Ziel der Entwicklung
Knochendefekte können durch Zysten, Tumore, Trümmerfrakturen oder Implantatlockerungen verursacht werden. Die Wiederherstellung der knöchernen Struktur und deren Funktionalität beim bspw. Kauen, Schlucken, Sprechen ist für den Patienten, neben der vollständigen ästhetischen Rehabilitation, von großer Bedeutung. Des Weiteren führt die zunehmende Verbreitung von Erkrankungen im Mund- und Kieferbereich nicht zuletzt aufgrund fehlerhafter Ernährung zu einem stetig wachsenden Bedarf an Behandlungen und Behandlungsmöglichkeiten. Für die Regeneration sind in den Knochen gut integrierbare Implantatmaterialien eine wesentliche Voraussetzung. In der bisherigen Therapie wird der vorliegende Knochendefekt mit autogenen, allogenen oder xenogenen (zumeist boviner Herkunft) Knochenmaterialien gefüllt. Letzteres weist eine höhere Verfügbarkeit und eine niedrigere Gefahr von Infektionen und Fremdkörperreaktionen auf. Allerdings sind die damit in Verbindungen stehenden Aufbereitungsverfahren sehr aufwändig. Weiterhin finden Komposite eine breite Anwendbarkeit, die funktionalisiert die Heilung und den Aufbau der Knochenstruktur unterstützen. Calciumcarbonat als Knochenersatzmaterial wird bisher seltener eingesetzt, obwohl die mineralische Phase des Knochens und der Zähne Carbonat-Ionen in Mengen zwischen 2-8 % enthält. Zusammen mit Hyaluronsäuren, die sich ebenfalls im Körpers wiederfinden, bildet ein entsprechend entwickelter Komposit in Verbindung mit einer Wirkstofffreisetzung (Antibiotikum) einen hoch innovativen Ansatz. Erste Studien im Bereich Knochen-Knorpelrekonstruktion zeigen das hohe Potenzial des Einsatzes von Calciumcarbonat. Daher besteht ein hohes Interesse, angepasste Komposite für weitere Körperbereiche zu entwickeln. Ziel des Forschungsvorhabens ist daher die Generierung von biokompatiblen Knochenersatzmaterialien mit einstellbarer Degradationsdauer zur Defektauffüllung für die Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie.
Vorteile und Lösungen
Im Rahmen des Projektes wurden Kompositwerkstoffe auf Basis von Hyaluronsäure und verschiedenen Calciumcarbonatmodifikationen mittels diversen chemischen Reaktionen vernetzt und Probekörper hergestellt, die anschließend bezüglich der mechanischen sowie biologischen Eigenschaften und des Degradationsverhaltens untersucht wurden.
Dabei wurde der Einfluss der Modifikation der Calciumcarbonat-Partikel (Stäbchen oder Kugeln, t. w. mit Oberflächenbeschichtung) untersucht und das Degradationsverhalten über die Füllstoffmenge, die Molmasse sowie die Konzentration der eingesetzten Hyaluronsäure und ihre mögliche Vernetzung gesteuert. Ein anzustrebendes Ziel war ein Abbau der Komposite nach sechs Monaten. In diesem Zeitraum haben Knochenzellen die Möglichkeit, das Implantat schrittweise zu ersetzen und den Defekt auszufüllen. Bezüglich der Vernetzung der Hyaluronsäure wurden verschiedene Reaktionsmechanismen untersucht und bewertet. Neben Haltbarkeitsuntersuchungen erfolgte eine Betrachtung der Quell- und Abbaureaktionen. Für die Generierung einer antibakteriellen Wirksamkeit zeigte sich der Verfahrensweg der Tränkung von getrockneten Hyaluronsäureprobekörpern mit einer Lösung aus antibakteriell wirksamen Substanzen als zielführend. Der Wirksamkeitsnachweis konnte über die entsprechenden biologischen Prüfungen geführt werden.
