Ziel der Entwicklung
Textile Dehnungssensoren spielen bisher nur in Forschung und Entwicklung eine Rolle. Die Gründe hierfür sind mittels textiltechnischer Verfahren verarbeitbare, flexible Materialien zu identifizieren, welche den piezoresistiven Effekt aufweisen, bei gleichzeitiger Messwertreversibilität unter zyklischer Belastung und geringer Tendenz zur Hysterese. In Forschung und Entwicklung werden Sensoren vorgestellt, die entsprechende Eigenschaften aufweisen, aber einen komplizierten und aufwendigen technologischen Prozess durchlaufen. Dieser Sachverhalt schlägt sich im Preis der textilen Dehnungssensoren nieder oder die Funktionalität ist eingeschränkt, sodass eine Marktdurchdringung noch nicht erfolgt ist. Das heißt, dass derartige Sensoren für die breite Gesellschaft derzeit noch nicht zugänglich sind. Aufgrund zahlreicher und vielfältiger Anwendungen für textile Dehnungssensorik resultiert zweifellos ein großes Marktpotential. So können Marktsegmente in den Bereichen Smart Home, Altenpflege und Krankenpflege, Smart Textiles, Sportgeräte, in der Fahrzeug- und Zulieferindustrie und in der Kautschukindustrie erschlossen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Entwicklung einer kostengünstigen und reproduzierbaren Dehnungssensorik in jedem Falle von großem Nutzen für Industrie und Gesellschaft.
Vorteile und Lösungen
Im Mittelpunkt des geplanten Vorhabens stand die Entwicklung einer hochflexiblen Polymerfaser, welche einerseits dauerhaft mechanischen Belastungen bis zu einer Dehnung von e = 100 Prozent ausgesetzt werden kann und mit der man andererseits in der Lage ist, die dabei vonstattengehende Dehnung piezoresistiv zu messen. Zudem sollten ebenfalls technische Gesichtspunkte, wie beispielsweise die automatisierte Fertigung dieser Sensoren als auch die Integration in mögliche Anwendungen berücksichtigt werden. Die automatisierte Fertigung sah ein Schmelzspinnverfahren für Polymerfasern vor, welche entsprechende Dehnungen elastisch aufnehmen können. Als Beispiel sei die Materialgruppe der thermoplastischen Elastomere genannt. Das Prinzip der Dehnungsmessung sollte über die elektrische Leitfähigkeit der flexiblen Polymerfasern ermöglicht werden. Die elektrische Leitfähigkeit konnte durch das Compoundieren des Matrixpolymers mit elektrisch leitfähigen Partikeln, bestehend aus Metallen oder diversen Kohlenstoffmodifikationen in das Material eingebracht werden. Neben der Identifizierung eines geeigneten Matrixpolymers wurden zudem Compoundiereigenschaften wie Material, Partikelform und Füllstoffgehalt untersucht. Ein weiteres Projektziel war die Entwicklung eines geeigneten Beschichtungsmaterials sowie einer adäquaten Beschichtungsmethode. Da thermoplastische Materialien in den meisten Fällen unter andauernder Belastung keine reversible Rückverformung aufweisen, kann über eine geeignete Beschichtung das Rückverformungsverhalten gesteuert werden. Dabei werden die mechanischen Eigenschaften von dem Beschichtungsmaterial und die funktionellen Eigenschaften wie die elektrische Leitfähigkeit von der Sensorfaser übernommen. Um eine möglichst einfache Integration der Sensoren in diverse Anwendungen direkt und ohne zusätzliche Behandlungsverfahren zu ermöglichen, sollte eine kosten- und ressourcenschonende Kontaktiermethode, gefolgt von einer drahtlosen Signalauskopplung entwickelt werden. Speziell im Falle der Signalauskopplung konnte auf standardisierte technische Systeme wie induktiv, optisch und Funk zurückgegriffen werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Der Markt der Dehnungssensorik wird von den Dehnmessstreifen und für höchste Genauigkeiten von den faseroptischen Sensoren dominiert. Dehnungssensoren auf textiler Basis können aus wirtschaftlicher Sicht noch nicht mit den genannten Systemen mithalten. Das Ergebnis der durchgeführten Marktrecherche besagt, dass es keine einschlägigen Entwicklungen im Bereich hochflexibler dehnungsmessender Sensoren gibt. Neben den Firmen Amohr und LeMur ist die Firma Bend Labs seit 2018 auf dem Markt mit flexiblen Bandsensoren zur Bewegungsdetektion von Personen vertreten. Seit 2018 haben sich die Zielmärkte in ihrer Größe und Impact auf dem Gesamtmarkt gewandelt, was in erster Linie mit der pandemischen Situation und dem damit einhergehenden Personal- und Rohstoffmangel zusammenhängt. Textile Drucksensoren sollen Anwendung in Sitz- und Liegeflächen, Kautschukstrangprofilen und Smart Textiles finden. Die Anwendung in Sitz- und Liegeflächen bezieht sich beispielswiese in der Alten- und Krankenpflege auf bettlägerige Patienten, welche ein erhöhtes Risiko für Dekubitus aufweisen. In Zusammenhang mit der intensivmedizinischen Betreuung von COVID-19-Patienten entstehen während der Beatmung Dekubitus an Stirn und Kinn. Drucksensoren im Bereich des Gesichts können die Entstehung eines Dekubitus verhindern und das Pflegepersonal über eine anstehende Lageänderung des Kopfes informieren. In der Kautschukindustrie, insbesondere in der Strang- und Schlauchfertigung können die Sensoren zur Innendruckmessung oder zur Schadensvorhersage durch zum Beispiel Keilriemen oder Förderbänder genutzt werden. Die Integration erfolgt seriell während der Fertigung der Schlauch- oder Strangprofile. Da die Sensorfasern textil verarbeitet werden können, werden Smart Textiles als breites Anwendungsfeld betrachtet. Anhand der Sensoren können Bewegungen und Bewegungsmuster aufgezeichnet und dadurch, beispielsweise im Leistungsport, auf Übungsfehler oder drohende körperliche Überlastung hingewiesen werden. Für seitens der Industrie finanzierter Forschungs- und Entwicklungsaufträge kann das TITK derzeit die Herstellungsarbeiten der im Forschungsprojekt entwickelten dehnungsmessenden Polymerfasern, gegebenenfalls kombiniert mit einer Anpassung der Materialien an die Spezifik der jeweils geplanten Anwendung, übernehmen. Für die serielle Fertigung innerhalb eines bestimmten Anwendungsfeldes muss die Kontaktierung und Signalauskopplung individuell angepasst werden, was ebenfalls die Aufgabe des TITK darstellen kann. Gegebenenfalls kann die Herstellung und Vermarktung prinzipiell die Smart Polymer GmbH oder andere geeignete Transferunternehmen verantwortlich gewonnen werden, wobei entsprechend der geforderten Kontaktierung und Signalauskopplung der Sensor als Fertigteil angeboten werden soll. Die am TITK verfügbare Bikomponentenschmelzspinnapparatur, welche für das Erreichen der Projektziele eine entscheidende Rolle spielte, kann als Dienstleistung angeboten werden. Weiterhin hat sich das TITK durch die Verarbeitung elektrisch leitfähiger TPU Kompetenzen angeeignet, um auch beratend für andere Unternehmen tätig zu werden und Forschungsdienstleistungen anzubieten. Da die Sensoren mittels Bikomponentenschmelz-spinnverfahren seriell herstellbar sind und geringe Materialkosten aufweisen kann bei einer Mindestabnahmemenge von 25 kg ein Preis von 65 €/kg für monokomponentige und zirka 160 €/kg für bikomponentige Sensoren veranschlagt werden.