Ziel der Entwicklung
Das Ziel des FuE-Vorhabens war die Entwicklung eines modularen Prüfstandes zur Beurteilung der Dichtheit von Primärpackmitteln und zur Prüfung der Lager- und Transportsicherheit bei der Verwendung dieser sogenannten Kryovials (röhrenförmige Kryofläschchen) für die Lagerung von biologischem Material. Die vorwiegende Nutzung dieser aus Polymeren beziehungsweise Polymerblends oder Mischungen verschiedener Polymere bestehenden, meist mit einem Schraubdeckel verschließbaren, zylinderförmigen Röhrchen ist für die Einfrierung, den Transport und die Lagerung von Biomaterial in sogenannten Bio- oder Kryobanken bei Temperaturen bis zu -180 Grad Celsius.
Dafür sollten weiterhin Methoden entwickelt werden, um die dabei vorherrschenden Umgebungsbedingungen zu simulieren. Die Notwendigkeit dieser Prüfungen ergibt sich aus den folgenden Sachverhalten:
Zum Zeitpunkt der Antragstellung gab es keine herstellerunabhängige Prüfmethoden, die einen Vergleich der Produktqualität (insbesondere Dichtheit) zugelassen haben. Damit war ein wichtiges Auswahlkriterium für den jeweiligen Verwender praktisch nicht verfügbar.
Kontaminations- und zerstörungsfreie Lagerung und Transport der Proben sind ein zentraler Aspekt der Nutzung dieser Primärpackmittel. Eine verunreinigte oder im schlimmsten Fall zerstörte Probe gefährdet sowohl medizinische oder wissenschaftliche Studien als auch das Patientenwohl, falls Proben nach der Lagerung oder dem Transport nicht mehr verwendet werden können bzw. veränderte chemische, physikalische oder biologische Eigenschaften haben.
Für den Umgang mit den Röhrchen sind Aspekte der Arbeitssicherheit zu beachten. Insbesondere im Falle von undichten Röhrchen bei der Lagerung beziehungsweise der schnellen Einfrierung können Gefahren durch direkten Kontakt mit flüssigem Stickstoff entstehen. Beim Auftauen vergrößert der Stickstoff durch den Phasenwechsel von flüssig zu gasförmig das eingenommene Volumen um ca. das 700-fache, sodass durch den entstehenden hohen Innendruck im Packmittel der Berstfall eintreten kann. Neben einer Zerstörung der Probe entsteht dadurch eine unmittelbare Gefahr für den Nutzer.
Im Rahmen des FuE-Projekts sollten deshalb vier Methoden entwickelt und im Labormaßstab getestet werden:
Gravimetrischer Dichtheitsnachweis – Transportation für den Nachweis der Flugsicherheit biologischer Proben und Lecktest bei der Lagerung in flüssigem Stickstoff als zwei Prüfmethoden zum Nachweis der Lagersicherheit. / Prüfung der Transportsicherheit durch einen CO2-Lecktest um zu ermitteln, ob und wieviel sublimiertes Kohlendioxid während des (gefrorenen) Transportes auf Trockeneis in das Röhrchen bzw. die Probe eindringt. / Prüfung der Materialsicherheit durch die Bestimmung des Berstdruckes der Röhrchen, der die Ausdehnung von eingedrungenem flüssigem Stickstoff im Packmittel beim Erwärmen simuliert.
Schließlich sollte der modulare Prüfstand die genannten Methoden in einem kompakten Funktionsmuster vereinen und auf diese Weise eine umfassende Dichtheits- und Sicherheits-bewertung der Primärpackmittel zulassen. Neben der technologischen Umsetzung waren die Bedienerfreundlichkeit durch eine unkomplizierte Anpassung der Versuchsparameter und eine übersichtliche Darstellung der aktuellen Messwerte sowie die schnelle und übersichtliche Auswertung der generierten Ergebnisse Ziele des Forschungsvorhabens.
Vorteile und Lösungen
Zunächst waren geeignete Prüfmethoden zu entwickeln und unter Laborbedingungen durchzuführen. Für den gravimetrischen Dichtheitsnachweis gab es Paramater, denen die mit biologischem Material gefüllten Röhrchen standhalten mussten, um per Flugzeug oder auf der Straße transportiert werden zu dürfen. Ein Gefriertrockner schien geeignet, einen Druckunterschied von 95 kPa zwischen Röhrchen und Umgebung zu erzeugen. Nach der Wahl eines passenden Prüfmediums und der Umsetzung einer druckdichten Temperaturmessung innerhalb des Röhrchens wurden Versuche durchgeführt. Gravimetrie bot sich als schnelle und kostengünstige Auswertemethode an. Dadurch ist eine Bestimmungen des Probenverlustes quantitativ möglich.
Für den Dichtheitstest der Röhrchen in flüssigem Stickstoff musste eine Möglichkeit gefunden werden den sehr reaktionsträgen Stickstoff nachweisen zu können. Dafür wurde eine visuell-sensorische Lösung, basierend auf physikalischen Vorgängen, während des Auftauens der Röhrchen entwickelt. Durch eine Schichtung von zwei verschiedenfarbigen Feststoffen vor der Inkubation in LN2 wird eine visuell deutlich erkennbare Trennung erreicht. Dringt infolge einer Undichtheit LN2 in das Röhrchen ein, wird dieser später durch die Temperaturerhöhung bei der Entnahme verdampfen, was zwei Effekte auslöst: Erstens werden die beiden Farbschichten durch die entstehende Verwirbelung vermischt, dies lässt sich nach Versuchsende visuell auswerten. Zweitens kommt es gegebenenfalls zu einem Druckanstieg im Röhrchen. Dieser kann durch das Öffnen der Röhrchen sensorisch ermittelt werden. Dabei lässt sich entweder ein „Zischen“ oder „Pfeifen“ beim Aufdrehen vernehmen oder die mikrogranularen Feststoffe heben sich. Als dicht gelten die Röhrchen, bei denen nach Versuchsende sowohl eine klare Trennung der Farbschichten als auch kein Druckanstieg wahrnehmbar ist.
