Ziel der Entwicklung

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Beim Schweißen, Warmrichten oder bei anderen wärmeein-tragenden Prozessen bilden sich unter Anwesenheit von Sauerstoff thermische Anlaufschichten auf hochlegierten nichtrostenden Stählen, die je nach Werkstoffzusammen-setzung und Schichtdicke verschiedene, durch optische Interferenz bedingte Färbungen („Anlauffarben“) aufweisen können. Diese beeinflussen die Passivschicht und somit die Korrosionsbeständigkeit der angelaufenen Werkstoffbereiche.
Je nach Anwendungsgebiet wird mit Anlaufschichten, z.B. im Schweißnahtbereich, unterschiedlich verfahren. In den meisten Anwendungen der chemischen Industrie, der Pharmazie und der Lebensmittelindustrie, in denen die Werkstoffe z.B. für Rohrleitungen oder Behälter eingesetzt werden, müssen sie vollständig entfernt werden, um anschließend die Ausbildung einer intakten (unsichtbaren) Passivschicht zu ermöglichen und damit die maximale Korrosionsbeständigkeit im Kontakt mit den Korrosionsmedien zu erzielen. Im Baubereich werden hell- bis strohgelbe Anlauffarben oft noch zugelassen, da die Einschränkung der Korrosionsbeständigkeit der Erfahrung nach meist vernachlässigbar und die Schichtentfernung (zu) aufwändig sind. Diese Regel ist jedoch umstritten, da ungünstige Faktoren wie Spaltgeometrien, erhöhte Chloridgehalte oder Temperaturschwankungen zum Überschreiten von Beständigkeitsgrenzen und zu örtlichen Korrosionsformen wie Loch- oder Spaltkorrosion führen können. Dies gilt auch für hellgelbe Anlauffarben, welche selbst beim Schweißen mit sauerstofffreiem Schutzgas entstehen und eine Verringerung der kritischen Lochkorrosionspotentiale gegenüber dem Grundwerkstoff bewirken.
Für den Fall, dass gelbe Anlauffarben zugelassen werden, bedarf es demnach einer schnellen und hinreichend genauen Bewertung selbiger. Eine reine visuelle Bewertung erscheint für den schmalen zu bewertenden Farbbereich vor allem in der Wärmeeinflusszone als unzulänglich. Mit werkstoffspezifischen Vergleichsmustern, z.B. Blechmustern oder RAL-Farbtonkarten, lässt sich die Situation in gewissen Grenzen verbessern. Sie dienen jedoch im Wesentlichen nur der groben Zuordnung bzw. Abgrenzung vorhandener Färbungen im kompletten Farb-spektrum. Insbesondere stören hier der subjektive Einfluss des Betrachters sowie weitere Faktoren wie unterschiedliche Ober-flächenzustände (z.B. Rauheit, Schleifrichtung) und Beleuchtungsverhältnisse sowie das im Vergleich zum Grund-werkstoff eher heterogene Erscheinungsbild im Falle von Schweißnähten die Bewertung. Es besteht oft die Unsicherheit bei den Anwendern, ob eine Schweißnahtnachbehandlung zur Entfernung dieser Schichten erforderlich ist, um erhöhte Korrosionsgefährdungen auszuschließen.
Ziel des Vorhabens war daher die Entwicklung eines zerstörungsfreien, von optischen Einflüssen unabhängigen Untersuchungsverfahrens zur quantitativen Detektion dünner Anlaufschichten, vor allem im Bereich von unsichtbar bis dunkelgelb auf der Oberfläche von hochlegierten nicht-rostenden Stählen, welche durch Wärmeeintrag von außen, z.B. beim Schweißen, entstehen. Die damit zu erzielende Differenzierung der Schichtdicken sollte mittels werkstoff-spezifischer Kalibrierfunktion eine Beurteilung der Lochkorro-sionsgefährdung dieses Werkstoffbereiches im Vergleich mit der blanken Werkstoffoberfläche ermöglichen. Daraus waren Möglichkeiten für die Qualitätskontrolle von Schweißnähten in Bezug auf die Frage, ob eine Entfernung der Anlauffarben durch Nachbehandlungsmaßnahmen erforderlich ist, abzuleiten.

