Ziel der Entwicklung
Im Automobilbau, insbesondere im Karosseriebereich, finden eine Vielzahl an Dichtungen ihren Einsatz. Die meisten Dichtungen sind Hohlkammer- oder Lippendichtungen, welche gegen verschiedene Gegenmaterialien, wie lackiertes Blech, Kunststoffformteile oder Glas, verbaut werden. Durch die Bewegung des Fahrzeuges können diese relativ zu ihren Gegenmaterialien bewegt werden. Liegen ungünstige Randbedingungen vor, kann es zu einer Ausprägung des Stick-Slip-Effektes kommen. Dies ist vom Anwender unerwünscht und führt zu einer enormen Kostensteigerung beim Automobilhersteller und seinen Zulieferern durch Reklamationsrückläufer. Im bisherigen Stand der Technik existiert eine RPZ (Risikoprioritätszahl) zur quantitativen Einordnung der Stick-Slip-Anfälligkeit, jedoch nur für flache Probenmaterialien. Der Auswertealgorithmus versagt allerdings, sobald geometrisch komplexe Proben, wie Dichtungen, vermessen werden.
Ziel dieses Projektes war es, den Einfluss der Eigenschaften komplexer, dreidimensionaler Fahrzeugdichtungsgeometrien auf die Ermittlung des Stick-Slip-Risikos zu analysieren und diese Einflüsse in Form eines aus statischen und dynamischen Kennwerten ermittelten Formfaktors bei der Berechnung einer Risikoprioritätszahl für Stick-Slip zu berücksichtigen, um so den veränderten Bedingungen bei der Vermessung komplexer Geometrien Rechnung tragen zu können.
Vorteile und Lösungen
Im Rahmen des Vorhabens wurden Materialien beschafft, welche einen guten Querschnitt der am Markt gängigen Probenformen abbilden. Diese wurden in ihren statischen und dynamischen Kennwerten charakterisiert. Die bei der Erprobung der im Projekt realisierten universellen Prüfkörperhalterung durchgeführte Fehleranalyse ermöglichte wesentliche Verbesserungen in der Einspannung komplexer Prüfkörper. Mit Hilfe der neuentwickelten Prüfkörperhalterung können die gewählten Proben reproduzierbar eingespannt und vermessen werden. Somit ist es möglich, Einflussgrößen, wie Prüfkörpergewicht, Probenlänge und Anstellwinkel, zu untersuchen.
Die Entwicklung des Korrekturfaktors basierte auf der Ermittlung der charakteristischen Kennwerte. Da diese Kennwerte in ihrer Gesamtheit das Reibungsverhalten der Dichtung beeinflussen, kann der Korrekturfaktor direkt aus der gemessenen Reibkraftkurve ermittelt werden, ohne dass eine zusätzliche Vorabbestimmung von Kennwerten notwendig ist. Durch eine entsprechende Software-Erweiterung, mit deren Hilfe die aufgenommenen Messsignale nach der Korrektur neu ausgewertet werden, kann eine verbesserte RPS-Kennzahl ermittelt werden. Auf diese Weise wurde eine sehr nutzerfreundliche Möglichkeit zur aussagekräftigen Bestimmung des Stick-Slip-Risikos einer Dichtung geschaffen.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die wirtschaftlichen Markteintrittschancen können als sehr gut eingeschätzt werden. Zahlreiche enge Kontakte zur Automobilindustrie und zu deren Lieferanten lieferten die Basisdaten für dieses Projekt. Zudem liegt nun mit einer Prüfvorschrift inklusive einer verbesserten Auswertung die Grundlage zur Durchführung von externen Prüfaufträgen vor.
Aus den Ergebnissen des Forschungsvorhabens entsteht folgender zukünftiger Nutzen: Verbreitung einer standardisierten Prüfvorschrift entlang der Wertschöpfungskette; Weitere Zusammenarbeit mit Vertretern der Automobilindustrie; Prüfaufträge „Stick-Slip-Verhalten Elastomere/Dichtungen“.
Um die optimierte Auswertung vermarkten zu können, bedarf es der Anerkennung durch die potentiellen Industrieanwender. Im bestehenden Arbeitskreis Elastomere wird dies bereits unterstützt und der zu Projektende durchgeführte Ringversuch belegt das Industrieinteresse. Die Mitarbeit des FILK in den Gremien des Vereins der Automobilindustrie (VDA) wird genutzt, um die optimierte Auswertung und die Prüfmethode als allgemeinen Standard zu etablieren.