Ziel der Entwicklung
Auf Möbeln und Inneneinrichtungselementen aus Holz und Holzwerkstoffen oder Kunststoffen kommen qualitativ hochwertige, jedoch leicht entflammbare Polyurethan(PUR)-Beschichtungen zum Einsatz. Diese Beschichtungen verbessern die Eigenschaften der natürlichen Holzoberfläche in vielfältiger Weise wie Optik, Haptik, chemische und mechanische Beständigkeit, besitzen aber oft eine ungenügende Schwerentflammbarkeit. Hier ist der Ansatzpunkt, die Brandeigenschaft der Beschichtungen durch Additive oder durch Modifizierungen der Bindemittel so zu verändern, dass sie als effektiver Brandhemmer wirken. Bekannte, auf Polyurethanbindemitteln basierende flammhemmende Systeme weisen im Falle hochglänzender und transparenter Holzbeschichtungen häufig Trübungen, Verfärbungen oder Glanzverlust auf. Dies stellt ein Ausschlusskriterium für diese Produkte dar. Lösungsmittelbasierte 2K-PUR-Systeme werden unter anderem zur Beschichtung von Massivholz sowie furnierten Wand- und Deckenelementen im hochwertigen Innenausbau von privaten und öffentlichen Gebäuden, Flug- und Schienenfahrzeugen sowie (Luxus-)Yachten und Kreuzfahrtschiffen in hohen Schichtdicken eingesetzt. Mit einem Anteil von zirka 90 Prozent stellen sie das dominierende Beschichtungssystem in diesem Segment dar. Im Schiffsinnenausbau müssen sowohl Beschichtungsmaterialien als auch die aus verschiedenen Träger- und Dekormaterialien bestehenden Wand- und Deckenelemente den hohen Brandschutzanforderungen nach SOLAS (International Convention for Safety of Life at Sea) genügen. Hierbei handelt es sich um eine von der IMO (International Maritime Organization) erlassene UN-Konvention, welche als internationales Regelwerk Gültigkeit für alle gewerblich genutzten Schiffe (auch Yachten) besitzt. Im Luftfahrt-Innenausbau (Compartment Interiors) müssen ebenso hohe Brandschutzanforderungen der Federal Aviation Regulation (FAR) nach 14 CFR 25.853 erfüllt werden. Ein Nachteil klassischer halogenhaltiger Flammschutzmittel (FSM) liegt darin, dass im Fall einer Verbrennung ätzende Halogensäuren freigesetzt werden. Diese führen in Rauchgasen zu Verletzungen der Atemorgane, der Haut und der Augen. Halogenhaltige Flammschutzmittel können außerdem unter Umständen eine hohe Persistenz in Organismen, im Wasser oder im Boden aufweisen, so dass weitere Gefahren für Gesundheit und Umwelt entstehen können. Aus diesen Gründen wurden diese FSM für eine Vielzahl von Anwendungen die Zulassung entzogen. Hierzu zählen beispielsweise Produkte für den Einsatz im Innenbereich (Privat- und Objektbereich). Es besteht daher ein Bedarf an in situ wirkenden halogenfreien Flammschutzmitteln, um auch weiterhin den hohen Anforderungen an den Flammschutz von Produkten im Innenbereich genügen zu können.[4] Eine Vielzahl von Flammschutzmitteln stehen kommerziell zur Verfügung: Beispiele hierfür sind reaktive Flammschutzmittel auf Basis von Phosphor- und Stickstoffverbindungen, welche in Bindemittel für Beschichtungssysteme eingebunden werden können, oder die schon erwähnte Erhöhung des Halogenanteils in der Beschichtung sowie die separate Zugabe von Additiven wie anorganischen Salzen zum Beschichtungssystem (z.B. Aluminium-, Bor , Magnesium- und Antimonoxide). Die genannten Nebeneffekte auf transparente flammhemmende Beschichtungen schließen bisher eine Applikation entsprechend ausgerüsteter Systeme aus. Das Hauptproblem bisher verwendeter Additive oder reaktiver Flammschutzmittel auf Phosphorbasis ist hypothetisch darin zu finden, dass es zu große Polaritätsschwankungen in der Beschichtung gibt (z. B. zwischen FSM und Bindemittel). Um transparente Systeme zu erhalten, ist es also notwendig, ein reaktives Brandschutzkonzept zu entwickeln, welches möglichst ohne Additive und ohne zu große Polaritätsabstufungen der Bindemittel-/der Lackkomponenten auskommt. Hierzu wurden im vorliegenden Thema schwerpunktmäßig Silizium-haltige Polyole für den reaktiven Einbau in PUR-Bindemittel (Klarlacke) entwickelt.
Ziele des FuE-Vorhabens:
1. Entwicklung flammhemmend funktionalisierter Polyole als Komponenten für transparente Bindemittel in Klarlacksystemen, welche für Holz, Holzfurniere und Holzwerkstoffe eingesetzt werden können.
2. Entwicklung von Technologien/Synthesevorschriften zur Herstellung der Bindemittel(-Komponenten) sowie umfangreiche Charakterisierung (insb. Brandverhalten) der einzelnen funktionalisierten Komponenten/Präpolymere und Bindemittel.
3. Zusätzlich zur brandhemmenden Funktionalisierung des Bindemittels waren notwendige und gewünschte mechanische, physikalische und optische Eigenschaften der resultierenden Beschichtung nachzuweisen (insb. Transparenz).
