Ziel der Entwicklung
Das Löten von Komponenten mittels reaktiver Multischichten (RMS) eröffnet neue Möglichkeiten bei der Gestaltung mikromechanischer und mikroelektronischer Systeme. Das Fügen kann damit, im Gegensatz zum herkömmlichen Löten, quasi bei Raumtemperatur erfolgen. Der zum Löten benötigte Wärmeeintrag wird nur sehr lokal und kurzzeitig erzeugt, der Lötprozess ist daher in Millisekunden abgeschlossen. Besonders vorteilhaft ist dieses Verhalten beim Herstellen von Verbindungen durch Hartlöten, bei dem die Liquidustemperatur der Lote erst bei Temperaturen über 450 Grad Celsius erreicht ist. Diese Verbindungen zeichnen sich durch hohe Zugfestigkeiten und Temperaturbeständigkeit aus. Die zu fügenden Elemente, eine Folie aus reaktiven Multischichten sowie dünne Platten aus Lot werden übereinandergelegt und die RMS-Folie gezündet. Das Lot schmilzt daraufhin und erzeugt eine stoffschlüssige Verbindung. Als hauptsächliche Schwierigkeiten beim Automatisieren des reaktiven Fügens wurden einerseits das stabile Ablaufen der chemischen Reaktion und andererseits das prozesssichere Erzeugen des Fügestapels ausgemacht. Die Lösung dieser beiden Punkte stellten die Schwerpunkte der Forschungsarbeit im Projekt dar und mündeten in der Zielsetzung der Entwicklung einer automatisierbaren Greif- und Handhabungseinrichtung für das Stapeln von Komponenten zum Hartlöten mittels reaktiver Multischichten. Entscheidende technische Ergebnisse sind die Festlegung der Schichtfolgen, das Manipulieren der Einzelteile, Funktionsintegration zwischen Zünden und Halten sowie Transportieren und Spannen.
Vorteile und Lösungen
Das Fertigungsverfahren „Reaktives Hartlöten“ bietet sich überall dort an, wo weniger dynamische Festigkeiten der Schweißnaht, als andere Anforderungen wesentlich sind. Der größte Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass eine hohe Wärmemenge in kürzester Zeit freigesetzt wird und die Wärmeausbreitung in die Bauteilumgebung gering ist. Daraus leiten sich die Zielgruppen ab, es sind einerseits Anwender, welche thermisch sensible Bauteile/-gruppen sicher fügen müssen. Beispiele sind Hausungen für elektronische Bauteile, Sensoren und generell mechatronische Baugruppen. Weiterhin bietet das Verfahren große Vorteile, wenn Werkstoffpaarungen mit sehr unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten spannungsfrei gefügt werden sollen. Dabei ist vor allem an die Kombination von Keramiken mit Metallen oder von Hartmetall mit Stahl, zum Beispiel bei Schneidwerkzeugen, zu denken. Das Verfahren des reaktiven Hartlötens soll daher auch Herstellern von Schneidwerkzeugen vorgestellt werden.
Im Versuchsstand konnte das automatisierte Erzeugen eines Fügestapels aus zwei Fügeteilen und einer RMS-Folie sowie das automatisierte Zünden der reaktiven Multischichten demonstriert werden. Der Fügevorgang ist nach wenigen Millisekunden abgeschlossen. Die unter Druck hergestellte Verbindung ist auch bei Temperaturen von 600 Grad Celsius fest. Der Druck kann im Steuerungsprogramm geändert werden. Die Grundlagenuntersuchungen haben ergeben, dass die Höhe des Drucks nach dem Überschreiten eines Schwellwertes von zirka 1 MPa wenig Einfluss auf die Festigkeit der Verbindung hat. Die Größe der untersuchten Fügekomponenten liegt in einem Bereich, wie sie von den Sensorherstellern und -nutzern gefragt wird. Die eingesetzten Handhabungseinrichtungen sind skalierbar und können für verschiedene Größen von Fügeteilen und RMS-Preforms konstruiert werden. Die vom ITW entwickelte Kombination aus Vakuumgreifer und pneumatischer Servoachse erwies sich bei der Handhabung der Einzelteile als sehr zuverlässig. Beschädigungen an den Fügeteilen oder den RMS-Preforms konnten nicht beobachtet werden. Die vom ITW entwickelte Zündelektronik ermöglicht ein Zünden der RMS. Damit können die Anforderungen, wie sie sich in einer automatisierten Anlage darstellen, erfüllt werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Der Zielmarkt zur weiteren Verwertung der Projektergebnisse liegt im Bereich der Hybrid- und Leistungselektronik, speziell auch im automotive-Sektor. Neben den aktuellen Elektromobilitätsentwicklungen, einschließlich der Hybridkonzepte, betrifft dies auch den konventionellen Fahrzeugbereich. Technologietreiber ist dahingehend die Substitution mechanischer durch mechatronische beziehungsweise elektronische Funktionen und Komponenten. Produktbeispiele dafür sind elektronische Bauteile, Mikrosensoren und Mikroaktoren. Ein weiterer Markt liegt in der Fertigung von mikromechanischen Systemen insgesamt. Sie finden vielerorts Anwendung als miniaturisierte Sensoren. Die Integration von mehreren Funktionen ist ein anhaltender Trend in der Entwicklung von mikromechanischen Systemen. Bei der Herstellung dieser Systeme kommen in Bezug auf das Hartlöten mittels reaktiver Multischichten vor allem die Vorteile der hohen Festigkeit und der Möglichkeit, an unzugänglichen Stellen zu fügen, zum Tragen. Das bedeutet, dass das Design funktionsoptimiert ohne Restriktionen durch den Fertigungsprozess entwickelt werden kann. Bisher hat die Verbindungstechnik und das Packaging, also das Hausen und Montieren, einen großen Anteil an den Kosten in der Sensorfertigung. Ein robustes und schnelles Verfahren, wie das Fügen mit reaktiven Multischichten, kann hier zu deutlichen Kostenreduktionen führen. Vielfach ist eine sichere Verbindungstechnik derzeit das Hauptproblem bei der Herstellung mikromechanischer und elektrischer Systeme für den Einsatz bei höheren Temperaturen.
Wesentlicher Markt ist damit die Fertigung von Sensoriken für Hochtemperaturanwendungen, ein Markt mit verstetigtem Wachstum. Diese Sensoren werden vor allem als Temperaturmessfühler eingesetzt. Einsatzgebiete sind unter anderem die Überwachung der Temperatur in Brennkammern, in Thermoprozessanlagen, beim Härten, bei der Herstellung von Glas und Keramik oder bei chemischen Reaktionen. Sensoren, die auch bei hohen Temperaturen zuverlässig arbeiten, können aber auch in ganz anderen Bereichen als der Temperaturüberwachung Anwendung finden. Dazu gehören z. B. die Abgasüberwachung bei Verbrennungsprozessen, die Überwachung von Verschmutzung und Verschlackung durch optische Sensoren oder die Schwingungsmessung von Brennern. Durch den Einsatz von hitzebeständigen Sensoren können die genannten Hochtemperaturprozesse überwacht und hinsichtlich Wirkungsgrad und Qualität optimiert werden. Hier kommen auch die Vorteile des Nanolötens in Bezug auf die erreichbaren Festigkeiten und Wärmebeständigkeiten zum Tragen.