Ziel der Entwicklung
Glasrohre kommen bei einer Vielzahl von Anwendungen des Glasapparatebaus und des Laborbedarfs vor allem in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie der Halbleiterbranche zum Einsatz. Meist wird hier Borosilikatglas (B33) verwendet, welches jedoch nur bis in Temperaturbereiche von zirka 400 °C eingesetzt werden kann. Bei höheren Temperaturen bis zu 1.100 °C kann nur Quarzglas verwendet werden. Unabhängig von der Glassorte werden Glasrohre im Anlagenbau meistens mit Flanschverbindungen aneinander oder an anderen Apparaturen befestigt und durch Verbindungssysteme mit Dichtungen für Reaktoranwendungen gegenüber ihrer Umgebung abgedichtet. Auf diese Weise können verschiedenartige Glasapparaturen mit verschiedenen Funktionen miteinander verbunden werden. Oft findet man an den Enden stoffschlüssige Rohr-Ring-, Rohr-Platte- oder Rohr-Rundscheibe-Verbindungen, um eine Adaption verschiedener Laborgefäße miteinander zu ermöglichen. Die Herstellung solcher Flanschenden für Rohre oder Verschlüsse ist fertigungstechnisch eine enorme Herausforderung. Das Bauteil muss im Bereich der Fügestelle bis in den Transformationsbereich des Glases erwärmt werden, um einen Bruch durch eingebrachte thermische Spannungen zu vermeiden. Erst dann kann der eigentliche Fügevorgang durchgeführt werden. Dieser Fertigungsschritt ist für den Apparate-Glasbläser eine hohe Belastung und mit einem enormen Zeit- und Energiebedarf verbunden. Sind Flanschenden oder Verschlüsse (-Verschlusskappen) sehr massiv, können sie aufgrund der Materialdicke und der hohen Verarbeitungstemperatur von zirka 2.000 °C (Quarzglas) mit konventioneller Brennertechnik nur mit hohem Aufwand oder gar nicht gefertigt werden. Flanschenden mit Rohransatz werden dann kalt durch Schleifen und Polieren hergestellt und anschließend durch eine Rohr-Rohr-Verbindung zu einer Rohr-Flansch-Verbindungen komplettiert. Dies ist ebenfalls mit einer hohen Ressourcenbindung von Zeit, Personal und Material sowie zusätzlichen Aufbereitungs- und Entsorgungskosten für Schleifsuspensionen verbunden. Im umgekehrten Fall steht vor allem bei der Verarbeitung von Borosilikatglas (B33) durch die deutlich geringeren Erweichungstemperaturen oft zu viel Schmelzvolumen im Fügeprozess zur Verfügung. Dies führt dann insbesondere bei dünneren Glasstärken < 3 mm zur starken Deformation von Glasrohr und Glasflansch beziehungsweise Glasscheibe. Im vorliegenden Projekt sollten diese Grenzen konventioneller Verfahren durch den Einsatz der Lasertechnologie ausgeräumt werden. So können Qualität und Haltbarkeit von Produkten verbessert werden, während Material-, Zeit-, Energie- und Kostenaufwand reduziert wird. Die Bearbeitung mit dem Laser kann das Fügen dickerer Materialien sowie die Herstellung filigranerer Bauteilstrukturen ermöglichen und die Digitalisierung der automatisierten Glasfertigung vorantreiben.
Vorteile und Lösungen
Ziel des Projektes war die Entwicklung einer Prozessstrategie zum direkten Fügen von Bauteilkombinationen in Form von Rohr-Ring- beziehungsweise Rohr-Rundscheibe-Verbindungen aus Glas mittels Lasertechnik. Dabei sollte eine qualitativ hochwertige Schweißverbindung (T-Stoß) durch Wärmeleitungsschweißen für Borosilikatglas (B33) und durch Tiefschweißen für Quarzglas erzeugt werden. Die Verbindung sollte durch eine gleichmäßige, abgerundete innere und äußere Nahtausbildung (Kehlnaht) gekennzeichnet sein. Dadurch werden Kerbwirkungen vermieden, die Wärmeeinflusszone und damit die Materialveränderungen im Vergleich zum konventionellen Prozess mittels Brenner werden verringert sowie die Produktqualität und Haltbarkeit wesentlich erhöht. Dies konnte durch Untersuchungen zur Geometrie der Einzelbauteile, der Entwicklung von Systemtechnik (Zuordnung der Teile in Vorrichtungen, der Wärmeführung und der Einstrahlstrategie des Lasers) erreicht sowie durch die werkstofftechnische Charakterisierung der Verbindungen nachgewiesen werden. Die technischen Zielparameter wurden gemeinsam mit interessierten Unternehmen spezifiziert und die Untersuchungen an Glasproben und produktionstypischen Mustergläsern/-formen durchgeführt.
Für die Versuchsdurchführung wurden CO2-Laserquellen (? = 10,6 µm) mit Laserleistungen bis 3,5 kW und flexiblen Fokussierbedingungen, verschiedene Vorwärmtechniken wie angepasste elektrische Heizer, Induktionsstromquelle oder Gasbrenner sowie Handhabungssysteme und Messtechnik verwendet. Im Ergebnis der Untersuchungen konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Qualität der Kehlnaht für Labormessgefäße (B33) mittels Laserfügen im Vergleich zur brennerbasierten Fertigung deutlich verbessert werden kann. Seitens der Prozesszeit ist für eine industrielle Einführung weiteres Optimierungspotential vom Experimentalaufbau hin zu einer Industrieanlage notwendig, was beispielsweise durch einen Mehrstationenbetrieb, höhere Laserleistungen oder eine Vorwärmung realisiert werden könnte. Das Laserschweißen von Quarzglas ist für Wandstärken bis zwei mm als Wärmeleitungsschweißen zum Beispiel filigrane Strukturbauteile und bis 15 mm mit dem hybriden Tiefschweißverfahren umsetzbar.
Zielgruppe und Zielmarkt
Für Flanschverbindungen und Rohrverschlüsse kooperieren verschiedene Unternehmen weltweit, in Deutschland sowie in Thüringen direkt an überschneidenden Technologie- und Geschäftsfeldern des Glasapparatebaus und Laborbedarfs für Anwendungen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie der Halbleiterbranche. Die gewonnenen Erkenntnisse können nach Projektende für die Herstellung von Produkten aus Borosilikatglas und Quarzglas im Glasapparatebau angewandt und vermarktet werden sowie die Technologie mit interessierten Unternehmen der Glasindustrie weiterentwickelt werden. Die Nutzung optischer Technologien kann dabei ein Beitrag zu weiteren Energieeinsparungen, einem minimierten Einsatz von Brennergasen und damit zur CO2-Reduktion in der Glas-Produktion und damit in der Glasindustrie sowie die Erhöhung der Qualität von Glasprodukten leisten. Weiterhin ermöglicht die große Flexibilität durch den Lasereinsatz im Vergleich zu konventionellen Technologien neue Produktdesigns, welche direkt in die Bauteilkosten einfließen. Mit der entstandenen Prozesstechnik kann im Anschluss des Projektes am ifw Jena Einzel- und Kleinserienfertigung übernommen und mit Anlagenherstellern Fertigungs- und Automatisierungslösungen in der Industrie für die Massenfertigung etabliert werden. Allerdings müssen die Kosten und der Nutzen in Abhängigkeit von der Glassorte, der Geometrie der Fügestellen, der technologischen Prozessparameter und der Fertigungslösungen anwendungsbezogen, ökonomisch und ökologisch betrachtet werden.