Ziel der Entwicklung
Die Prozesse zur Distribution von Getränken gelten als recht transparent. Die Getränkeartikel werden zumeist auf Europaletten gestapelt und die Ladeeinheiten mit einem Barcodeetikett (GS1 128 Standard) gekennzeichnet und so für den Warenausgang und -eingang identifizierbar gemacht. Solange die Ladeeinheiten komplett bleiben, ist eine Chargenverfolgung durch automatisches Scannen der Barcodeetiketten möglich.
In der Regel wird heute aber keine komplette Palette bis an den „Point of sale“ geliefert, sondern kommissionierte Ware. Dazu werden einzelne Kästen einer „Mutterpalette“ entnommen und auf eine Kommissionierpalette oder einen Rollcontainer („Rollcolly“) gestellt. Dies ist in der Regel ein manueller Prozess. Um heute zu dokumentieren, welche Chargen an welchen Kunden geliefert werden, muss dort mit Papierlisten (zeit- und arbeitsintensiv; fehleranfällig), mit Zeitfenstereingrenzung (relativ grob) oder mit IT-Systemen („Pick by Voice“, oder ähnliches), gearbeitet werden. In erster Linie werden heute für Getränkekästen die kommissionierten Artikelmengen dokumentiert. Allerdings kann dabei nicht auf den individuellen Kasten als Gebinde beziehungsweise auf die Produktionscharge, aus der der Kasten stammt, zurückgeschlossen werden. Es ist also eine Informationslücke im Prozess vorhanden.
Die RFID-Transponder, die aktuell genutzt werden, ermöglichen es nicht in einem größeren Pulk von Getränkekästen zu 100 Prozent erfasst zu werden. Im Rahmen des Projektes ist es das Kernziel, einen neuen marktfähigen Transponder, der zur Identifikation von gefüllten Getränkekästen (sogenanntes „Vollgut“) geeignet ist, zu entwickeln. So kann die letzte Lücke im Informationsfluss geschlossen werden und ein für den Abfüllbetrieb 100 Prozent transparentes Behälter- und Chargenmanagement ermöglicht werden.
Vorteile und Lösungen
Als wichtigste Projektziele konnten verschiedene Aspekte erreicht werden. Zum einen wurde ein Transponder entwickelt, der in seinen Leseeigenschaften den vorherigen Stand übertrifft. Bei der Pulkerfassung konnte durch die Verwendung von zwei diagonal angebrachten Transpondern eine Verbesserung der Erfassungsquote bei vollen Kästen (Vollgut) erreicht werden.
Die Erfassung von Getränkekästen auf einem Lkw-Anhänger war prinzipiell möglich, scheiterte in der Praxis jedoch an den metallischen Anhänger-Aufbauten, die in der Getränkebranche derzeit standardmäßig eingesetzt werden. Unterschiedliche Signale, wie der RSSI-Wert und das Backscatterverhalten, konnten in Abhängigkeit des Kastenzustandes festgestellt werden (relative Änderung zum Bezugswert). Allerdings lassen sich keine allgemeingültigen Werte festschreiben, da sich diese in Abhängigkeit der Reader-Parameter und den Umgebungsbedingungen verändern (absoluter Unterschied in den Werten).
Die im Projekt entdeckten „Schwachstellen“ des RFID-Systems können nun durch gezielte Weiteroptimierung behoben oder reduziert werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Das System kann von getränkeherstellenden Betrieben (wie Brauereien, Mineralbrunnen und Abfüllern alkoholfreier Getränke) eingesetzt werden. Der Anwendungsbereich liegt im Behältermanagement von ökologisch vorteilhaften Mehrwegverpackungen für Getränke sowie der Nutzung der RFID-Systeme zur Chargenverfolgung der Getränkeprodukte zur Erhöhung der Produktsicherheit.
Von deutschen Brauereien werden rund 75 Prozent des jährlichen Bierausstoßes in Flaschen gefüllt, die überwiegend in Getränkemehrwegkästen verkauft werden. Dies entspricht einer Menge von rund 70 Millionen Hektoliter Bier. Um abzuschätzen, wie viele Kästen es in der Deutschen Bierbranche gibt, kann von einer Füllmenge von 10 Litern pro Kasten (20 x 0,5 Liter) ausgegangen werden. Es wären also 700 Millionen Kästen nötig, um 70 Millionen Hektoliter Bier abzufüllen. Da die Kästen aber zirka fünfmal pro Jahr genutzt werden können, werden nur 140 Millionen Kästen benötigt. Aufgrund der geringeren Füllvolumina bei 11er- und 24er-Kästen (8 Liter bei 24 x 0,33 Liter; 5,5 Liter bei 11 x 0,5 Liter) sind es jedoch noch mehr Kästen. Zudem müssen aufgrund des Saisongeschäfts meist mehr Kästen vorgehalten werden, als es bei einer durchschnittlichen Berechnung der Fall wäre. Man kann also davon ausgehen, dass gut 200 Millionen Bierkästen im deutschen Markt zirkulieren.
Die durchgängige Kennzeichnung von Bier- und Getränkekästen in der gesamten Bierbranche könnte zu Kostenreduzierungen bei der Distribution, aber auch bei der Rückführung der Kästen beitragen. Des Weiteren wird die Möglichkeit zur detaillierten Chargenverfolgung geschaffen, wodurch Rückrufaktionen optimiert und so Rückholkosten reduziert sowie Imageschäden vermieden werden können. Die Erhöhung der Transparenz über die Bestände im Voll- und Leergutbereich kann möglicherweise für eine Reduzierung der erforderlichen Gebinde genutzt werden. Geht man davon aus, dass die Braubranche ihre Leergutbestände um bis zu 5 Prozent senken kann, könnten längerfristig 10 Millionen Kastengebinde im Wert von 80 Millionen Euro (1 Kasten à 5,00 Euro, mit je 20 Flaschen à 0,15 Euro) eingespart werden.