Ziel der Entwicklung

Logo: MultiMatt in Nutzung mit Klemmbausteinen und Spielzeug, ©STFI
MultiMatt in Nutzung mit Klemmbausteinen und Spielzeug, ©STFI

Der Bedarf an nachhaltigen Veränderungen in der Textilindustrie entsteht aus der Notwendigkeit heraus, auf die globale Erwärmung mit ihren Folgen und auf die Ressourcenverknappung zu reagieren, und wird zukünftig immer Bestandteil von Lösungsfindungen, auch innerhalb aller Industriezweige, sein. Inhalt des Forschungsvorhabens war es deshalb, einen Ansatz zur Fusion nachhaltiger Designstrategien mit neuartigen Fertigungstechnologien zu entwickeln.
Einzelne Zielstellungen waren:
– die Entwicklung von Material- und Designstrategien zur Realisierung eines Produkts bestehend aus einem Monomaterial und/oder eines Produkts, welches eine sortenreine Trennung seiner einzelnen Materialkomponenten voneinander erlaubt,
– die Erforschung der Kompatibilität von innovativen, nachhaltigen Material- und Technologiekombinationen in den Beschichtungs-, Druck- und Lasertechnologien,
– die Entwicklung von neuartigen Oberflächenstrukturen, Adapterelementen und Funktionen für Spielmatten,
– die Konzeptionierung einer nachhaltigen Spielmatte, inklusive der Untersuchung von ästhetischen und funktionalen Möglichkeiten,
– die Herstellung eines kreislauffähigen, multifunktionalen Prototyps, der nach der Cradle-to-Cradle (C2C)-Design-Agenda in den Kreislauf zurückgeführt werden kann,
– der Nachweis einer individuellen teilautomatisierten Fertigung und der möglichen Wertschöpfung in einem Hochlohnland wie Deutschland (Herstellungskosten),
– die Erzielung guter Gebrauchseigenschaften der Spielmatte in Bezug auf Humanökologie und Verschleiß,
– die theoretische Abbildung des optimalen C2C-Kreislaufs unter Einbeziehung von Lieferketten, Produktions-, Recycling- sowie Upcyclingmöglichkeiten in einem industriellen Kontext,
– der Nachweis der Rezyklierbarkeit.

Vorteile und Lösungen

Im Rahmen einer zukunftsweisenden, nachhaltigen und interdisziplinären Forschungsarbeit konnte eine Vielzahl von Erkenntnissen zur Kombination und Verknüpfung unterschiedlicher Fertigungstechnologien, unter Verwendung von C2C-zertifizierten Recyclingmaterialien, gewonnen werden. Zudem wurde die sogenannte MultiMatt als kreislauffähiges Produkt, inspiriert von der C2C-Design-Agenda, prototypisch entwickelt (Demonstrator).
Die MultiMatt verbindet hierbei den Monomaterial-Ansatz mit dem Flächenbildungsverfahren Stricken und den Veredlungs- und Funktionalisierungstechnologien 3D-Druck, Hotmelt-Rückenbeschichtung und Laser(vor)behandlung. Die Verwendung chemisch identischer Ausgangsmaterials (z. B. bestehend aus ECONYL®; als Garn, Schmelzgranulat und 3D-Druck-Filament) zur Herstellung und Veredlung der textilen Fläche eröffnet die Möglichkeit, die MultiMatt am Ende ihres Produktlebens vollständig stofflich recyceln zu können.
Der im Forschungsprojekt entwickelte Demonstrator zeigt auf, wie ein ansprechendes, aber frei interpretierbares Design, moderne und innovative Fertigungstextiltechnologien sowie nachhaltige und zertifizierte Materialien in einem Produkt und dessen Herstellung miteinander kombiniert werden können.
Folgende weitere Ergebnisse wurden erreicht:
Zur Herstellung der Spielmatte wurden unterschiedliche, innovative Fertigungstechnologien miteinander kombiniert. Die Art der Herstellung vereint die bedarfsgerechte Produktion (On-Demand und individualisiert) mit einem effizienten Materialeinsatz.
Die angewandten Fertigungstechnologien sind teilautomatisiert und bieten die Möglichkeit, in einem Fertigungsprozess digital miteinander verknüpft zu werden.
Bei dem entwickelten Prototyp handelt es sich um ein materialgesundes und sortenreines Produkt, welches nach der Verwendung entsprechend der C2C-Agenda in den (Rohstoff)Kreislauf zurückgeführt werden kann.
Es konnten neue Oberflächenstrukturen entwickelt und funktionelle Spielelemente für die Verbindung mit weiterem Spielzeug (z. B. Klemmbausteine) mittels 3D-Drucktechnologie in die Spielmatte integriert werden.
Der entwickelte Prototyp verfügt über ein ästhetisches und ansprechendes Design, welches zum Spielen einlädt und gleichzeitig ausreichend Freiraum für freies Spielen und eine freie Interpretation der Spielumgebung ermöglicht.
Die FuE-Arbeit bildet eine wichtige Grundlage für die Forschung und Entwicklung im Rahmen weiterer nachhaltiger Anwendungsprojekte.

