Ziel der Entwicklung
Für das Trennen von Werkstoffen ist der Wasserstrahl einer der universellsten Werkzeuge. Abgedeckt werden kann ein Materialspektrum von Gummi, Papier, Stoff und Lebensmitteln bis hin zu Glas, Steinen und Keramiken. Um dies zu realisieren sind Wasserstrahlen mit hohen Drücken notwendig, die auch eine geringe Strahldivergenz bewirken. Dies wirkt sich jedoch negativ auf die Umfangsbearbeitung von Rohren beziehungsweise umfangsgeschlossenen Geometrien aus. Der austretende energiereiche Wasserstrahl interagiert auch mit der gegenüberliegenden Seite und trägt Material ab. Besonders bei Glaswerkstoffen oder bei Bauteilen, bei denen die Innendurchmesser kleiner 100 mm sind, führt dies zu Einschränkungen für den Einsatz. Ziel des Vorhabens war daher, ein Strahlfängersystem zu entwickeln und zu qualifizieren. Dafür wurden Modellversuche an dafür entwickelten, transparenten Prozesskammern durchgeführt, die es erlaubten, den Strahlverlauf im Schneidprozess zu beobachten um die Mechanismen zur Energiedissipation des Strahls besser zu verstehen und gezielt ausnutzen zu können. Aufbauend auf dem erarbeiteten Grundverständnis wurden verschiedene Werkstoffe und Geometrien hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit dem Wasserstrahl und ihrer Eignung als Absorbermaterial evaluiert. Auf Basis dieser Materialauswahl wurden verschiedene Absorbergeometrien entwickelt, konstruiert und gefertigt. Diese wurden in Schneidversuchen u. a. an Glaswerkstoffen erprobt und ausgewertet. Weitere Arbeitsschwerpunkte waren die Integration des Absorbers in das Bewegungssystem der Wasserstrahlschneidanlage, um den Absorber konstant in einer optimalen Position unter dem Wasserstrahl auszurichten zu können. Dafür wurden Vorrichtungen entwickelt und in die Anlagensteuerung integriert. Darüber hinaus wurde die Integration einer Sensorik zur Detektion des Strahleinstichs in das Werkstück evaluiert. Im Ergebnis konnte ein Strahlfängersystem entwickelt und evaluiert werden, das unter Nutzung von Keramikkugeln als Absorbermaterial ein zuverlässiges Auffangen des Wasserstrahls beim Schneiden von Hohlkörpern sicherstellt. Dies eröffnet neue Anwendungsfelder für die Bearbeitung von Geometrien, die bisher nicht mit dem Wasserstrahl geschnitten werden konnten.
Vorteile und Lösungen
Zur Entwicklung des Absorbersystems wurden zunächst nötige Anforderungen zusammengetragen. Dazu gehörten unter anderem die Betriebsbedingungen für die Rohrbearbeitung, die Abmessungen der Innengeometrien oder die Standzeit von mindestens 500 Betriebsstunden. Anschließend wurde das Schneidverhalten an Quarzglas für verschiedene Strahlparameter untersucht und der Austrittsstrahl vermessen. Dazu wurden Hochgeschwindigkeitsaufnahmen des Schneidprozesses durchgeführt. Mit den Aufnahmen konnte der wichtige Streuwinkel des Strahls hinter dem Werkstück gemessen werden. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass der Austrittswinkel des Strahls dann besonders groß wird, wenn auch die Schnittqualität gering ist. Außerdem wurde der Einstechvorgang beobachtet. Hier hat sich gezeigt, dass der Wasserstrahl nicht stetig gerade bohrt, sondern in der Tiefe des Werkstücks mäandert. Durch hydrodynamische Effekte kommt es beim Bohren zu gelegentlichen Wechseln der Strömungsrichtung, so dass nicht immer der tiefste Punkt am stärksten bearbeitet wird. Nach der Untersuchung des Wasserstrahlverhaltens wurden verschiedene Materialien hinsichtlich Ihrer Eignung zur Strahldämpfung untersucht. Bei den Experimenten kamen Keramikkugeln, Stahlkugeln, Sand, Quarz und Stahlblech zum Einsatz. Die erprobten Stahlkugeln zeigten trotz ihrer hohen Duktilität keine wesentlichen Verbesserungen gegenüber Keramikkugeln. Sie wurden aber vom Strahl schneller abgetragen. Zudem neigen sie an den Abtragstellen zur Rostbildung. Es erwies sich als grundsätzlich sinnvoll, die Kugeln kompakt anzuordnen. Wenn die Kugeln lose sind, weichen sie dem Strahl aus und die effektive Dicke der Kugelschicht reduziert sich. Kleine Keramikkugeln haben den Vorteil, dass sie weniger Zwischenräume bilden und der Strahl auf gleicher Strecke häufiger