Ziel der Entwicklung
Die Hauptmotivation des Forschungsprojektes war der Abbau der bisher bestehenden Markteintrittsbarriere für Faserseile aufgrund einer fehlenden zuverlässigen Prognose für die sogenannte Ablegereife beziehungsweise Grenznutzungsdauer der Seile. Am Markt ist seit einigen Jahren ein anhaltender Anstieg des Bedarfs an Faserseilen für technische Anwendungen zu erkennen. Waren Faserseile bisher maßgeblich für Marine-Anwendungen oder für den Einsatz im Sport- und Freizeitbereich nachgefragt, gehen die Entwicklungen zukünftig in technische Applikationen, wie beispielsweise Krananlagen und Aufzüge. Dabei können Faserseile und technische Geflechte durch deren geringes Gewicht technisch anspruchsvolle logistische Aufgaben lösen. Zur signifikanten Gewichtseinsparung an technischen Anlagen sind Faserseile besonders geeignet, da sie bei gleicher Tragfähigkeit ein bis zu siebenfach geringeres Gewicht gegenüber Seilen aus Stahl aufweisen. Darüber hinaus erlauben Faserseile bis zu 50 Prozent kleinere Umlenkradien an Seilscheiben. Demzufolge ergibt sich eine weitere potentielle Gewichtseinsparung, da die Seilscheiben und deren Lagerung sowie Gestellbauteile kleiner dimensioniert werden können. Somit wird letztlich auch weniger Bauraum benötigt. In der Luft- und Raumfahrtindustrie beispielsweise ist die Einsparung an Gewicht und an Bauraum von besonderer Bedeutung. Geht es um die Bewegung und beziehungsweise oder den Transport von Gütern und Materialien, ist die Forderung nach Gewichtseinsparung durch die Maximierung der Nutzlast bei Minimierung der Eigenlast begründet, was letztlich auch mit der Einsparung an Energie in Verbindung steht. Auf anderen Gebieten wird der technische Leichtbau infolge steigender Forderungen bezüglich der ergonomischen Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstellen vorangetrieben, um Arbeitsbedingungen zu verbessern und Arbeitsabläufe zu optimieren. Viele potentielle Outdoor-Einsatzgebiete von Faserseilen befinden sich in Gegenden, in denen Temperaturen unter null Grad Celsius herrschen können. In Regionen wie beispielsweise in Nordeuropa und Kanada sind Temperaturen bis zu -30 Grad Celsius in den Wintermonaten keine Seltenheit. Mit dem entwickelten Prüfverfahren kann die innere Seilreibung und somit die Abnutzung von Faserseilen infolge mechanischer Beanspruchung reproduzierbar untersucht und somit eine zuverlässige Information bezüglich der zu erwartenden Ablegereife von Faserseilen gewonnen werden, was ein entscheidender Schritt zur Beseitigung bestehender Markteintrittsbarrieren bei der Faserseilanwendung ist.
Vorteile und Lösungen
Für das Verfahren der Tieftemperatur-Dauerbiegeprüfung von Faserseilen wurden zwei Seilscheiben in einem Versuchsstand senkrecht übereinander angeordnet, so dass diese einen Abstand von etwa 1,5 Metern aufweisen. Die untere Seilscheibe ist die sogenannte Prüfscheibe, welche sich in einer räumlich abgeschlossenen und wärmeisolierten Kammer befindet. in dieser Prüfkammer kann die Temperatur in einem Bereich von -30 Grad Celsius bis 20 Grad Celsius eingestellt werden. Die obere Seilscheibe wurde mit einem elektrischen Antrieb versehen und befindet sich über der Prüfkammer auf einem senkrecht beweglichen Support. Dieser Support kann durch vier Pneumatikzylinder mit einer konstanten Kraft noch oben gedrückt werden. Die jeweilige Seilprobe wird von der oberen Seilscheibe durch zwei kleine Öffnungen in die Prüfkammer hinein und um die dortige Prüfscheibe herumgeführt. Vor der eigentlichen Dauerbiegeprüfung wird die gewünschte Temperatur in der Prüfkammer hergestellt und an den Pneumatikzylindern die aufzubringende Prüfbelastung eingestellt. Durch die Antriebsseilscheibe wird die Prüfbewegung in die Faserseilprobe eingeleitet. Dabei wird die