Ziel der Entwicklung
Für die hochgenaue CNC-Drehbearbeitung werden im Allgemeinen Werkzeughalter mit wechselbaren Wendeschneidplatten (kurz: WSP) aus hochharten Schneidstoffen (z.B. Hartmetall, PKD, CBN) eingesetzt, die entsprechend der geforderten Drehkontur, in einem fest definierten Konturzug über die Bauteiloberfläche bewegt werden. Als Wendeschneidplatten werden häufig genormte Typen nach ISO 1832 eingesetzt, die in einer Vielzahl an verschiedenen, fest definierten Größen, Grundformen und weiteren Spezifikationen verfügbar sind. Neben den Standard-ISO-WSP bieten diverse Hersteller auch eigene Sondergeometrien an, die allerdings weniger verbreitet sind. Die Schnittkräfte, die von der WSP aufgenommen werden, werden über die Anlageflächen des Plattensitzes in den Werkzeughalter abgeleitet. Für einen stabilen Zerspanungsprozess ist ein fester Sitz der WSP im Plattensitz zwingend notwendig um Mikrobewegungen, infolge sehr hoher Schnittkräfte bei der Zerspanung zu verhindern. Dabei beeinflussen die Fertigungsqualität und Maßhaltigkeit der WSP und des Plattensitzes direkt die Stabilität bei der Bearbeitung, da das durch die Fertigungstoleranzen bedingte Spiel zwischen den Anlageflächen des Plattensitzes und der WSP keine formschlüssige Verbindung an allen Anlageflächen ermöglicht. Zur Fertigung hochpräziser Bauteile gilt es, geeignete Werkzeugsysteme zu nutzen, mit denen langfristig stabile Bearbeitungsbedingungen geschaffen werden können. Zur Erhöhung der Prozesssicherheit bieten einige Hersteller hierfür bereits Sonderlösungen, das heißt spezielle Schnittstellen zwischen Wendeschneidplatte und Plattensitz an, bei denen durch zusätzliche Anlageflächen die Stabilität erhöht und Mikrobewegungen beziehungsweise Vibrationen bei der Bearbeitung reduziert werden sollen. Da diese aber nur in Kombination mit den passenden WSP des dazugehörigen Herstellers verwendet werden können, ist der Kunde in seinen Auswahlmöglichkeiten geeigneter Zerspanungswerkzeuge stark eingeschränkt. Um den Anwendern von Präzisionswerkzeugen, speziell schlanken Werkzeugsystemen für die Kontur beziehungsweise Blockbearbeitung hochpräziser Drehteile, die Vorzüge durch den Einsatz von Standard-ISO-WSP zugänglicher zu machen, bedarf es neuartiger Werkzeugsysteme, mit denen sich solche WSP mit vergleichbarer Stabilität und Präzision sowie herstellerspezifische Schnittstellen aufnehmen lassen.
Vorteile und Lösungen
Um Standard-ISO-Wendeschneidplatten auch bei schwankenden Abmessungen und zunehmendem Verscheiß definiert und wiederholbar hochgenau im Plattensitz fixieren zu können, bedarf es flexibler Spann- beziehungsweise Aufnahmesysteme. Marktübliche Drehhalter mit unbeweglichem („starrem“) Plattensitz und entsprechend festen Anlageflächen sind für solche Einsatzzwecke zu unflexibel und können keinen vollständigen Formschluss zwischen WSP und Anlageflächen wiederholbar umsetzen. Um Mikrobewegungen durch mangelnden Formschluss zwischen den Plattensitzflächen zu kompensieren beziehungsweise zu minimieren, sollte mindestens eine der Anlageflächen des Plattensitzes adaptionsfähig sein und die WSP so form- und kraftschlüssig spannen können. Durch die bewegliche Anlagefläche sollen die WSP, unabhängig von Maßschwankungen, gezielt an feste Anlage- beziehungsweise Positionierflächen formschlüssig gespannt werden. Bei der geplanten Werkzeugentwicklung sollte daher zur Erzeugung des Bewegungs- beziehungsweise Verstellmechanismus eine Anlagefläche des Plattensitzes als Verformungskörper dienen, die, ähnlich dem Spannprinzip bei der Hydrodehnspanntechnik durch gezielte Kraftbeaufschlagung verformt werden kann. Mit der deformierbaren Spannfläche soll ein formschlüssiges Anliegen der WSP, an der festen Ausrichtfläche des Plattensitzes garantiert werden. Zur Realisierung dieser „Hydrodehn-Spannfunktion“ sollten in eine der Anlageflächen des Plattensitzes speziell gestaltete Hohlstrukturen, das heißt Druckkammern eingebracht werden, die über entsprechende Leitungskanäle und Kolbensysteme mit einer Druckkraft beaufschlagt werden können. Die Druckkraft wird über ein manuell betätigtes Kolbensystem aufgebracht, das in seinem Kolbenweg entsprechend einstellbar ist, um die Verformung der Spannfläche genau steuern zu können. Somit soll sich die Spannfläche formschlüssig an die WSP anlegen und diese wiederholgenau an der festen Anlagefläche positionieren. Die Fixierung der WSP im Plattensitz erfolgt unabhängig von der Hydrodehnfunktion über geeignete Spannmittel (zum Beispiel Spannpratzen). Zur Umsetzung der innenliegenden Hydrodehnkammern und Druckkanäle wurden die Werkzeuge durch additive Fertigungsverfahren hergestellt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Mit dem, im Rahmen des Projektes entwickelten Werkzeugkonzeptes, wurde ein Beitrag zum wachsenden Bedarf der Kunden nach innovativen Werkzeuglösungen geschaffen, durch den Anwender in der Lage sind, hochpräzise und flexible Fertigungsstrategien ressourcenschonend realisieren zu können. Auf Basis der Forschungsergebnisse soll speziell kleineren und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, ihre vorhandene beziehungsweise die am Markt verfügbare Werkzeugtechnik optimal ausnutzen zu können. Da die entwickelten Werkzeuge für marktübliche ISO-Wendeschneidplatten konzipiert wurden, können die Vorteile hochstabiler Drehwerkzeuge genutzt werden, ohne zwingend auf herstellerspezifische Sonderlösungen zugriefen zu müssen. Die Vermarktung der Ergebnisse erfolgt vorrangig durch Transfer der Erkenntnisse an interessierte Kunden aus den Bereichen der werkzeugherstellenden bzw. –anwendenden Industrie. Weiterhin wird die GFE Schmalkalden e.V. interessierten Kunden die entwickelten Variantenkonzepte und das gewonnene Knowhow zur Applikation des Werkzeugkonzeptes auf ähnliche Anwendungsfälle zur Verfügung stellen. Das im Rahmen des Projektes gewonnene Knowhow verstärkt die Kompetenzen der GFE Schmalkalden e.V. bei der Applikation vergleichbarer Werkzeugentwicklungen in dieser Richtung und wird für weiterführende FuE-Projekte, speziell mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung additiver Werkzeugkomponenten, genutzt. Es ist weiterhin geplant, als Lieferant von Baugruppen und Komponenten aufzutreten und die entwickelte Technologie als Dienstleistung auf weitere Fertigungstechnologien auszuweiten.