Ziel der Entwicklung
Die übliche Prozesstemperatur bei der PVD-Beschichtung liegt im Bereich von 400 – 500 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen schränkt sich die Auswahl beschichtbarer Substrate ein, da zur Gewährleistung der Schichteigenschaften spezifische Anforderungen an den Grundwerkstoff hinsichtlich thermischer Stabilität und Maßhaltigkeit zu beachten sind.
Bisher entwickelte Niedrigtemperaturbeschichtungen weisen im Vergleich zu den Normaltemperaturvarianten eine eingeschränkte Schichtarchitektur sowie schlechte mechanische Eigenschaften (wie Härte und Haftfestigkeit) auf, wodurch die notwendige Einsatzfähigkeit nicht erreicht wird.
Um die Palette beschichtbarer Werkstoffe zu erweitern, ist eine Absenkung der Beschichtungstemperatur notwendig. Zusätzlich muss eine Modifizierung des PVD-Prozesses hinsichtlich der thermodynamischen Randbedingungen erfolgen, um einsatzfähige Verschleißschutzschichten applizieren zu können.
Vorteile und Lösungen
Im ersten Schritt wurde eine umfassende Prozessanalyse der PVD-Beschichtung unter der Betrachtung des Absenkens der Beschichtungstemperatur durchgeführt und die entsprechenden Randbedingungen für einen stabilen Abscheidungsprozess ermittelt. Relevante Prozessparameter zum Erreichen einer niedrigen Beschichtungstemperatur sind Kathodenleistung, Bias-Spannung und Ätzdosis. Eine Anpassung der Magnetfelder ist zur Stabilisierung des Abscheideprozesses notwendig, zusätzlich wurden Kühlschritte in den Beschichtungsvorgang integriert.
Nach der Ermittlung des Einflusses der modifizierten Beschichtungsparameter auf die sich auszubildenden Schichteigenschaften wurden erste Verschleißschutzschichten abgeschieden, welche strukturell an die veränderten Abscheidebedingungen angepasst wurden. Neben Standardschichtsystemen wie TiN oder CrN wurden verschleißfeste AlCrN- und TiSiN-Beschichtungen mit einer maximalen Prozesstemperatur von 230 Grad Celsius entwickelt.
Im Anschluss an die Entwicklung der ersten LT (Low Temperature)-Beschichtungen wurden die gewonnenen Erkenntnisse genutzt, um erweitere Schichtarchitekturen wie gradierte, Multilayer- und Nanokompositstrukturen mit hoher Verschleißfestigkeit bei reduzierter Beschichtungstemperatur zu realisieren.
Die Schichtentwicklung erfolgte durch eine umfassende Bewertung der mechanischen und tribologischen Eigenschaften mittels Analysen und Modellverschleißuntersuchungen. Durch eine iterative Prozessanpassung wurde die Zieltemperatur von maximal 250 Grad Celsius erreicht. LT-Beschichtungen weisen im Vergleich zu den jeweiligen Normaltemperaturbeschichtungen typischerweise eine erhöhte Härte und Elastizitätsmodul sowie eine reduzierte Rauheit und Verschleißbeständigkeit auf.
Durch das Absenken der Abscheidetemperatur konnten alternative Substratwerkstoffe und Materialkombinationen mit der PVD-Technologie beschichtet werden, welche vorher aufgrund ihrer Temperatursensitivität für dieses Verfahren nicht geeignet waren. Es wurden verschiedene Schichtsysteme auf Hartmetall-, Stahl- und Aluminiumproben prozesssicher abgeschieden sowie mit Fokus auf den Haftungsmechanismen analysiert. Die Cr-haltigen LT-Schichtsysteme weisen auf Hartmetallsubstraten eine deutlich höhere Haftfestigkeit auf, in Kombination mit Stahlsubstraten haften dagegen Ti-haltige LT-Beschichtungen besser.
Abschließend wurde die Verschleißbeständigkeit der entwickelten LT-Schichtsysteme in Zerspanversuchen getestet. Dazu wurden Fräser mit einer Referenzschicht und mit verschiedenen LT-Varianten beschichtet und der Werkzeugverschleiß sowie dessen Entwicklung in den Versuchen verglichen. Hierbei konnten Niedrigtemperaturbeschichtungen entwickelt werden, welche selbst etablierte PVD-Beschichtungen hinsichtlich der Verschleißbeständigkeit deutlich übertreffen. Die besten Ergebnisse wurden mit den Schichten AlCrN-LT und AlCrSiN-LT erzielt (maximale Beschichtungstemperatur < 230 Grad Celsius).
Zielgruppe und Zielmarkt
Potenzielle Anwender der entwickelten Beschichtungen sind vor allem Hersteller und Anwender von Zerspanungswerkzeugen, die aufgrund der reduzierten Prozesstemperatur auch kostengünstigere Werkstoffe einsetzen können. Für weitere Einsatzzwecke können die Schichtsysteme gezielt weiterentwickelt und an die jeweilige Aufgabenstellung, wie Zerspanung, Umformung oder hinsichtlich tribologischer und chemischer Eigenschaften angepasst werden. Damit können die getätigten Entwicklungen im Bereich von Technologien im Leichtbau und der metallverarbeitenden Industrie, wie zum Beispiel der Automobil-, Kunststoffbranche, Elektrotechnik oder des Maschinenbaus Anwendung finden.
Die GFE wird als wirtschaftsnahe und gemeinnützige Forschungseinrichtung die Ergebnisse in geeigneter Weise interessierten Unternehmen zur Verfügung stellen. Durch die Vereinsarbeit hat die GFE mit ihren zirka 125 Mitgliedern Kontakt zu vielen wichtigen Herstellern und Anwendern von Werkzeugen. Für den Technologietransfer ist vor allem die Zusammenarbeit mit kleinen und mittelständischen Unternehmen geplant. Da die Ausstellungsmöglichkeiten auf Messen derzeit eingeschränkt sind, sollen die Entwicklungsergebnisse vorrangig über die Internetpräsenz und den Geschäftsbericht der GFE, durch Arbeitskreise, Netzwerkarbeit, Publikationen sowie die Schmalkalder Werkzeugtagung präsentiert werden.
Aufgrund der positiven Entwicklungsergebnisse wird eine erhöhte Nachfrage von LT-Beschichtungen in Form von Dienstleistungsaufträgen erwartet.
Die Entwicklungen aus diesem Forschungsvorhaben wurden bereits für verschiedene interne FuE-Themen angewandt (Beschichtung von: geklebten Werkzeuge, Sol-Gel-Materialien, additiv gefertigten Bauteilen, Aluminiumbauteilen).