Ziel der Entwicklung
In vielen Industriebranchen ist die Maß- und Formhaltigkeit sowie die Formtreue flächiger Zwischen- und Endprodukte ein wichtiges Qualitätskriterium. Die meisten Verarbeitungsmaschinen nutzen eine oder zwei Materialkanten als Anschlag für den folgenden Verarbeitungsprozess. Ist diese Nullreferenz aufgrund vorangegangener Verarbeitung falsch, kann das zu Verarbeitungsproblemen und Qualitätseinbußen am Endprodukte bis hin zur Ausschussproduktion führen. Beispielsweise ist der korrekte Beschnitt der Bedruckstoffbogen Voraussetzung für den Anlage- und Wendepasser in der Druckmaschine sowie für anschließende Falz- und Stanzprozesse. Gerade bei neuartigen Technologien, wie zum Beispiel das digitale Stanzen mit Laser sind außerdem Schwankungen in den erreichten Abmessungen von nacheinander hergestellten Exemplaren möglich, die ab einer bestimmten Größe einen Qualitätsmangel darstellen.
In der grafischen Industrie kommen üblicherweise Messelemente zum Einsatz, die auf das zu bestimmende Objekt aufgedruckt werden, um sie im nächsten Schritt mit entsprechenden optischen Sensoren zu vermessen. Das Aufbringen von Messelementen schränkt die Nutzung dieses Verfahren in anderen Industriebereichen ein. Zudem können Änderungen am Bedruckstoff selbst, wie Papierdehnung oder -schrumpfung, durch Feuchtmitteleinflüsse oder Klimaveränderungen nicht erfasst werden.
Vorteile und Lösungen
Im Rahmen des Messvorgangs erfolgt eine Positionsmessung signifikanter Begrenzungspunkte des zu bestimmenden Objektes, das in Bezug zu einem darunterliegenden großflächigen Messelement gebracht wird. Es wird also nicht das Messelement auf das Objekt aufgebracht, sondern das Messelement ist die dimensionsstabile Unterlage, auf die das zu vermessende Objekt gelegt wird. So sind zum Beispiel die vier Eckpunkte eines Bogens Begrenzungspunkte, die nach der Vermessung Rückschlüsse auf die Abmessungen und Winkligkeit des Bogens zulassen. Bei der Bestimmung der Geradlinigkeit einer Schnittkante müssen mehrere Messpunkte entlang der Kante hinzugezogen werden. Nutzungsmöglichkeiten ergeben sich auch für die Bestimmung der Formen von Getränkeuntersetzern, die ja in verschiedenen Varianten erhältlich sind. Diese können auf solche Weise einfach überprüft werden.
Das Prinzip der Messung ist die Kontaktierung der Kontur des zu vermessenden Objektes mit Messkörpern. Diese tragen ebenfalls codierte Messelemente auf ihrer Oberseite, deren Lage im Bezug zur Gitterstruktur des großflächigen Messelements bestimmt wird. Durch Kontaktierung an jeweils verschiedene Objektkanten ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, Flächen, Kanten, Winkel und Durchmesser zu erfassen.
Für die Messung selbst ist ein Bild notwendig, das nach der Aufnahme durch die entsprechende Software verarbeitet wird. Die Kamera dafür ist klein und handlich, auch die Kamera eines Mobiltelefons kann dafür genutzt werden. Die Software ist als App verfügbar. In den darauf folgenden Verarbeitungsschritten werden Form und Größe des zu vermessenden Objektes bestimmt und über den Bildschirm ausgegeben.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass mit dem Messelement in Verbindung mit der Kamera die Vermessung und Erkennung von beliebigen zweidimensionalen Objekten, wie zum Beispiel Formatpapiere, Zuschnitte, Stanznutzen oder Etiketten mit einer Genauigkeit von wenigen Mikrometern möglich ist.
Die Möglichkeit, mit dem Messelement ein Koordinatensystem von beträchtlicher Größe herzustellen, eröffnet auch insbesondere das Potenzial zur Vermessung der X- und Y-Koordinaten entlang der Konturlinie auch eines größeren Objektes in einer Ebene.
Im Ergebnis des Projekts steht eine Lösung, bei der die Optik eines mobilen Endgeräts genutzt wird. Dafür wurde eine Software (App) entwickelt, die neben der eigentlichen Mess- und Auswertesoftware die Bedienung des Messsystems über eine intelligente Benutzeroberfläche komfortabel und einfach macht. Zusätzlich zu dieser Software werden für die Messung eine spezielle Halterung für das mobile Endgerät, Messtools und das Koordinatensystem Point Area benötigt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Neben der grafischen und der Verpackungsindustrie ist diese Lösung auch für andere Industriezweige interessant, in denen es um die exakte Vermessung von Werkstücken als Zwischen- oder Endprodukt zur Erfüllung höchster Qualitätsansprüche ankommt. Der Einsatz beispielsweise in der Metallindustrie eröffnet neue Möglichkeiten der schnellen, einfachen und dabei hochpräzisen Vermessung von Werkstücken.
Im September 2018 fand im SID eine Open-House-Veranstaltung statt, bei der neben den Mess- und Prüfgeräten detailliert auf aktuelle Forschungsprojekte eingegangen wurde. Dabei wurde die Messtechnologie erstmals vorgestellt. Anlässlich dieser Veranstaltung wurde für die Maß- und Formbestimmung ein Projektflyer erstellt und die aktuellen Entwicklungstätigkeiten an einem Versuchsstand demonstriert.
Zum Innovationstag der Sächsischen Industrieforschungsgemeinschaft SIG im Oktober 2018 und zur Jahreshauptversammlung des Vereins Polygraph im November 2018 wurde das Projekt Maß- und Formbestimmung in einem Fachvortrag vorgestellt.
Jeweils im September 2018 und 2019 wurden die Mess- und Prüfgeräte sowie die Entwicklungsprojekte, die im Bereich der Verpackungsherstellung und -prüfung Einsatz finden können, auf der Messe Fachpack in Nürnberg präsentiert. Die Demonstrationen der Maß- und Formbestimmung stießen dabei auf großes Interesse der Messebesucher.
Auf der drupa, der weltgrößten Fachmesse der grafischen Branche, die für Juni 2020 geplant war und aus aktuellem Anlass auf April 2021 verschoben wurde, ist das SID mit einem eigenen Messestand vertreten. Dort werden die aktuellen Forschungsaktivitäten des SID sowie die daraus entstandenen Mess- und Prüfgeräte vorgestellt. Dort wird auch die Lösung zur Maß- und Formbestimmung dem Fachpublikum präsentiert.
Seitens des Deutschen Patent- und Markenamtes wurde ein Schutzrecht mit der Patent-Nr.: 10 2018 005 547 am 12.09.2019 erteilt.