Ziel der Entwicklung
Zylinderlaufbuchsen, die beispielsweise für effiziente Verbrennungsmotoren und Kompressoren benötigt werden, benötigen tragfähige, plateauartige Oberflächen mit darin eingebrachten Riefen oder Taschen, die als Schmierstoffreservoir dienen. Die dafür notwendige Oberflächenfinishbearbeitung erfolgt konventionell mittels Honen, einem Verfahren, welches auf separaten, kostenintensiven Bearbeitungsmaschinen durchgeführt wird. Beim Honen werden große Mengen Kühlschmierstoff eingesetzt. Die Versorgung mit Kühlschmierstoff benötigt einen großen Energiebedarf und stellt eine Umweltbelastung dar. Zur Verbesserung der Prozesseffizienz bei der Finishbearbeitung von Laufbuchsen wurde daher im Rahmen dieses Entwicklungsprojekts eine Alternative zur klassischen Honbearbeitung entwickelt.
Das magnetabrasive Polieren (MAP) auf Bearbeitungszentren ist dadurch gekennzeichnet, dass ein ferromagnetisches und gleichzeitig abrasives Pulver sich zwischen dem Bauteil und Werkzeug befindet und durch ein Magnetfeld im Werkzeug geführt wird. Das Magnetfeld wird dabei durch einen Elektro- oder Permanentmagneten im inneren des Werkzeugs in Verbindung mit einer speziellen Hüllgeometrie erzeugt. Das magnetabrasive Pulver kann zusätzlich durch strukturierte Oberflächen an den Außenflächen des Werkzeugs verdichtet und über die Werkstückoberflächen bewegt werden.
Im Rahmen des Projekts wurden eine neuartige Technologie und geeignete Werkzeuge zum magnetabrasiven Polieren (MAP) von Zylinderlaufbuchsen bzw. Bohrungen entwickelt. Diese Werkzeuge können auf “klassischen“ Bearbeitungszentren eingesetzt werden. Hierdurch entfallen hohe Kosten für spezialisierte Honmaschinen und die Notwendigkeit des Umspannens der Werkstücke zwischen den Bearbeitungszentren, welches eine Fehlerquelle in der Prozesskette darstellen kann.
Durch die Auslegung der Prozessparameter kann die Beschaffenheit der gefertigten Oberflächen darüber hinaus innerhalb der Prozessgrenzen gezielt beeinflusst werden. Hierdurch können zukünftig weitere Möglichkeiten erschlossen werden, die Effizienz von Kolbenmaschinen, wie Kompressoren und Motoren, durch eine Reduktion der Reibwerte und eine Verbesserung der Dichtfähigkeit zu steigern.
Vorteile und Lösungen
Die neu entwickelten Werkzeuge wurden modular aufgebaut, sodass sie sowohl auf klassischen Bearbeitungszentren über standardisierte Spindelaufnahmen, als auch mit Industrierobotern eingesetzt werden können. Bei der Finishbearbeitung von Bohrungen in Werkstücken aus Gusseisen konnten bereits mit einer geringen Menge Öl zur Reduktion der entstehenden Prozesswärme gute Ergebnisse bezüglich der Beschaffenheit der gefertigten Oberflächen erzielt werden.
Die gefertigten Bohrungen wiesen, vergleichbar zum Honen, plateauartige Oberflächen mit unterschiedlich ausgeprägten, negativen Profilanteilen auf. Diese Oberflächenbeschaffenheit ist auf das Abtragen der Oberflächenspitzen zurückzuführen, wobei die aus der Vorbearbeitung, beispielsweise vom Fräsen, verbliebenen Strukturen beinahe unverändert erhalten bleiben. Die gefertigten Oberflächen wiesen Rauheiten im Bereich von Sa = 0,22 µm – 0,8 µm und eine Schiefe von bis zu Ssk = -0,46 auf. Sie sind damit vergleichbar zu gehonten Oberflächen für Zylinderlaufbuchsen (vgl. Abbildung).
Durch eine zielgerichtete Gestaltung der Prozesskette, besonders unter Berücksichtigung dynamischer Effekte bei der Vorbearbeitung, können somit zukünftig Oberflächen mit einer neuartigen Beschaffenheit hergestellt werden. Eine grundsätzliche Eignung des MAP-Verfahrens zur Substitution des Honens konnte ebenfalls nachgewiesen werden. Die Werkzeuge und Verfahren wurden so entwickelt, dass eine teilweise Automatisierung des Prozesses auf universellen Bearbeitungszentren möglich ist.
Das magnetabrasive Polieren ist darüber hinaus zur Bearbeitung vielfältiger Werkstückformelemente geeignet. Verfahrensvarianten zur Bearbeitung para- und diamagnetischer Werkstoffe, beispielsweise austenitischer Chrom-Nickel-Stähle, oder Kobalt-Chrom-Legierungen, werden aktuell entwickelt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Mit dem neu entwickelten Werkzeug- und Prozesskonzept wurde eine Lösung geschaffen, Honprozesse für Bohrungen und Laufbuchsen auf Bearbeitungszentren ohne Umspannoperationen oder mit konventionellen Industrierobotern durchführen zu können. Damit können Nebenzeiten und Investitionen in preisintensive Sondermaschinen vermieden werden. Speziell KMU erhalten damit neue Möglichkeiten, flexibel auf technologische Fragestellungen zur Fertigung tragfähiger, plateauartiger Oberflächen zu reagieren. Das entwickelte Verfahren kann weiterhin eine Lücke in der wirtschaftlichen Herstellung von Präzisionsbohrungen speziell in kleinen Losgrößen schließen.
Die Ergebnisse des Projekts werden im Rahmen von Veröffentlichungen und Vorträgen kommuniziert. Bohr-MAP-Werkzeuge sowie die entwickelten Variantenkonzepte und die Erfahrungen zur Applikation des Werkzeugkonzeptes auf ähnliche Anwendungsfälle können interessierten Partnern aus der fertigungstechnischen Industrie ebenfalls gerne zur Verfügung gestellt werden. Das im Rahmen des Projektes gewonnene Knowhow verstärkt die Kompetenzen der GFE Schmalkalden e.V. bei der Applikation vergleichbarer Werkzeugentwicklungen in dieser Richtung und wird für weiterführende FuE-Projekte und im Rahmen von Entwicklungsdienstleistungen genutzt.