Ziel der Entwicklung
Im Mittelpunkt des geplanten Forschungsvorhabens steht die Entwicklung faserförmiger, piezoelektrischer Polymersensoren, welche sich durch eine niedrige thermische Empfindlichkeit aus-zeichnen. Es soll möglich sein, die Fasersensoren in thermoplastische Verarbeitungsverfahren, zum Beispiel Spritzguss, zu implementieren und dabei deren Funktionalität zu erhalten. Das ist nur möglich, wenn die Sensoren in der Lage sind kurzzeitig die Schmelztemperatur des zu verspritzenden Kunststoffs und über eine längere Zeit die Temperatur des Werkzeugs aufzunehmen. Zudem müssen die Sensoren dem hohen Druck beim Spritzgussverfahren ohne Versagenserscheinungen (Reißen, Plastische Dehnung, Schrumpfung) standhalten. Nach derzeitigem Stand ist die direkte Integration der Sensorfaser in einem kunststoffverarbeitenden Verfahren nicht möglich, da diese ohne Verlust der Funktionalität dauerhaft lediglich Temperaturen von bis zu 80 °C und kurzzeitig maximal 140 °C ausgesetzt werden kann ohne zu versagen. Das Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, den piezoelektrischen Polymersensor durch die Änderung der Materialzusammensetzung und die Implementierung einer thermisch isolierenden Schicht dauerhaft bei Temperaturen von bis zu 120 °C und kurzzeitig bei Spitzentemperaturen von bis zu 300 °C einzusetzen.
Vorteile und Lösungen
Bauteilschwingungen und damit einhergehende Beschädigungen, bzw. schwingungsinduzierte Schwächung der mechanisch elastischen Eigenschaften von Werkstoffen können, bei Bauteilversagen, schwerwiegende gesundheitliche, ökologische und wirtschaftliche Folgen haben. Insbesondere im Bauwesen (Erdbeben) und in der Automobilindustrie (rotierende Teile, Befestigungen rotierender Teile, Fahrterschütterungen) kann das Versagen eines Bauteils zu verheerenden Unfällen führen. Für industrielle Werkzeugmaschinen werden Sensoren zur Überwachung von Schwingungen seit einigen Jahren handelsüblich vertrieben. Diese dienen, im Sinne des Structural Health Monitoring, der Zustandsüberwachung von Maschinen und sollen auf bereits vorhandene oder bald eintretende Beschädigungen hinweisen. Derartige Sensoren werden mit dem gleichen Ziel auch in Windkraftanlagen oder im Bauwesen eingesetzt. Deutlich wird, dass bereits zahlreiche Systeme zur schwingungssensorischen Bauteildiagnose auf dem Markt vertreten sind. Allerdings werden keine Systeme angeboten, welche direkt im Bauteil integriert sind. Dieses Forschungsvorhaben bezieht sich auf die Implementierungsmöglichkeit von Schwingungssensoren direkt im Fertigungsprozess der zu überwachenden Bauteile. Das hat den Vorteil, dass keine zusätzlichen Schwingungssensoren am Bauteil angebracht werden müssen und die Schwingung nicht nur an der Oberfläche, sondern auch intrinsisch gemessen werden kann. Der Markt für derartige Sensoren eröffnet sich nicht nur aus dem genannten technischen Vorteil sondern lässt auch wirtschaftliche Relevanz durch verhältnismäßig niedrige Stückpreise bei einer gleichzeitig einfachen Software zur Signalauswertung erwarten. Die Marktrelevanz eines implementierfähigen Schwingungssensors entsteht allerdings erst, wenn er in einer Vielzahl von Verfahren eingesetzt werden kann. Das setzt eine geringe Empfindlichkeit gegenüber hohen Temperaturen und eine gewisse Anpassbarkeit (hohe mechanische Flexibilität) an die Verfahren voraus. Der bereits am Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V. entwickelte fadenförmige, piezoelektrische Sensor erfüllt die genannten Vorgaben der Anpassbarkeit vollständig und der Temperaturempfindlichkeit nur bedingt, was den Einsatz beispielsweise in der thermoplastischen Verarbeitungstechnologie erschwert.