Vorteile und Lösungen
Im vorliegenden Projekt sollten sowohl siliziumbasierte FSM-Systeme als auch Klarlacke mit diesen reaktiven Siliziumverbindungen hergestellt werden. Damit stand die chemische Synthese von Si-Flammschutzmitteln im Vordergrund, welche in einem zweiten Schritt in Klarlacke eingebaut wurden. Diese Klarlacke wurden dann auf ihre Transparenz und flammhemmende Eigenschaften hin untersucht. Der Forschungsbedarf bestand in der Entwicklung von Polyolen bzw. Präpolymeren für Beschichtungssysteme auf Holzoberflächen im Innenbereich, die insbesondere:
1. über verbesserte thermische Eigenschaften gegenüber nicht-modifizierten Referenzen verfügen, insbesondere bezüglich Zersetzungstemperatur, Verkohlungsneigung, Intertgasfreisetzung, Intumeszenz,
2. sich in hohen Schichtdicken grösser 120 Mikrometer applizieren lassen und dabei in einer hohen Transparenz der Oberfläche resultieren,
3. weitergehende Anforderungen an die Beschichtungsqualität einhalten wie Glanz, Kratz- und Haftfestigkeit,
4. Oberflächen bilden, die frei sind von Fehlerbildern wie z.B. Rissbildungen, Trübungen und Verfärbungen,
5. die Vorgaben der IMO nach ISO 5658-2 sowie der FAR nach 14 CFR 25.853 einhalten.
Im Projekt wurden folgende Arbeitshypothesen bestätigt und entsprechende Lösungsansätze entwickelt:
1. Aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zwischen Silizium und Kohlenstoff lässt sich durch Einbau von Siliziumverbindungen in ein Polyurethan ein Bindemittel mit konstanter Polarisierbarkeit bzw. Permittivitätszahl herstellen, welches in Flüssigbeschichtungen transparente Eigenschaften aufweist.
2. Der Einbau von Si-O-Bausteinen in ein Polyurethanbindemittel führt zur Verringerung der Entflammbarkeit.
Zielgruppe und Zielmarkt
Mit den Ergebnissen des Vorhabens
(a) Formulierungen für transparente, flammhemmenden Si-/N-haltigen Bindemittelkomponenten (Polyole/Präpolymere),
(b) Formulierungen für schwer entflammbare und/oder intumeszente, transparente 2K-PUR-Beschichtungssysteme,
(c) Technologien zur Synthese der Bindemittel(-Komponenten) und der Beschichtungssysteme,
(d) Know-how zur Applikation auf Lignocellulose basierenden Materialien
besteht ein hohes Anwendungspotential in folgenden Wirtschaftszweigen.
1. Herstellung von chemischen Erzeugnissen:
Neuartige Ansätze für PUR-Systeme mit flamminhibierenden Eigenschaften, insb. Zulieferer von Silikaten, Silanverbindungen und Stickstoffverbindungen;
2. Herstellung von Holzwaren (u.a. Fußbodenhersteller: Laminat, Parket, LVT):
Neue Beschichtungssysteme für transparente Hochglanzanwendungen auf unterschiedlichen holzbasierten Trägermaterialien;
3. Fahrzeugbau (Flug- und Schienenfahrzeuge/ Yachten und Kreuzfahrtschiffe):
Neue, flammhemmende transparenten Hochglanzanwendungen dekorativer Elemente zur Anwendung im hochwertigen Innenausbau;
4. Herstellung von Textilien:
Entwicklung und Applikation umweltfreundlicher und toxikologisch unbedenklicher Flammschutzlösungen für technische Textilien;
5. Möbelindustrie/Innenausbau:
Neuartige, funktionalisierte (Brandschutz) Materialien (Beschichtungssysteme) für die Möbelindustrie und den Innenausbau.
Die Entwicklung des Know-hows zu Rezeptur und Eigenschaften der flammhemmenden Si- und N-basierten Bindemittel(-Komponenten) und der 2K-PUR-Bindemittel führte zu Erkenntnisfortschritt bezüglich des Einflusses der Materialzusammensetzung der Binde- und Beschichtungssysteme und ihrer Wechselwirkung mit lignocellulosen Werkstoffen sowie der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen für diese neuartigen Materialien mit hoher Relevanz in folgenden Fachgebieten:
1. Chemie und chemische Verfahren:
Formulierung und Synthese neuartiger Additive für die Funktionalisierung von Bindemitteln und Oberflächen lignocelluloser Materialien und Produkte (flammhemmend), Reaktionskinetik;
2. Werkstoffe, Materialien:
funktionale Zusammenhänge zwischen Parametern der Bindemittel- und Beschichtungsrezepturen und damit ausgerüsteter lignocelluloser Materialien, physikalische und chemische Eigenschaften (insbesondere Brandverhalten) ;
3. Verfahrenstechnik:
Know-how für Technologien zur Synthese der Si/N-haltigen Bindemittel und 2k-PUR-Beschichtungssysteme und der Applikation auf lignocellulosen Materialien;
4. Fertigungstechnik/Fügetechnik, Oberflächentechnik:
Know-how zur Klebstoffwirkung der neuartigen Si/N-haltigen Bindemittel und Beschichtungen.