Ziel der Entwicklung
In der industriellen Produktion vollzieht sich derzeit ein Wandel grundlegender Rahmenbedingungen mit weitreichenden Auswirkungen auf die Hersteller von Fertigungsausrüstungen. Dies belegen Impulse mittelständischer Werkzeugmaschinenbauer hinsichtlich erheblich gesunkener Nachfragen für starre und teure Maschinenkonzepte, zugeschnitten auf die Bearbeitung kubischer Volumenbauteile.
Alternativ sind von den Anwendern zunehmend flexible, kostengünstigere CNC-Lösungen gefragt, die den Anforderungen hin zu sehr komplexen Geometrien beim Finishing additiver Bauteile und im modernen Werkstoffspektrum mit dem Trend zu mehrlagigen Verbundmaterialien entsprechen können. Neben diesen Kriterien spielen Energie- und Ressourceneffizienz, flexible Gestaltung und Umrüstung durch modularen Aufbau des Bearbeitungseffektors, Anordnungsvarianten als Fertigungszelle sowie leichte Umsetzbarkeit im betrieblichen Umfeld eine tragende Rolle.
Bisherige robotergeführte Bearbeitungseinheiten konnten diese Lücke hinsichtlich geforderter Qualitätskriterien nicht ausfüllen.
Mit der Entwicklung eines auf zukunftsweisende Material- und Bauteilkonzepte zugeschnittenen CNC-Präzisionsbearbeitungssystems sollte ein Beitrag zur Überwindung der aufgezeigten Defizite geleistet werden.
Vorteile und Lösungen
Um dem Kundenwunsch nach einer kostengünstigen Werkzeugmaschine für die Bearbeitung von Verbundwerkstoffen nachzukommen, wurde im Rahmen des Einzelprojektes eine prototypische Lösung entwickelt. Wesentliche Komponenten stellen ein schwerlastfähiger Linearverfahrtisch und ein Industrieroboter als 6+1-Achsen-Kinematikdemonstrator dar.
Das HSC-fähige Bearbeitungsmodul zum Präzisionsbohren ist als Effektor neuartig. Mit dem Bearbeitungsdemonstrator kann für den getesteten Bohrdurchmesser 5 mm ein Längen- / Durchmesserverhältnis von 125 mit deutlichem Tiefbohrcharakter abgebildet werden.
Über das entwickelte und über Berechnungen evaluierte Lösungskonzept mit einer von den Positionierachsen des Roboters entkoppelten CNC-Achse für die Werkzeugzustellung und einem eigens konzipierten PKD-Spezialwerkzeug sind präzise und verlaufsarme Bohrergebnisse in Einzel- und Stack-Proben möglich. Kennzeichnende Merkmale sind eine HSC-fähige Maschinenspindel (≥ 6000/min, doppelt lineargeführte Zustellung), Hohlwelle und Spannkegel zur MMS-Medienführung, ELB-gerechte Bohrerführung, vollgekapselte Spansaugung sowie eine flexible mechanische Indexierung am Manipulator.
In Initialversuchen zur MMS-Bohrbearbeitung mit GFK, CFK, Ti6Al4V Einzel- bzw. Plattenverbund unter MMS wurden Bohrungstoleranzen IT 6-9, Wandgüten im Bereich N6-7 sowie Verlaufswerte ~ 0,1/100mm (Einzel) bzw. 0,25mm/100mm (Stack) erreicht.
Der hochgerechnete Energieverbrauch des Systems beträgt ca. 1/3 zur vergleichbaren Tiefbohrmaschine mit Hochdruck-Flüssigkühlschmiersystem, der effektive Arbeitsbereich von 1,7 m3 (stationäre Aufspannung) bzw. 23 m3 (Durchlauf- oder Mehrtischspannung) beträgt ein Vielfaches im Vergleich zur starren Werkzeugmaschine mit Drehspanntisch. Der kalkulierte Kosten- und der Gewichtvorteil des Systems liegt bei jeweils ~ 40%.
Konzeptionell entwickelte Module sehen eine neuartige Mindermengen-Umfangsschmierung des Bohrkopfes vor, so dass damit eine Bearbeitung ohne Öl kontaminierte Späne möglich wird. Außerdem liegen im Labormaßstab evaluierte Lösungskonzepte zur sensorgeführten Achsfehlerkompensation vor. Dazu wird über Matching-Algorithmen eine merkmalsbasierte 3D-Erfassung (Lasertriangulation) zur Bestimmung der Bauteillage von Objekten im dreidimensionalen Bereich ausgeführt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Zielgruppen für die Projektergebnisse sind sowohl in- und ausländische Serienproduzenten als auch Lohnfertiger mit wechselnden Bearbeitungsaufgaben. Industriebereiche mit hohen Anteilen an Präzisions- und Tiefbohrarbeiten sind:
- Fahrzeugindustrie,
- Werkzeug- und Formenbau,
- allgemeiner Maschinenbau,
- Hydraulik-, Pneumatik- und Vakuumindustrie,
- chemische Industrie,
- Luft- und Raumfahrtindustrie,
- Lebensmittelindustrie,
- Bohrausrüstungen für Bergbau, Öl- und Gasförderung.