Seilprobe auf einem Abschnitt von etwa 500 Millimetern Länge um die Prüfseilscheibe hin und her bewegt. Geprüft wird vorzugsweise die Anzahl der jeweils ertragbaren Bewegungszyklen der Faserseilprobe, bevor diese unter der Prüfkraft versagt. Möglich ist jedoch auch die Beaufschlagung einer Seilprobe mit einer definierten Anzahl von Bewegungszyklen und die anschließende Prüfung der sogenannten Restbruchkraft. Durch einen gegenüberstellenden vergleich der ursprünglichen Bruchkraft und der Restbruchkraft nach einer Dauerbiegeprüfung können Informationen zum Verschleißverhalten des Faserseiles gewonnen werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Derzeit sind keine kommerziellen Anbieter für Dauerbiegewechselprüfungen an Faserseilen und technischen Geflechten bekannt. Bisherige Arbeiten beschränkten sich auf Grundlagenforschungen. Durch die vorliegende Entwicklung kann sich das STFI als kompetenter Anbieter für solche, später auch akkreditierten, Prüfungen etablieren. Die potentiellen Kunden sind zuallererst im Bereich der fördertechnischen Anwendungen beispielsweise Krananlagen und Aufzüge zu suchen. Die Technik hierfür und die zu bewegenden Güter sind meist sehr hochpreisig und sensibel, so dass mit einem Anstieg der Nachfrage nach akkreditierten Prüfverfahren und später auch zertifizierten Produkten zu rechnen ist. Mit zunehmender Normierung und Standardisierung ist eine weitere Verbreitung der hochfesten Geflechte garantiert. Damit können auch Anwendungen aus der Automobil-, Bau- und Maschinenbauindustrie geprüft werden. Gegenwärtig hergestellte Faserseile können jedoch nicht verlässlich bezüglich ihrer Biegewechselfestigkeit bei reproduzierbaren Prüftemperaturen charakterisiert werden. Die in diesem Forschungsprojekt erarbeiteten Verfahrensgrundlagen für die Prüfung der Biegewechselfestigkeiten von Faserseilen in Abhängigkeit von einer reproduzierbaren Prüftemperatur, werden im nun folgenden Zeitraum eine signifikante Präzisierung der Ablegereife von Faserseilen ermöglichen. Auf der Basis des im Forschungsvorhaben entwickelten Prüfverfahrens und des entsprechenden Prüfversuchsstandes sowie der durchgeführten Prüfversuche werden in enger Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen und anderen Forschungseinrichtungen die technologischen Grundlagen in marktfähige Fertigungsverfahren sowie der zugehörigen Anlagentechnik überführt. Für die Weiterentwicklung der Prüftechnologie sowie der zugehörigen Anlagentechnik im Rahmen der Überführung der Forschungsergebnisse in ein industrietaugliches Prüfverfahren konnte bereits während der Projektlaufzeit die Firma TROWIS GmbH, Chemnitz, gewonnen werden. Die Transfer- und Vermarktungsstrategie ist fester Bestandteil der angestrebten, mittel- und langfristigen Forschungsziele zur Realisierung neuartiger Prüfverfahren und Technologien, um zukünftig die derzeit existierenden Markteintrittsbarrieren zur umfassenderen Nutzung von Faserseilen zu beseitigen. Das Sächsische Textilforschungsinstitut e.V. ist bereits seit der Institutsgründung, im Jahre 1992 auf dem weitläufigen Gebiet der Textilprüfung tätig. In den zurückliegenden Jahren wurden vielfältige, neuartige Prüfverfahren und die jeweils erforderlichen Versuchsstände entwickelt. Zusammen mit Partnerunternehmen aus der Industrie wurden diese Verfahren für die wirtschaftliche Nutzung weiterentwickelt. Nicht zuletzt durch die jahrzehntelange Arbeit des STFI als akkreditierte Prüfstelle verfügt das Institut über sehr enge Kontakte zu einschlägigen Industrieunternehmen, welche für den erfolgreichen Transfer der Projektergebnisse zur Verfügung stehen. Diese Zusammenarbeit schließt Firmen auf dem Gebiet der Faserseilherstellung, der Faser- und Garnherstellung, der Prüfdienstleistung sowie Prüfmittelhersteller ein.