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die Zielmärkte piezoelektrischer Fasersensoren sind vielfältig. Insbesondere kann die Hochtemperatureignung hinsichtlich technologischer Verarbeitungs- und Implementierungsmöglichkeiten erheblichen Impact auf dem Markt generieren. Strangpressprofile / Extrusion: Die Integration von Fasersensoren in das Strangpressverfahren ist technisch bereits umsetzbar und birgt dementsprechend ein verhältnismäßig geringes marktwirtschaftliches Risiko. Es wird eine Vielzahl von technischen Bauteilen anhand des Strangpressens hergestellt. Insbesondere im Bereich Smart Home spielt die Sensorik eine entscheidende Rolle. Piezoelektrische Sensoren können als Bewegungsmelder, Geräuschsensoren oder Kontaktsensoren für Türen und Fenster in Erscheinung treten können. Als Einbruchssensoren (oder Glasbruchsensoren) können piezoelektrische Fasersensoren in Fenster- oder Türrahmen integriert werden. Diese müssten nicht nachträglich und extern an Tür oder Fenster angebracht, sondern können direkt als funktionalisierter Bestandteil geliefert werden. Der Sensor ist durch die Materialintegration nicht sichtbar und erfüllt dennoch die Anforderungen bisher für die Einbruchsdetektion verwendeter Sensoren. Technisch erfolgt die Integration beim Strangpressen der Fensterprofile durch das (Endlos-)Einlegen der Sensorfaser direkt bei der Formgebung am Presswerkzeug. Ein weiteres Anwendungsgebiet piezoelektrischer Fasersensoren wird in der Verwendung als Beschädigungs- und möglicherweise Durchflusssensoren in Rohren erwartet. Anhand des Sensorprinzips ist eine Schadensfrüherkennung ebenfalls denkbar. Der im Forschungsvorhaben entwickelte Sensor soll insbesondere in stark beanspruchten Leitungssystemen Anwendung finden oder in Leitungssystemen, welche im Versagensfall hohe Kollateralschäden zur Folge hätten. Durch die materialintegrierte Sensoreinbringung entstehen höhere Produktionskosten und dementsprechend ein höherer Produktpreis gegenüber herkömmlichen Systemen. Der Preis kann durch die Funktionalität, den gewonnenen Sicherheitsfaktor durch Schadensfrüherkennung und einer im Schadensfall einfachen Leckageortung begründet werden.
Kautschukprofile: Der piezoelektrische Fasersensor hat den großen Vorteil der Flexibilität und der textilen Verarbeitbarkeit gegenüber anderen Produkten mit gleichem Funktionsprinzip. In der Kautschukindustrie ist die Flexibilität von zentraler Bedeutung. Analog zu extrudierten Rohrprofilen ist als Anwendung die Schadensdiagnose von Schläuchen zu nennen. Weitere Beispiele sind die Abnutzungsdiagnose von Autoreifen oder die Dichtheitsprüfung von Gummidichtungen, welche über die Änderung akustischer Emissionen detektiert werden können.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Integration der Fasersensoren in Schienenfußprofile im Fern- und Nahverkehr. Insbesondere in Wohngebieten und in Regionen, wo Geräuschemissionen so gering wie möglich gehalten werden sollten und dennoch ein geregeltes öffentliches Verkehrssystem besteht, können die Sensoren zur Messung des durch die Zugüberfahrt induzierten Körperschalls benutzt werden. Die Integration kann beispielsweise zwischen dem Extrusions- und dem Vulkanisationsprozess stattfinden. Die Faserzuführung erfolgt inline direkt am Extrusionswerkzeug.
Pultrusionsprofile: Die Pultrusion (Strangziehverfahren) stellt ein zentrales Standbein für die Fertigung glasfaser- oder kohlenstofffaserverstärkter Verbundbauteile dar. Die Anwendung von Pultrusionsprofilen erstreckt sich über den konstruktiven Einsatz als Ersatz für Stahlbewehrungen im Hoch- und Leichtbau oder in Bereichen mit starker Korrosion. Im Vergleich zur Verwendung von Stahlbewehrungen werden zum Beispiel die Durchlässigkeit von Funkwellen, die Korrosionsbeständigkeit, weitgehende Wartungsfreiheit, die Möglichkeit zur lastgerechten Konstruktion und die Nicht-Leitfähigkeit von Strom und Temperatur.
Die piezoelektrischen Sensorfasern können in den Pultrusionsprozess analog zu den Verstärkungsfasern und –rovings gebündelt eingearbeitet werden, was keine komplexen Maschinenumkonstruktionen oder Neukonstruktionen nach sich zieht. Die Sensoren können zur akustischen Analyse von Beschädigungen und möglicherweise des drohenden Versagens der Bewehrungselemente als auch des Betons dienen.