Ziel der Entwicklung
Sensoren bilden die Grundlage für die Regelung und Steuerung industrieller Prozesse, sie überwachen den Ist-Zustand eines Systems und liefern die erforderlichen Daten. Zur Gewährleistung stabiler Prozesse müssen sie eine hohe Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit im Betrieb ausweisen. Gleichzeitig steigen einerseits der Kostendruck und andererseits die technischen Anforderungen infolge ihres Einsatzes in schwierigen Betriebsumgebungen. So zwingen beispielsweise kleine Bauräume zur Miniaturisierung. Dies, sowie die Erweiterung von Einsatzgrenzen bei erforderlicher Wirtschaftlichkeit führen zum Einsatz neuer Werkstoffe (Keramik, Glas, Kunststoffe, Titan …). Die unmittelbare Integration in Prozesszonen beziehungsweise Arbeitsräume von Maschinen und Anlagen erfordert eine hohe Langzeitstabilität und Temperaturbeständigkeit. Dies wiederum zieht eine hochspezialisierte Aufbau- und Verbindungstechnik nach sich, um die Ausfallsicherheit der Sensoren zu gewährleisten.
Eine besondere Herausforderung beinhaltet in diesem Kontext die Herstellung thermisch langzeitbelastbarer elektrischer Kontaktierungen für Funktionsumgebungen 800 Grad Celsius und darüber.
Hier eröffnet das Löten von Komponenten mittels reaktiver Multischichten (RMS) neue Möglichkeiten. Der Fügeprozess erfolgt im Gegensatz zum herkömmlichen Löten quasi bei Raumtemperatur. Der zum Löten benötigte Wärmeeintrag wird nur sehr lokal und kurzzeitig erzeugt, der Lötprozess ist in daher in Millisekunden abgeschlossen. Besonders vorteilhaft ist dieses Verhalten beim Herstellen von Verbindungen durch Hartlöten, bei dem die Liquidustemperatur der Lote erst bei Temperaturen über 450 Grad Celsius erreicht ist. Die Verbindungen zeichnen sich durch hohe Zugfestigkeiten und Temperaturbeständigkeit aus.
RMS beinhalten aufbauseitig Folien aus wechselnden, nanometerdicken Lagen unterschiedlicher Metalle, wie Nickel und Aluminium. In ihnen laufen nach einer Zündung selbsterhaltende, exotherme Reaktionen ab. Die freiwerdende Wärme schmilzt ein angrenzendes Lot auf und ermöglicht eine sichere Fügeverbindung. Durch die hohe Geschwindigkeit der Reaktionsfront von bis zu 30 Meter je Sekunde findet quasi kein Wärmeübergang in die zu fügenden Bauteile statt. Es werden somit Eigenspannungen beziehungsweise Verzug vermieden und temperatursensible Bauelemente nicht geschädigt.
Zur Nutzbarmachung dieser Technologie fokussierte sich die Forschung und Entwicklung in den vergangenen Jahren auf die Herstellung der RMS, ihre passgenaue Auslegung zur Wärmeerzeugung und Zündung sowie Aufrechterhaltung der exothermen Reaktion. Auf diesen Gebieten konnten sehr gute Ergebnisse erreicht werden.
Der ITW e.V. Chemnitz konnte in diesem Kontext Grundlagen für feste Verbindungen von Aluminiumoxidkeramiken und Metallen mittels Nanofolien erarbeiten. Jedoch beinhaltet die aktuell dominierende folienbasierte Technologie mehrere Herausforderungen. So ist je nach Geometrie der Fügezone ein aufwändiger Zuschnitt der Folien erforderlich. Das Handling und Positionierung der Folien ist technisch aufwändig und es werden hohe Anforderungen an die Planparallelität und Oberflächenmikrogeometrie der Fügepartner gestellt.
Vorgenannte Merkmale dieser Fügetechnologie beinhalten die Gefahr hoher Fehlerquoten und können sehr schnell zu Fügefehlern führen, neben Festigkeitsverlusten sind dies vor allem Mikrorisse und unzulässige Alterungsvorgänge.
Zur Lösung dieses Problems wurde eine Technologie und Einrichtungen entwickelt, welche das Prinzip des nanoreaktiven Fügens beinhaltet, anstelle der RMS jedoch nanoreaktive Pasten nutzen.