umgelenkt wird. Große Kugeln haben hingegen den Vorteil, dass sie einen größeren Strahleintritt des Absorbers tolerieren und trotzdem kompakt bleiben. Um die Strahldämpfung beobachten zu können, wurde ein teiltransparentes Gefäß gefertigt. Die aufgenommenen High-Speed-Videos zeigen, dass der Strahl je nach Winkel zwei bis drei Kontakte mit den Kugeln braucht, um Glasfenster und -boden nicht mehr abtragen zu können. Bei sehr flachen Einfallswinkeln können auch mehr Kontakte nötig sein. Es wurden zwei Versionen eines Absorbers gefertigt: Zum einen ein sehr kostengünstiges KG-Rohr mit Keramikkugelfüllung und zum anderen ein Stahlrohr mit Hartmetall-Platten und Keramikkugelfüllung. Zudem wurde zum Vergleich eine klassische Version aus Pressspahnplatten gefertigt. Sowohl das KG-Rohr als auch das Stahlrohr halten dem maximalen Druck von 3.500 bar stand. Die Keramikkugeln zeigen dabei einen mäßigen Verschleiß und sind problemlos nachzufüllen. Im Rahmen des Projekts sollte der Absorber anschließend in das Bewegungssystem der Schneidanlage integriert werden. Damit wird erreicht, dass die relative Position von Schneidstrahl und Absorber über die gesamte Bearbeitung konstant gehalten werden kann und immer der gleiche Auftreffwinkel gewährleistet ist. Zunächst wurde die Anbindung des Absorbers direkt an den Schneidkopf bzw. das Portalsystem betrachtet. Die Maschinenachsen sind jedoch nicht für die zusätzliche Aufnahme des Absorbergewichts ausgelegt. Die Befestigung und Bewegung der zusätzlichen Masse würde die Präzision der Maschine beeinträchtigen und könnte sogar zu Schäden am Bewegungssystem führen. Im zweiten Schritt wurde daher die ursprünglich geplante Umsetzung der Absorberbewegung im Maschinenbett betrachtet. Die Absorberbewegung bietet den Vorteil, dass der Absorber nicht die gesamte Werkstücklänge abdecken muss und somit kleiner gebaut werden kann. Die zu bewegende Masse und der steuerungstechnische Mehraufwand schränken den Anwendungsbereich jedoch ein. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass es keinen einzelnen Absorber geben wird, mit dem sich alle Schneidanwendungen ausführen lassen, aber mit einer Auswahl von wenigen Absorbern wird es für jede Schneidaufgabe eine sinnvolle und einfache Lösung geben. Schließlich wurde im Projekt auch der Einstichprozess messtechnisch erfasst. Der Prozess muss mit einem niedrigen Druck beginnen, damit spröde Werkstücke nicht gleich zu Beginn durch den Schlag des Wasserstrahls zerstört werden. Standardmäßig wird im Bearbeitungsprogramm eine fest definierte Zeit für den Einstich programmiert und die Maschine wartet diese Zeit ab, bevor das eigentliche Schneidprogramm startet. Wenn der Durchbruch detektiert werden kann, könnte die Maschine die Kontur sofort automatisiert abfahren und somit Bearbeitungszeit einsparen. Für die Detektion wurde auf Beschleunigungssensoren gesetzt, da diese robust und kostengünstig verfügbar sind. Anhand der durchgeführten Experimente konnte gezeigt werden, dass der Einstichvorgang mittels Beschleunigungssensoren detektierbar ist. Sensorgestützt kann hier Prozesszeit eingespart werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Durch den neu entwickelten Absorber lassen sich deutlich kleinere Hohlkörper wie zum Beispiel Rohre wasserstrahlschneiden, als bislang möglich. Die Projektergebnisse adressieren vorrangig Anwender und Lohnfertiger für Wasserstrahlschneidaufgaben. Die Projektergebnisse sollen Dienstleistern die Bearbeitung von empfindlichen Hohlkörpern aus Glas und Kunststoffen ermöglichen. Mit dem neuen Absorber können komplexere Teile bearbeitet werden, als mit klassischer Glasbearbeitung möglich ist. Damit wird eine konstruktive Freiheit für die Anlagenkonzeption gewonnen, die es möglich macht, Bauteilgruppen aus weniger Einzelteilen aufzubauen und dadurch schon bei der Konstruktion der Glasgeräte Fertigungsaufwand einzusparen. Die im Projekt erarbeitete Entwicklung wird auch die Nachfrage nach Wasserstrahlschneiddienstleistungen insgesamt und wird dadurch vermutlich auch Investitionen in neue Maschinentechnik bewirken, um das gestiegene Auftragsvolumen zu bewältigen.