Ziel der Entwicklung
Ziel des Projekts waren Entwicklung und prototypische Implementierung eines alternativen Verfahrens zum Aufstellen und Lösen der Bewegungsgleichungen für Mehrkörpersysteme (MKS) sowie die Verbindung dieses Verfahrens mit dem Modelliersystem der Simulationssoftware alaska. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass das Verfahren für Kunden im Rahmen einer neuen Solver-Option von alaska angeboten werden kann. Außerdem wurden in dem Projekt eine prinzipielle Prüfung der Korrektheit der Implementierung, eine Untersuchung zur Erreichbarkeit der erwarteten technischen Effekte sowie die Durchrechnung von Beispielen zur Festlegung geeigneter Verfahrensparameter durchgeführt.
Die Idee des Projekts besteht darin, dass veränderte Anforderungen an die Aussagekraft der Simulation von Mehrkörpersystemen auch eine an diese Anforderungen angepasste Ausrichtung der Lösungsstrategie erfordern. Diese neuen Anforderungen bestehen neben einer Erhöhung des Freiheitsgrades der Modelle in einem Wegfall der Idealisierung von Wechselwirkungen durch ideale Zwangsbedingungen. Wechselwirkungen zwischen den Körpern des Modells werden statt dessen durch Kraftgesetze physikalisch eingeprägter Kräfte beschrieben. Diese Veränderung in den Simulationsmodellen führt zu einer veränderten Struktur und zu veränderten mathematischen Eigenschaften der Modellgleichungen in Richtung der in der Finite-Elemente-Methode benutzten Gleichungen.
In dem Projekt wurde eine neues Lösungsverfahren entwickelt, das diese veränderten Eigenschaften der Modelle ausnutzt und gleichzeitig die für MKS typische Methode der Modellierung und die auf ein schnelles Feedback ausgerichtete Technologie der Anwendung erhält.
Vorteile und Lösungen
Bei technischen Anwendungen existiert in der MKS-Simulation ein ungebrochener Trend hin zu einer höheren Auflösung der Modelle. Gleichzeitig werden von Nutzern der MKS-Methode kurze Antwortzeit erwartet. Mit dem klassischen für kinematische Ketten optimierten Algorithmus wirkten sich vergleichsweise geringe Änderungen des Modells oft dramatisch auf die benötigte Rechenzeit aus, weil sich – vom Nutzer unbemerkt – die mathematischen Eigenschaften des zugehörigen Differentialgleichungssystems änderten. Mit dem neu entwickelten Lösungsverfahren steht nun eine Alternative zur Verfügung, die genau für solche Anwendungen besonders effizient ist.
Ein weiterer Vorteil ist die Effizienz des Algorithmus für besonders hoch aufgelöste Modelle, wie sie oft in der Antriebstechnik verwendet werden. Der Nutzen des neuen Algorithmus für Kunden besteht hier darin, dass die infolge der Auflösung hinzukommenden hohen Frequenzen durch geeignete Verfahrensparameter eliminiert werden können, wodurch größere Simulationsschrittweiten gewählt werden können.
Die Vorteile des Verfahrens zeigen sich auch, wenn die Modelle diskretisierte Kontiua, wie z. B. Balkenstrukturen enthalten. Das Spektrum solcher Strukturen weist z. B. infolge der hohen Längssteifigkeiten der Balken riesige Unterschiede in den Eigenwerten auf, die mit dem entwickelten Verfahren gut beherrscht werden können.
Auch die Robustheit des Algorithmus bei der Verarbeitung von Störungen in den eingeprägten Kräften, die aus Mess- oder Diskretisierungsfehlern resultieren, stellt einen Vorteil dar, weil solche Anwendungen stabil mit vergleichweise großen Schrittweiten simuliert werden können.
Bei sehr komplexen Modellen können sich – meist infolge einer fehlerhaften Beschreibung physikalischer Zusammenhänge – dennoch extreme Rechenzeiten ergeben. Mit dem neuen Verfahren werden deshalb auch Funktionen angeboten, die Transparenz hinsichtlich des Rechenzeitverbrauchs herstellen. Damit können solche Defekte besser lokalisiert werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Das neu entwickelte Verfahren zum Generieren und Lösen der Bewegungsgleichungen von MKS wird zum Ende des Projekts mit einer Modellbibliothek angeboten, die das klassische Aufgabenspektrum der Mehrkörperdynamik wie es beispielsweise für die Simulation von Fahrzeugen, Zahnradgetrieben, Robotern und anderen Gelenkmechanismen benötigt wird.
Die Erweiterung der Modellbibliothek auf das volle MKS-Spektrum (z. B. Kontakte) sowie um spezielle Kraftelemente wird entsprechend der Nachfrage erfolgen. Bereits begonnen wurde die Erweiterung des Verfahrens auf die verschiedenen halbempirischen Verfahren zur Simulation von Windkräften als Voraussetzung für die effiziente Simulation von Windkraftanlagen.
Die Ergebnisse der Testrechnungen zeigen, dass sich das Verfahren künftig zum Standard entwickeln kann, da seine Performance auch für klassische Anwendungen ausgezeichnet ist.