In der Fahrzeugindustrie als bedeutendem Zielmarkt finden derzeit Strukturumbrüche sowie ein tiefgreifender Wandel des Teilespektrums statt. Antriebskonzepte der E-Mobilität ziehen Volumenveränderung weiterer Industriesparten mit weitreichenden Konsequenzen nach sich. Im Zuge des Leichtbau-Bauteilwandels wird eine noch weiterführende Abkehr von kubischen Geometrien erfolgen. Multimaterialsysteme, Faserverbund- bzw. Gradientenwerkstoffe werden noch weiter in den Fokus der Massenzerspanung rücken.
Der Bedarf nach:
- Flexibilisierung der Ausrüstungstechnik,
- Universalität und Kostenreduzierung,
- ökologischer Nachhaltigkeit („Green machining“) und
- Verschlankung der Maschinen- und Werkzeuglogistik
stellt einen wesentlichen Trend dar und wurde bereits von verschiedenen Kunden konkret geäußert bzw. näher formuliert.
Mittelfristig wird eine umfassende Entfaltung des Innovationspotenzials erwartet für:
- dünnwandige, hochstrukturierte Bauteilformen,
- materialeffiziente Leichtbauweisen / Prepregs / Generativbauteile,
- inhomogene / schwer spanbare Materialverbindungen,
- individuelle Anwendungen / Losgröße 1.
Transfer der FuE-Ergebnisse in Anwenderunternehmen:
Das Projekt besitzt Pilotcharakter hinsichtlich der Bauweise von Werkzeugmaschinen. Im Benchmarking wird gegen die klassischen Bettbauweisen, Fahrständer-, Portal- bzw. Gantry- Bewegungssysteme (ausgelegt für kubische Geometrien mit langen Bearbeitungswegen) angetreten. Dies trifft aufgrund der hinzugewonnenen Freiheitsgrade auch auf die Programmierschemata →CAM-/NC- Achsenimplementierung zu.
Die Akzeptanz der nationalen und internationalen Kundenkreise für die neuartige Konzeption der Kinematik- / Effektor-Module in Verbindung mit sowie der Medienführung wird zunächst ganz wesentlich von einer sicheren Demonstration der Prozesssicherheit und Qualität abhängen. Das beantragte Projekt stellt eine vielversprechende Möglichkeit dar, I4.0 entsprechende Bearbeitungstechnologien weiter zu entwickeln. Durch den ganzheitlichen systemisch-technologischen Ansatz Maschinensystem-Verfahrensentwicklung werden die relevanten physikalischen und technologischen Themenkomplexe bearbeitet und im Lösungsansatz vereint.
Im Rahmen des FuE-Projekts erfolgten bereits Validierungen zur Bearbeitungsleistung und Qualität, zur Steifigkeit der Kinematik bzw. zur Vermeidung kritischer Schwingungszustände. Somit kann im Demonstratormaßstab bereits erste Akquise betrieben werden. Diese Faktoren fließen als Entwicklungsschwerpunkte in die Systemvalidierung ein und können nachfolgend als wirksame Strategie zur Vermarktung angesetzt werden.
In Verbindung mit den Vorteilen des hybridkinematischen Maschinensystems hinsichtlich Universalität, Flexibilität, Bearbeitungs- und Kosteneffizienz sind damit die wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermarktung erfüllt. Aus den Ergebnissen im Forschungsverbund heraus werden berechtigte Chancen eröffnet, bestehende Markteintrittsbarrieren zu überwinden.
Die Ergebnisse des FuE-Projekts werden zunächst auf den Internetportalen bzw. über Veröffentlichungen in der Fachliteratur vorgestellt. Die digitale Vermarktung rückt immer weiter in den Fokus, um den Markteintritt der entwickelten Produkte vorzubereiten. Die Aktivitäten dienen insbesondere dem Bekanntmachen des neuartigen Systems für Werkzeugmaschinen und dessen modularer Bestandteile in den entsprechenden Fachkreisen.
Wirtschaftliche Effekte für das Institut
Für das Institut sollen die FuE-Ergebnisse in drei Bereichen verwertet werden:
- Dienstleistungen und Industrieaufträge im Bereich Machbarkeitsuntersuchungen, Prozess- und Werkzeugentwicklung sowie Technologietransfer in Bezug auf das neu entwickelte Verfahren,
- FuE-Folge- und Applikationsaufträge,
- Verwertung der Projektergebnisse in Drittunternehmen.
Über eine erfolgreiche Marktvorstellung erschließen sich wirtschaftliche Effekte aus Entwicklungsleistungen und FuE-Folgeaufträgen. Damit sind für das anwendungsorientierte Institut Industriedienstleistungen gekoppelt, die in der Fertigungstechnik in den Themenschwerpunkten Prozessentwicklung für die Zerspanung, Maschinen- und Werkzeugentwicklung, adaptive Regelungssysteme sowie Fertigungs- und Prozessmesstechnik verankert sind. Zusätzliche wirtschaftliche Effekte aus dem geplanten FuE-Vorhaben ergeben sich aus der Vermarktung durch strategische Partnerschaften mit Drittunternehmen.