschichtungen (low temperature) entwickelt. Die Funktionalität wurde in Aufheizversuchen getestet und eine AlCrN-Beschichtung mit einer maximalen Prozesstemperatur von 300 °C ausgewählt. Diese Schicht zeigte das beste dynamische Aufheizverhalten.
Abschließend wurden Werkzeugeinsätze gefertigt und beschichtet, sodass eine Übertragung der Entwicklungsergebnisse auf 3D-Strukturen sowie der Nachweis zur Eignung im Spritzguss erfolgen konnte.
Zielgruppe und Zielmarkt
Potenzielle Anwender der entwickelten Technologien sind vor allem kleine und mittelständische Unternehmen in der Brache des Kunststoffspritzgusses mit dem Fokus auf hoher Oberflächenqualität. Die Übernahme von Projektergebnissen und Entwicklungskonzepten ist durch diese möglich.
Für weitere Einsatzzwecke können die Schichtsysteme gezielt weiterentwickelt und an die jeweilige Aufgabenstellung, wie Zerspanung, Umformung oder hinsichtlich thermischer, elektrischer und tribologischer Eigenschaften mit verringertem Entwicklungsaufwand angepasst werden. Damit können die getätigten Entwicklungen im Bereich von Technologien im Leichtbau und der metallverarbeitenden Industrie, wie z. B. der Automobil-, Kunststoffbranche, Elektrotechnik oder des Maschinenbaus Anwendung finden.
Zusätzlich können Hersteller und Anwender von Beschichtungen von den entwickelten Technologien profitieren, da mit der angepassten Prozessführung neue und alternative Substratmaterialien erschlossen werden.
Die GFE wird als wirtschaftsnahe und gemeinnützige Forschungseinrichtung die Ergebnisse in geeigneter Weise interessierten Unternehmen zur Verfügung stellen. Durch die Vereinsarbeit hat die GFE mit ihren zirka 125 Mitgliedern Kontakt zu vielen wichtigen Herstellern und Anwendern von Werkzeugen. Für den Technologietransfer ist vor allem die Zusammenarbeit mit kleinen und mittelständischen Unternehmen geplant. Hierzu sollen die Entwicklungsergebnisse auf Messen, Konferenzen, über die Internetpräsenz und den Geschäftsbericht der GFE, durch Arbeitskreise, Netzwerkarbeit, Publikationen sowie die Schmalkalder Werkzeugtagung präsentiert werden.
Aufgrund der positiven Entwicklungsergebnisse wird eine erhöhte Nachfrage von aufgabenangpassten und funktionalisierten PVD-Beschichtungen sowie von Laserstrukturierungsaufgaben in Form von Dienstleistungsaufträgen erwartet.
Im Zusammenhang mit den getätigten Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben sich vielfältige Potenziale zur Erschließung neuer Aufgaben- bzw. Anwendungsbereiche. Hierzu zählen: Spritzgusswerkzeuge mit oberflächennaher dynamischer Temperierung, Beschichtung von schwer beschichtbaren Substraten und Schichten für den Einsatz unter mechanischen Belastungen sowie zur Funktionalisierung der Oberfläche hinsichtlich elektrisch angesteuerten Komponenten, Laserstrukturierung glasartiger Substrate zur Metallisierung und Herstellung elektrischer Kontaktierungen, Haftfeste Beschichtung komplexer Werkstoffkombinationen (Keramik, Keramik, Hartstoffschicht) im Bereich der additiven Fertigung, Definierte elektrische Leitfähigkeiten von PVD-Schichten zur Verschleißerkennung im Bearbeitungsprozess und Weiterentwicklung von sauerstoffhaltigen Schichten mit großem Potenzial als isolieren-de Funktionsschichten.