Dabei wurde auf Forschungsergebnisse des FHI IWS in Dresden zurückgegriffen. Hier erfolgten erste Untersuchungen mit reaktiven Pasten, deren Ergebnisse den Schluss zuließen, dass reaktives Löten auch mit zündfähigen Pasten sowie artgleichen und/oder artungleichen Werkstoffen möglich ist.
Während Folien für das Fügen planparallele Fügeflächen voraussetzen, können Pasten Toleranzen in Grenzen ausgleichen. Sie bieten weiterhin als reaktiver Verbindungsstoff hervorragende Möglichkeiten zum Fügen mehrdimensionaler Bauteile. Neben einem vernachlässigbaren Wärmeeinfluss sind geringere Voraussetzungen bezüglich Oberflächenmikrogeometrie und Positioniergenauigkeit erforderlich. Damit ergeben sich auch bei Sensoren oder Baugruppen mit minimaler Baugröße bessere Möglichkeiten der Zugänglichkeit zur Fügestelle und erweitern die Möglichkeiten einer fügegerechten konstruktiven Auslegung. Bei temperaturempfindlichen Bauteilen kommt es zu keinen Spannungen in diesen, aufgrund von unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten und im Unterschied zu bekannten thermische Fügeverfahren entstehen an den Strukturen und Aufbauten von wärmeempfindlicher Elektronik oder Bauelementen keine Schäden.
Im Ergebnis der Untersuchungen bestand das Ziel, eine verallgemeinerungsfähige Fügetechnologie zu entwickeln und Schwerpunkte für weiterführende Untersuchungen abzuleiten.
Vorteile und Lösungen
Der Lösungsansatz beinhaltet die Nutzbarmachung der nanoreaktiven Wärmeerzeugung zum Hartlöten empfindlicher Bauteile/elektronischer Komponenten aus unterschiedlichsten, relativ wärmeunempfindlichen Werkstoffen für den Hochtemperaturbereich am Beispiel von Hochtemperatursensorik.
Im Unterschied zu vorangegangenen Untersuchungen besteht die Wärmequelle nicht aus nanostrukturierten Folien sondern aus Mehrkomponenten-Pasten. Vorversuche im IWS zeigten, dass analog der Nanofolien auch mittels reaktiver Pasten exothermische intermetallische Reaktionen ohne Sauerstoffbedarf durch thermische Zündung realisierbar sind.
Auch bei den Pasten erfolgt die Wärmeentwicklung mittels intermetallischer Reaktionen durch Elektronenausgleich innerhalb der chemischen Elemente. Allerdings lagen bezüglich deren industriellen Einsatzes keinerlei Erfahrungen vor.
Im Unterschied zu den Folien ist eine Lotbeschichtung der Pasten nicht möglich. Die Belotung muss deshalb bei den Fügebauteilen oder ggf. im Pastengemisch erfolgen. Zur Gewährleistung einer höheren Prozesssicherheit erfolgte in den Hauptuntersuchungen eine Belotung der Fügeflächen.
Ähnlich nanostrukturierter Folien war beim Einsatz von reaktiven Pasten zu erwarten, sehr lokal konzentriert Wärme einzubringen und somit die Temperaurbeeinflussung auf einen minimalen Bereich zu begrenzen und mit möglichen Einsatztemperaturen 1000 Grad Celsius erforderliche Hartlöttemperaturen zu erzielen.
Von großem Vorteil gegenüber Folien ist, dass durch das Aufbringen von Pasten nicht so hohe Anforderungen an die Oberflächenmikrogestalt notwendig sind und damit auch die Fertigungskosten geringer werden.
Als eine große Herausforderung stellte sich das Aufbringen der Paste bezüglich Gleichmäßigkeit, erforderliche bzw. notwendige Dicke, Druckfähigkeit in Abhängigkeit der Viskosität und Lagefixierung in Abhängigkeit der Bauteilgestalt dar. Mit der Lösung dieser Problematik ergibt sich eine Vielzahl von Möglichkeiten zum Fügen mehrdimensionaler Bauteile.