Vorteile und Lösungen

Der innovative Ansatz des Vorhabens gegenüber dem Stand der Technik besteht in der Möglichkeit, thermische Anlaufschichten insbesondere im Schweißnahtbereich hochlegierter nicht-rostender Stähle mittels zerstörungsfreiem elektro-chemischem Messverfahren hinsichtlich ihres Einflusses auf die Korrosionsbeständigkeit schnell und ohne Zuhilfenahme optischer Hilfsmittel beurteilen zu können. Die Bewertung der Notwendigkeit einer Schweißnahtnachbehandlung zur Entfernung kaum sichtbarer oder schwach hellgelber bis strohgelber Anlauffarben kann auf diesem Wege erfolgen.
Die elektrochemische Schichtdickendifferenzierung ermöglicht unter Hinzuziehung von elektrochemischen Kalibrierdaten eine Beurteilung der Lochkorrosionsgefährdung schwach angelaufener Werkstoffbereiche. Somit lassen sich prinzipiell Kriterien für die Qualitätskontrolle von Schweißnähten hinsichtlich der ggf. erforderlichen Entfernung vorhandener Anlauffarben oder der Änderung von Schweißparametern ableiten.
Zunächst wurde der bestehende Zusammenhang zwischen Ladungsmenge zur Ablösung einerseits und Dicke der oxidischen Anlaufschichten andererseits sowohl bei getemperten Blechproben als auch bei Schweißnähten genutzt, um eine elektrochemische Kenngröße als verfahrenstaugliches Maß für die Anlaufschichtdicke zu definieren. Im Gegensatz zu den bereits bekannten optischen Verfahren kommt es hier nicht durch eine subjektive Bewertung des Anwenders und andere Einflüsse zu Störungen. Vielmehr wird eine unabhängige, stufenlose Bestimmung der Schichtdicke im fraglichen Farbbereich ermöglicht.
Zur Bewertung des Einflusses auf die Korrosionsbeständigkeit erfolgten Lochkorrosionsuntersuchungen an entsprechenden, mit Anlaufschichten behafteten ungeschweißten und geschweißten Proben. Hier konnten für die im Fokus der Verfahrensentwicklung stehenden Schweißnähte ausgewählter Werkstoffe deutliche Zusammenhänge zwischen der Anlauf-schichtdicke und Lochkorrosionsanfälligkeit gefunden werden. Dies erlaubte eine Kalibrierung, welche die Grundlage für das zu entwickelnde Verfahren darstellt.
Die in den Arbeitspaketen durchgeführten Teilaufgaben wie die Anpassung einer Aufsatzmesszelle, der Messbedingungen an die Erfordernisse der Messaufgaben sowie die umfangreichen Arbeiten an modellhaft getemperten Blechproben waren Voraussetzung für die erfolgreiche Verfahrensentwicklung anhand praxisnaher Schweißnähte. Die durchgeführten oberflächenanalytischen Untersuchungen ermöglichten zudem ein besseres Verständnis von den strukturellen Verhältnissen in den Anlaufschichten, aber auch eine Korrelation zwischen elektrochemischen Daten und mittels Tiefenprofilanalyse ermittelten Schichtdicken.