Für die Prüfung der Transportsicherheit waren die Parameter durch die Gegebenheiten beim Transport festgelegt. Neben einer Temperatur von zirka -78 °C stellt sich beim Trockeneistransport eine Kohlendioxid-Atmosphäre ein. Diese wurde unter Laborbedingungen durch sublimierendes Trockeneis nachgestellt. Die Herausforderung war der Nachweis des eingedrungenen CO2. Dabei wurde sich der Effekt zu Nutze gemacht, dass in wässrigem Medium gelöstes CO2 den pH-Wert des Mediums senken kann. Dafür musste eine Prüfflüssigkeit gefunden werden, die eine ausreichend große Mengen an CO2 aufnehmen kann und im Bereich kleiner CO2-Gehalte mit relativ großen Änderungen im pH-Wert reagiert. Pufferlösungen mit verschiedenen Konzentrationen wurden getestet. Die Messung des pH-Wertes kann nach Versuchsende mit einer geeigneten Messelektrode erfolgen. Aus einer Vielzahl von Messpunkten von pH-Werten bei bekannter CO2-Konzentration konnte eine Kalibrierfunktion erstellt werden, die den Zusammenhang zwischen eingedrungener Menge an CO2 und resultierendem pH-Wert der Pufferlösung darstellt.
Die Ermittlung des Berstdruckes der Röhrchen gibt Auskunft über den zulässigen Behälterinnendruck in Abhängigkeit der Temperatur. Der Hintergrund der Prüfung ist die Expansion von eingedrungener Flüssigkeit in Form von flüssigem Stickstoff oder durch Akkumulation von kondensierten Luftbestandteilen beim Auftauen nach der Entnahme aus dem Lagerort. Dazu mussten folgende Anforderungen erfüllt werden: Eine möglichst lineare Druckerhöhung im Röhrchen zur Druckmessung innerhalb des Röhrchens bei einer variablen Prüftemperatur zwischen Raumtemperatur und -180 °C.
Ausgehend von den Anforderungen der einzelnen Prüfmethoden musste der Prüfstand im Anschluss so ausgelegt und gefertigt werden, dass alle genannten Prüfmethoden realisiert und die nötigen Parameter erreicht werden konnten.
Durch die Realisierung der Prüfmethoden in einem kompakten Gerät können umfassende, zum größten Teil quantitative Aussagen zu jedem getesteten Röhrchen ermittelt werden. Dies schafft eine dringend benötigte Grundlage für die Auswahl des geeigneten Röhrchens durch den Verwender. Zudem erlaubt es dem Hersteller eine Qualitätsbewertung Ihrer Produkte, insbesondere der Einfluss möglicher Änderungen im Produktionsprozess auf die Dichtheit kann schnell und einfach ermittelt werden um bestehende Produkte zu optimieren oder Neuentwicklungen zu prüfen.
Zielgruppe und Zielmarkt
Als Zielmärkte sind Bio- und Kryobanken als Hauptanwender der Primärpackmittel zu nennen. Diese sind unter anderem in klinische und diagnostische Studien (sogenannte Kohortenstudien) zur Erforschung der Ursachen und Mechanismen von Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen eingebunden oder für die Lagerung von Blutproben für die medizinische Forschung verantwortlich. Daneben sind auch private Einrichtungen zur Langzeitlagerung von embryonalen Stammzellen daran interessiert, ihren Kunden auch nach langer Lagerzeit möglichst unbeschädigte und vor allem kontaminationsfreie Stammzellen zur Verfügung zu stellen. In allen genannten Bereichen sind einheitliche und standardisierte Prüfmethoden zum Nachweis der Eignung des eingesetzten Kryoröhrchens und zur Auswahl des besten zur Verfügung stehenden Produktes notwendig.
Der Anwender profitiert in erster Linie von einer Verfügbarkeit von realitätsnahen Prüfmethoden zum Vergleich der Produkte als auch von der kompakten Bauweise und der Multifunktionalität der Prüfkammer, mit der mehrere Prüfungen in einem großen Temperaturbereich und mit verschiedenen Prüfgasen durchgeführt werden können.
Der Transfer der FuE-Ergebnisse erfolgt durch die Bereitstellung eines Funktionsmusters, welches in Zusammenarbeit mit dem interessierten Unternehmen zunächst als Prototyp und später in Kleinserie weiterentwickelt werden kann. Zudem können interessierte Unternehmen FuE-Dienstleistungen im Bereich der Dichtheitsprüfung am ILK Dresden beauftragen. In der näheren Vergangenheit wurden bereits Dichtheitsprüfungen von Herstellern zur Qualitätsprüfung vor dem Verkaufsstart der Produkte als auch vergleichende Untersuchungen zwischen den Röhrchen verschiedener Hersteller für wissenschaftliche Publikationen durchgeführt.
Mit den gewonnen Erfahrungen wird das ILK Dresden in die Lage versetzt, das Prüfangebot zu erweitern und die ständig wachsende Nachfrage zur Performance und Dichtheit von Kryoröhrchen zu erfüllen. Zudem können die beim Bau des Funktionsmusters gewonnen Erkenntnisse für die Umsetzung und den Bau von anderen Prüfmethoden beziehungsweise Prüfapparaturen verwendet werden.