Der wesentlichste Vorteil dieser Art der Wärmeerzeugung ist, dass der Energieeintrag nur lokal begrenzt unmittelbar an den von der Paste abgedeckten Fügeflächen stattfindet. Somit ist es möglich, Materialen zu verbinden, deren strukturelle Wärmefestigkeit sehr nahe an den Verarbeitungstemperaturen der Lotstoffe liegt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Mit der Entwicklung einer Technologie zum Fügen von Sensoren im Bereich hoher Temperaturen mit Hilfe reaktiver Pasten sind vielfältige Möglichkeiten für einen industriellen Einsatz, insbesondere im Bereich der Sensorik, Mikromechanik und allgemein bei der Montage miniaturisierter Baugruppen verbunden. Bedingt durch die Besonderheit, reaktive Pasten als Wärmequelle zu nutzen und diese durch eine äußere Energiequelle, zum Beispiel Laser, zu aktivieren, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zum Fügen dünnwandiger, hochschmelzender aber auch wärmeempfindlicher Bauteile, der Montage von Bauteilen aus unterschiedlichen Werkstoffen, mit schwer zugänglichen Stellen und ähnlichem.
Das Verfahren des reaktiven Lötens mit Pasten wurde bisher nicht in der Industrie genutzt und erweitert das Feld der Montageverfahren im Miniaturbereich wesentlich.
Die fortschreitende enge Verknüpfung digitaler Systeme und Modelle mit Gegenständen und Abläufen über geeignete Sensoren, Aktoren, Prozessoren und Software-Komponenten erfordert Fertigungstechniken, die in geschlossene Abläufe integrierbar sind und mehrdimensionale Bauteile mit geringem Aufwand und einfachem Handling fertigen können. Das entwickelte Fügeverfahren ist dafür geeignet. Auch für die Leiterplattenindustrie bieten Hochtemperatursensoren vielfaltige Einsatzmöglichkeiten. Ein perspektivisch großes Anwendungsgebiet zeichnet sich durch die angestrebte Realisierung der Leitlinien der Industrie 4.0 ab. Das entwickelte Fügeverfahren besitzt durch seine direkten Integrationsmöglichkeiten in Produktionsabläufe, durch seine hohe Flexibilität in der Konturbearbeitung sowie auch durch neue Möglichkeiten zum Fügen komplizierter Werkstoffe das Potenzial, viele Anwendungen in völlig neuen Marktsegmenten in einer Reihe von Industriezweigen erschließen.
Märkte und Anwendungen sind zum einen in der Sensorik zu sehen. Die derzeit verwendeten Elektronik-Bauelemente dürfen nicht wärmer werden als etwa 125 Grad Celsius, um noch verlässlich zu arbeiten. Hochtemperatur-Elektronik ermöglicht Temperaturen bis zu 300 Grad Celsius. Temperaturempfindliche Werkstoffe (wie Kunststoffe oder Glas) können bei solchen Anwendungen schon nicht mehr eingesetzt werden. Durch Minimierung von Bauelementen sind oftmals wärmebeständige Werkstoffe nicht mehr einsetzbar. Das entwickelte Fügeverfahren bildet hier eine Alternative.
Ein weiterer Zielmarkt liegt in der der klassischen und modernen Fertigungstechnik. Einsatzgebiete ergeben sich für das reaktive Löten beim Fügen temperaurempfindlicher Bauteile, beim Fügen verdeckter Konturen sowie beim Fügen filigraner Bauteile. Klassische Hartlötverbindungen mit Pasten sind nur mit großflächiger Erwärmung und mit großen Zeitintervallen realisierbar. Deren Anwendung ist somit auf thermisch resistente Baugruppen begrenzt. Der erforderliche Energieeintrag ist groß. Gegenwärtig gibt es kein konkurrierendes Fügeverfahren mit den dargestellten Einsatzmöglichkeiten. Die Wettbewerbssituation ergibt sich lediglich aus den noch vorhandenen Restriktionen. Das sind neben den erwähnten technischen Kriterien vor allem wirtschaftliche Kriterien.
Die Anwendung dieser Fügetechnologie und die damit verbundene Anlagenentwicklung stellt somit national und international eine Neuheit dar. Angesichts dieser Tatsachen bestehen gute Einstiegs-, weitere Entwicklungs- sowie in Summe Vermarktungschancen.
Auch für den Niedrigtemperaturbereich wird das Fügen mehrdimensionaler Miniaturbaugruppen auf der Grundlage reaktiver Pasten zunehmend Anwendungsfelder erschließen. Ein Beispiel dafür sind Mikropumpen. Sowohl in der Medizintechnik, als auch in anderen Branchen, findet dieses Erzeugnis immer mehr Anwendung.
Im gesamten Feld der Mikrosystemtechnik spielt neben der Medizintechnik der Mikrofluidik/Analytik im Temperatur- und Druckbereich Sensoren auf MEMS –Basis (Microelectromechanical Systems) zunehmend eine große Rolle.