Ziel der Entwicklung
Bisher gibt es bisher keine schnelle und hinreichend genaue Praxismethode zur vergleichenden Bewertung der Auswirkung schwacher Anlauffarben auf die Korrosionsbeständigkeit der passiven Stähle gegenüber dem anlauffreien Zustand. Dies führte zu Unsicherheiten hinsichtlich der Notwendigkeit ihrer Entfernung.
Die Motivation für die Entwicklung ergab sich aus Hinweisen zu immer wieder auftretenden Korrosionsschäden im Schweißnahtbereich infolge vorliegender Anlaufschichten, aber auch aus den veränderten Rahmenbedingungen der bauaufsichtlichen Zulassung. Da strohgelbe Anlauffarben nunmehr bei Vorliegen einer potenziell korrosionsauslösenden Atmosphäre (Korrosionswiderstandsklassen I und II) nicht mehr pauschal zugelassen sind, zielt das zu entwickelnde Verfahren auf die Beurteilung nicht bzw. nicht sicher visuell erfassbarer Anlaufschichten, welche bei Schweißverfahren mit sehr geringen Restsauerstoffgehalten im Schutzgas bzw. unter Verwendung von Formiergasen, jeweils ohne Schweißnahtnachbehandlung, resultieren. Zusätzlich ergibt sich ein Anwendungspotential bei nachbehandelten Schweißnähten hinsichtlich der Wirksamkeit entsprechender Methoden zur Entfernung von Anlaufschichten. Somit können drei wesentliche Anwendungssituationen für Schweißnähte formuliert werden:
- Schweißnähte; Schutzgasanwendung mit sehr niedrigen
Restsauerstoffgehalten (<50 ppm)
- Schweißnähte; Formieren im Wurzelbereich
- Schweißnähte, nachbehandelt
Daneben ließe sich das Verfahren auf jede in sauerstoffhaltiger Atmosphäre thermisch beanspruchte Oberfläche nicht rostender Stähle anwenden.
Vorteile und Lösungen
Durch die Anwendung der kathodischen Polarisation bei Einwirkung eines speziellen Elektrolyten lassen sich die Anlaufschichten auf einer kleinen definierten Fläche des passiven Stahls vollständig entfernen, ohne den Werkstoff selbst zu schädigen. Die modifizierte Messzelle mit Aufsatzgeometrie erlaubt dabei eine handgeführte Anwendung auch auf Oberflächen mit erschwerter Zugänglichkeit. Die Auswertung der ermittelten kathodischen Ladungsmengen führt in Kombination mit elektrochemischen Lochkorrosionsdaten des betreffenden Werkstoffes zu einer Korrelationsfunktion zwischen Anlaufschichtdicke und Korrosionsempfindlichkeit. Damit können die Oberflächen direkt bewertet werden.
Neben der Anpassung der stiftartigen Messzelle und des weiteren Messequipments für die mobile Anwendung sowie der Entwicklung des elektrochemischen Messverfahrens erfolgten umfangreiche Messungen auf geschweißten und nicht geschweißten Modell- und Praxisproben mit Anlauffarben, die Entwicklung der Korrelationsfunktion sowie oberflächenanalytische Untersuchungen.
Zielgruppe und Zielmarkt
In Branchen wie dem Behälter-, Rohrleitungs- und Anlagenbau werden in großem Umfang geschweißte, nicht rostende Stähle eingesetzt. Hier kann das Verfahren etwa im Rahmen der Qualitätskontrolle von Schweißarbeiten und der Nahtnachbehandlung eingesetzt werden. Als weitere Zielbereiche sind das Bauwesen (Fassaden, Geländer, sonstige der Atmosphäre ausgesetzte Konstruktionen), der Stahlwasserbau, die chemische Industrie, die Energieversorgung (z.B. lasergeschweißte Bipolarplatten in Brennstoffzellen), die Wasserversorgung, die Lebensmittelindustrie und die Medizintechnik zu nennen.
Anwender können das Verfahren entweder bei entsprechender Qualifikation selber nutzen oder einen Dienstleister beauftragen. Da das Verfahren keinen aufwändigen Messaufbau erfordert, kann es leicht in die Qualitätssicherung integriert werden. Es hilft den Anwendern als eine präzise Beurteilungs- und Entscheidungshilfe, Korrosionsschäden durch Anlauffarben zu vermeiden.
Für den Transfer der Ergebnisse werden mehrere Möglichkeiten genutzt:
- Veröffentlichung der Ergebnisse in anwendungs- bzw. werkstoffbezogenen Fachzeitschriften mit den Schwerpunkten Schweißen, Stahl- und Anlagenbau, nichtrostender Stahl
- Durchführung von Seminaren zu aktuellen Problemen des Korrosionsschutzes
- Beratertätigkeit für die Industrie im Bereich des Korrosionsschutzes
- Untersuchung von Schadensfällen und Durchführung von Labor- und Felduntersuchungen