Ziel der Entwicklung
Die Zielstellung des Projekts bestand in der Entwicklung eines robusten extrinsischen Fasersensorsystems, das eine zuverlässige und effiziente Bewertung der Kantenqualität spanender Werkzeuge im Arbeitsraum einer Werkzeugmaschine unter Erhalt der definierten Einspannbedingungen gestattet. Die Anforderungen leiten sich aus dem Defizit im Stand der Fertigungstechnik ab, das die derzeit verfügbare optische Messtechnik für die effiziente Beurteilung mikrogeometrischer Parameter an Funktionskanten im Rahmen einer prozessintermittierenden Prüfung nicht geeignet ist. Die faseroptische Multisensorik umfasst dabei folgende Anforderungen: Die Detektion und Bewertung ausgewählter Merkmale an funktionalen Kantengeometrien spanender Werkzeuge mit hoher Messauflösung sowie die qualitative Prüfung von glatten und rauen Kantenbereichen mit einem Mittenrauwert von kleiner als 0,5 Mikrometer auf Form- und Oberflächentreue, beispielweise bei Verrundung, Profilsymmetrie und Schartigkeit. Weitere Anforderungen bilden die quantitative Ermittlung von Formabweichungen von Funktionskanten mit Radien größer als ein Mikrometer in Bezug auf die Abflachung und die Symmetrie des Kantenprofils sowie die abstandsbezogene Prüfung, in der makroskopische Eigenschaften an Werkzeugen wie die Durchbiegung und der Rundlauf mit einer vertikalen Auflösung von kleiner als ein Mikrometer geprüft werden. Zusätzliche Kriterien bilden die intensitätsbasierte Detektion von Inhomogenitäten - beispielweise bei Verschmutzungen, Rissen sowie auf sonstigen Oberflächendefekten - auf funktionsrelevanten Teilbereichen der Keil-, Frei- und Spanfläche von Werkzeugen sowie die Prozessintegrierbarkeit der faseroptischen Sensorik im Herstellungsprozess von Zerspanungswerkzeugen.
Vorteile und Lösungen
Mit der In-situ-Prüfsensorik wird ein wesentlicher Beitrag zur Schließung einer Lücke auf dem Gebiet der In-Prozess-Prüfung mikrogeometrischer Kanten an spanenden Werkzeugen geleistet. Die traditionelle örtliche Trennung der Teilschritte des Kantenschärfens und des Kantenprüfens in der Werkzeugherstellung wird aufgehoben. Zusätzliche Nebenzeiten für das Messen der Kantenqualität im Rahmen von Stichproben entfallen mit der Implementierung des In-situ-Prüfverfahrens ebenfalls. Der industrielle Einsatz des faseroptischen Sensorsystems zielt auf eine vollumfängliche Kontrolle, die eine Null-Fehler-Strategie ermöglichen soll. Mit dem System soll es künftig möglich sein, in direkter Kopplung mit der Werkzeugbearbeitungsmaschine einen Regelkreis aufzubauen, um Fertigungstoleranzen von wenigen Mikrometern prozesssicher zu erhalten. Das entwickelte Messsystem zeichnet sich insbesondere durch sekundenschnelle Formtreueprüfungen an unbeschichteten und homogen beschichteten Kanten bis zu einem Radius von drei Mikrometern im Arbeitsraum einer Werkzeugmaschine aus. Weiterhin kann das System eine Detektion und Bewertung von partiellen Ausbrüchen sowie der Rauheit und Anhaftungen am Scheitel von Kanten vornehmen. Außerdem kann eine Prüfung mit Methoden der Bildverarbeitung zur Vollständigkeit, Lage und Oberflächengüte von funktionalen Strukturen auf Werkzeugflächen durchgeführt werden. Die Anwender der faseroptischen Prüflösung werden deshalb vor allem in den Branchen der Werkzeugherstellung, der Mikro- und Präzisionsfertigung von Werkstücken sowie in der Optik -und Halbleiterfertigung zu finden sein. Einige Anwenderbeispiele sind die in-situ-Messung steiler Flanken und Funktionskanten an Ur-, Umform- und Zerspanungswerkzeugen, die In-Prozess-Kontrolle zur Qualitätszustandsermittlung an flächigen und tiefen Mikrostrukturen in spanenden, laserbasierten und elektroerosiven Fertigungsprozessen sowie die punktuelle Online-Abstandsmessung von Miniatur- und Mikrobauteilen in anspruchsvollen Fügeoperationen der Auf- und Verbindungstechnik. Weitere Beispiele sind die Charakterisierung abgeschiedener Schichten in PVD-/CVD- und Galvanik-Prozessen und die Prüfung von Metalloptiken, beispielweise die strukturierten Plan- und Stufenspiegel, und Abformwerkzeugen für Kunststoffreplikationen in der Ultrapräzisionsbearbeitung, beispielweise das Diamantdrehen und das Mikrofräsen.
Zielgruppe und Zielmarkt
Mit der Entwicklung des faseroptischen Funktionsmusters und dessen Erprobung unter Laborbedingungen wurde eine Tür für zukünftige Lösungen einer echten fertigungsintegrierten 100-Prozent-Qualitätskontrolle und kontinuierlichen Prozessüberwachung in der Präzisions- und Mikrofertigung aufgestoßen. Das Marktpotenzial für das im Projekt entwickelte Messsystem wird in den Branchen der Präzisions- und Mikrofertigung, der Feinwerktechnik, der Halbleiterfertigung und der Optikfertigung gesehen, bei denen Werkzeuge und Werkstücke mit kantenartigen Mikrogeometrien und Planflächen bereits in der Bearbeitungsumgebung zu prüfen sind. Speziell in den Bereichen des Schärfens und Beschichtens von präzisen Fräs-, Dreh- und Bohrwerkzeugen sowie des Abrichtens von Werkzeugelektroden für die elektrochemische und elektroerosive Präzisionsbearbeitung besteht ein dringender Bedarf an adäquater in-situ-tauglicher Mess- und Prüftechnik. Die Verwertung der Projektergebnisse und die Weiterentwicklung zu einem verkaufsfähigen Prüfmodul werden in Zusammenarbeit mit einem etablierten Messgerätehersteller erfolgen. Weiterführende Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für das bestehende Prüfsystem werden insbesondere hinsichtlich der Optimierung des Sensordesigns in Bezug auf die Mediendichtheit und Kompaktheit des Gehäuses, der Integration einer koaxialen Beleuchtung für die Bildverarbeitungsprüfung in den optischen Strahlengang des Sensors sowie der Verbesserungen der Anwendungssoftware hinsichtlich Visualisierung und automatisierten Auswertung von Messdatensätzen erwartet. Weitere Optionen sind die Entwicklung von E/A-Schnittstellen zur Erhöhung der Feinpositioniergeschwindigkeit mittels Piezoaktorik sowie die Integration und der Testbetrieb der Prüfsensorik in realer Fertigungsumgebung einer Werkzeugmaschine. Die genannten Weiterentwicklungen zielen auf eine industriereife in-situ-taugliche Prüflösung in Ergänzung zu den am Markt angebotenen offline-Messsystemen ab.