Zielgruppe und Zielmarkt

Das wirtschaftliche Marktfeld des Projektes und seines Demonstrators, der MultiMatt, ist das der Heim- und Haustextilien sowie weiterführend auch der Medizin- und technischen Textilien. Am Beispiel „Spielmatte“, welches durch Gestaltung von Themen- und Erlebniswelten viel Freiraum im Design eröffnete, wurde gezeigt, wie sich das C2C-Prinzip in die Produktentwicklung integrieren und praktisch umsetzen lässt. Basierend auf einer Technologie-Roadmap wurden hierzu die einzelnen Prozessschritte erarbeitet und verknüpft. Die Ergebnisse können nun auch anderen Bereichen als Vorlage dienen.
Weiterhin können für Heim- und Haustextilien durch den Transfer der Projektergebnisse Lösungen für Design, Nachhaltigkeit und Produktinnovationen angeboten werden. Zudem hat die Erforschung von kombinierten, neuen Veredelungstechnologien Einfluss auf technologische Entwicklungen in den einzelnen Bereichen der Laser-, 3D-Druck- und Beschichtungstechnologien sowie in Marktfeldern, in denen diese Technologien bereits zur Anwendung kommen. In Verbindung mit der Digitalisierung (zur Personalisierung / Individualisierung und On-Demand-Fertigung), welche exemplarisch in der Demolinie am STFI umgesetzt ist, werden weitere Märkte eröffnet.
Insbesondere im Hinblick auf die Zielgruppe „Kinder“ kommt ein weiterer, vorteilhafter Aspekt des MultiMatt-Design- und Fertigungskonzepts zum Tragen. Waren 2020 laut einer Erhebung des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie e. V. (DVSI) noch 52 % der befragten Spielwarenhersteller überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit von „großer“ bis „sehr großer“ Bedeutung sei (DVSI, 2020), zeigte sich im Folgejahr, dass beim Konsumenten immer noch der Preis das wichtigste Differenzierungsmittel war und der Aspekt Nachhaltigkeit eine klar untergeordnete Rolle spielte (DVSI, 2021). Hohe Inflation, Personal- und Energiekosten sowie Unsicherheit bei Konsumenten gestalten das Marktumfeld, insbesondere in Deutschland, anhaltend schwierig. Dabei setzen Eltern sich und ihre Kinder potenziell höheren Gesundheitsrisiken aus, wenn sie – dem Preissignal folgend– z. B. Produkte von nicht in der EU ansässigen Anbietern erwerben. Die Gefahr, dass die EU-weit hohen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften von derartigen Produkten nicht eingehalten werden, ist sehr groß (DVSI, 2024). Hier können neuartige Konzepte zum Entwurf, zur Entwicklung und preiswerten Fertigung sowie zur Vermarktung nachhaltiger, materialgesunder, kreislauffähiger und individualisierter Produkte helfen, ein bewussteres und umweltfreundliches Konsumverhalten zu erwecken.

DVSI Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e. V., 2020.
„DVSI: Spielware setzt Höhenflug fort / Pressekonferenz 2020“, https://www.presseportal.de/pm/150801/4772291, Zugriff am 28.08.2024
DVSI Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e. V., 2021.
„DVSI Pressemeldung zur Branchenpressekonferenz 2021: Deutschland vertreibt sich spielend die Zeit / Branche erwartet Rekordjahr“, https://www.dvsi.de/deutschland-vertreibt-sich-spielend-die-zeit-branche-erwartet-rekordjahr-spielwaren-zaehlen-zu-den-in-konsumguetern-stadt-und-geschaefte-leiden-unter-online-boom-preis-steht/, Zugriff am 28.08.2024
DVSI Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e. V., 2024. „95 % der in einem Testkauf auf TEMU gekauften Spielzeuge verstoßen gegen EU-Sicherheitsvorschriften“, https://www.dvsi.de/temu-sicherheitsvorschriften/, Zugriff am 28.08.2024