Aufgrund der Änderung äußerer Randbedingungen fand der im Rahmen des Projektes geplante Tierversuch nicht statt. Stattdessen wurde eine Reihe an biologischen Untersuchungen durchgeführt, welche die in vitro Mineralisierung von Osteoblasten nach Exposition mit den Kompositen bewerten. Unter anderen wurde hierfür die Genexpression spezifischer osteogener Marker analysiert. Es zeigte sich, dass die Kompositmaterialien eine Ossifikation unterstützen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die entwickelten Kompositmaterialien sehr großes Potenzial bieten, aber auch weitere Forschungsfragen offenbart haben.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die Anwendungsgebiete der degradierbaren Kompositmaterialien liegen im Bereich der Defektauffüllung von Knochen im MGK-Bereich zur Wiederherstellung der knöchernen Struktur bei parodontalen Knochendefekten oder nach einer Zahnextraktion bzw. in anderen Bereichen des menschlichen Körpers nach Entfernungen von Zysten im Knochen oder nach Unfällen. Endkunden sind Patienten im medizinischen und zahnmedizinischen Sektor. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft.
Der Markt von Knochenersatzmaterialien belief sich im Jahr 2021 auf 3,33 Mrd. US$ und steigt laut Marktforschung bis 2029 voraussichtlich auf über 5,7 Mrd. US$ bei einem jährlichen Wachstum von 6,1 %. Das Wachstum kommt durch die Zunahme von Erkrankungen im Zusammenhang mit Knochen und Zähnen, die steigende Nachfrage nach synthetischen Knochenersatzmaterialien und die Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte der großen MedTech-Unternehmen zustande. Außerdem spielen das Wachstum der geriatrischen Bevölkerung, die Zunahme von Verkehrsunfällen und Gelenkerkrankungen, sowie ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein eine zentrale Rolle. Dabei ist Europa der größte Markt vor allem im dentalen Knochenersatzbereich, da hier eine hinreichende Absicherung durch Krankenversicherungen besteht.
Mit den durchgeführten Untersuchungen sind fundierte Ergebnisse für die Weiterentwicklung patientenspezifischer Materialien im Implantationsbereich erreicht worden. Bereits im Projektverlauf lagen Interessenbekundungen von Implantatherstellern vor, die Interesse an Ergebnissen aus dem Projekt geäußert haben und ihr eigenes Portfolio weiterentwickeln wollen. Für diesen Wissenstransfer bietet INNOVENT den Unternehmen eine enge Zusammenarbeit an. Diese erstreckt sich von – über den Projektrahmen hinaus – weiterführenden Arbeiten, über die Vorbereitung bei der Zulassung der Komposite als Medizinprodukt bis hin zur Mitwirkung bei der Vorbereitung von klinischen Studien. Im Rahmen der Produktüberführung können dazu Musterproben für weitere Anwendungsgebiete hergestellt werden. Außerdem vermag INNOVENT, die Firmen mit zulassungsrelevanten Tests bei der Erstellung von Produkt- und Sicherheitsdatenblättern zu unterstützen. Somit begleitet INNOVENT die Unternehmen unter anderem durch die Festlegung von wichtigen Produktspezifikationen und notwendigen Prüfverfahren bei der weiteren Entwicklung bis hin zur Markteinführung der Produkte.
Der wirtschaftliche Effekt aus dem Vorhaben ergibt sich für INNOVENT aus der Einnahme von Lizenzgebühren und der Einwerbung von industriellen Forschungsaufträgen auf Grundlage der durch die Bearbeitung dieses Projektes erzielten Ergebnisse. Hier sind bspw. sowohl Forschungsaufträge interessierter Unternehmen eingeschlossen, die sich aus der Weiterentwicklung der geplanten Implantatmaterialien bis zur Marktreife nach Abschluss des Vorhabens ergeben, als auch Aufträge, die auf der Grundlage des im Projekt erworbenen Know-hows eingeworben werden können.