Zielgruppe und Zielmarkt

Durch Schweißen gefügte Halbzeuge und komplexe Konstruktionen aus hochlegierten Stählen erreichen eine hohe Marktdurchdringung. Die Anwendungsfelder sind sehr breit angelegt. Exemplarisch zu nennen sind die Bereiche Bauwesen (Fassaden, Geländer, sonstige der Atmosphäre ausgesetzte Konstruktionen), Behälter-, Rohrleitungs- und Anlagenbau, Stahlwasserbau sowie Energie- und Wasserversorgung. Konkret zielt das entwickelte Messverfahren auf die Qualitätssicherung in kleinen und mittelständischen Unternehmen des Metallbaus und in entsprechenden Schweißfach-betrieben, aber auch in großen werkstoffverarbeitenden Unternehmen, welche sich alle mit der Problematik von thermischen Anlauffarben aus Schweißprozessen auseinandersetzen müssen.
Neben den ausführenden Unternehmen können sich auch Dienstleister mit Schweißaufsichtsfunktion des entwickelten Verfahrens bedienen, um anlaufbedingte kritische Oberflächenzustände von Schweißnähten zu detektieren.
Das Schweißen von hochlegierten nichtrostenden Stählen setzt die genaue Einhaltung eng gesetzter Schweißparameter voraus, was eine entsprechende technische und personelle Ausstattung erfordert. Die Anzahl an befähigten kleinen und mittelständischen Unternehmen ist daher begrenzt bei gleichzeitig großem Schweißnahtdurchsatz und hohen Qualitätsanforderun-gen. Die Wettbewerbssituation dieser Firmen ist infolge ihrer hohen erforderlichen Fachkompetenz und ihrer vergleichsweise geringen Anzahl gut. Der Einsatz von geschweißten Bauteilen aus hochlegiertem nicht-rostendem Stahl erfolgt auf hohem Niveau und in weiterhin steigendem Maße.
Dem Messverfahren selbst kann aufgrund der erhaltenen Aussagen eine Alleinstellung zugeschrieben werden. Es ist bei entsprechender Weiterentwicklung als ergänzen-des Werkzeug im Bereich der schweißnahtbezogenen Qualitätssicherung zu betrachten.
Da mit seiner Hilfe nicht nur der unmittelbare Zustand nach dem Schweißen beurteilt, sondern auch der Erfolg einer Schweißnahtnachbehandlung zur Entfernung von Anlauffarben kontrolliert werden kann, ist ein hoher Mehrwert zu erwarten. So kann in Bereichen, in welchen eine generelle Nachbehandlung von Schweißnähten etwa durch Beizen gefordert wird, das Messverfahren für diesen zusätzlichen Zweck eingesetzt werden.
Bisher ist keine Methode bekannt, mit welcher Anlauffarben unabhängig und objektiv bestimmt werden können. Mit dem entwickelten Verfahren steht für die Unternehmen prinzipiell ein Werkzeug zur Verfügung, mit welchem festgelegt werden kann, ob eine Schweißnahtnachbehandlung zur Gewährleistung der geforderten Korrosionsbeständigkeit erforderlich ist oder ob gegebenenfalls ein höher legierter Werkstoff und Schweißzusatzwerkstoff einzusetzen ist. Damit wurde eine Voraussetzung zur Beseitigung der Unsicherheiten bei der Beurteilung von Anlauffarben geschaffen. Das Verfahren kann helfen, kostenintensive Korrosionsschäden wirksam zu vermeiden.
Der Transfer der FuE-Ergebnisse soll direkt über eigene Dienstleistungen und Weiterbildungsangebote, aber auch durch Publikationen und Fachtagungen erfolgen.
Bestehende Kontakte zu Schweißfachbetrieben und Verarbeitern von hochlegierten nichtrostenden Stählen sollen genutzt werden, um die gewonnenen Erkenntnisse und Verfahrensgrundlagen im Rahmen eines angestrebten Folgeprojektes auf geschweißte Konstruktionen zu übertragen. Auf diese Weise soll eine Markteinführung des Verfahrens vorbereitet sowie Anpassungen durch Praxisvorgaben berücksichtigt werden.
Die zu erwartenden wirtschaftlichen Effekte der internen Verwertung dieser Entwicklung ergeben sich aus dem Erkenntnisgewinn, welcher zu einer besseren Beurteilung von Anlauffarben im Sinne der Qualitätskontrolle, der Schadensfallaufklärung und der korrosionsbezogenen Werkstoffauswahl in Form von ingenieurtechnischen Beratungs- und Prüfdienstleistungen sowie Weiterbildungsangeboten beiträgt.