Ziel der Entwicklung
Bisher gibt es nur wenige vegane Fischalternativen auf dem Markt. Gespräche mit Herstellern und Verbrauchern motivierten uns, Produkte in diesem Segment zu entwickeln, die dem Original nahe kommen sowie einen ernährungsphysiologischen Mehrwert besitzen.
Ziel des Projekts war es, ein Verfahren zu entwickeln, welches es ermöglicht, vegane Fischalternativen mittels Hydrokolloiden und definierten Zusätzen am Beispiel von Tintenfischringen herzustellen. Diese sollten hinsichtlich Aussehen und Geschmack mit den konventionellen Tintenfischringen vergleichbar sein. Das zu entwickelnde Verfahren soll zukünftig als Grundlage für weitere vegane Fischalternativen dienen, wie z. B. Garnelen und Muscheln. Im Rahmen des Forschungsprojektes war der Einsatz von Hydrokolloiden auf der Basis von Algen angedacht. Als Hydrokolloide sollten Agar Agar, Carrageen, Alginsäure, Natrium- und Calciumalginat auf ihre Eignung getestet werden. Als Ergebnis vorangegangener Recherchen würden Calcium- und Natriumalginat vorrangig als Basismaterial dienen. Carrageen, Agar Agar und Alginsäure sollten auf ihre Eignung als Strukturverbesserer geprüft werden. Um das Produkt aufzuwerten, sollten dem Basismaterial ernährungsphysiologisch notwendige Nährstoffe beigemischt werden. Als definierte Zusätze wurden Calcium, Omega-3-Fettsäuren (in Öl gebunden), Vitamin B12, Jod und Proteine (in Form von z. B. Erbsenproteinisolat und Lupinenproteinkonzentrat) gewählt und getestet. Die Auswahl der Zusätze orientierte sich an Mangelerscheinungen, welche bei veganer Ernährung oft thematisiert werden. Somit war es ein weiteres Ziel den Tagesbedarf eines gesunden Erwachsenen an Ballaststoffen, Eiweiß, Calcium, Jod, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin B12 mit einer Portion von 100 Gramm veganen Tintenfischringen zu decken. Ebenso wurden der Basismasse Fasern (z. B. Apfel- und Erbsenfasern) zugesetzt und getestet, welche einerseits die Funktion von Ballaststoffen innehaben und andererseits der entwickelten Masse eine bessere Struktur bzw. Konsistenz verliehen. Da konventionelle Tintenfischringe eine Panade besitzen, sollte für die innovativen veganen Tintenfischringe ebenso eine Panade entwickelt werden. Neben der ernährungsphysiologischen Zusammensetzung spielten bei der Entwicklung auch die Lebensmittelsicherheit und die mikrobiologische Stabilität des Endproduktes eine große Rolle.
Vorteile und Lösungen
Zur Erreichung des Entwicklungsziels wurden Versuche zur Auswahl des geeigneten Hydrokolloids durchgeführt. Hierbei wurde Natriumalginatgel als Grundstoff ausgewählt. Unter Zumischung verschiedener Fasern und Proteine sollte in Kombinationsversuchen eine Struktur entwickelt werden, die denen der konventionellen Tintenfischringe so genau wie möglich entspricht. Erbsenfasern und Erbsenprotein kamen von ihrer Farbgebung den konventionellen Tintenfischringen am nähesten. In umfangreichen Mischversuchen wurden Konsistenz und Verarbeitbarkeit der Masse beurteilt. Es wurde darauf Wert gelegt, dass alle Zutaten gut mischbar sind, die Masse gut formbar ist und bei verschiedenen Temperaturen verarbeitet werden kann. Zur Optimierung der Konsistenz wurde der Einsatz von Psylliumfasern getestet. Diese bilden unter Wasserzugabe ein Gel aus und binden Feuchtigkeit im Produkt. Eine definierte Zugabe erwies sich als optimal und sorgte für den charakteristischen, gummiartigen Biss der Tintenfischringe.
Um die Tintenfischringe mit lebensnotwendigen Nährstoffen anzureichern, wurde das Produkt durch die Zugabe von Vitamin B12, Jodsalz, Algen und Ölen ernährungsphysiologisch aufgewertet. 100 g des fertigen Erzeugnisses sollen 1/3 des menschlichen Tagesbedarfes an Calcium, Jod, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12, und Eiweiß decken.
Durch die Zugabe von verschiedenen Ölen sollten Geschmack und der Gehalt an langkettigen Fettsäuren positiv beeinflusst werden. Zum Einsatz kamen Sonnenblumenöl, Leinöl und Omega-3 DHA mit Algenöl, welches einen hohen Anteil a-Linolensäure ALA (36 g/100 g) und Docohexaensäure DHA (0,9 g / 100 g) enthält. Diese Werte konnten auch in einer chemischen Analyse des Zwischenproduktes bestätigt werden. Im frittierten Endprodukt war ein Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren von 51,65 % vorhanden. Das macht in 100 g Endprodukt 5,7 g, was 1/3 des Tagesbedarfes entspricht.
Für die Anreicherung mit Jod wurde neben Jodsalz, Kelp-Pulver, gewonnen aus der Braunalge, in die Rezeptur integriert. Kelp, auch Kombu genannt, enthält durchschnittlich 780 µg/g natürliches Jod und kann daher in einer geringen Dosierung eingebracht werden, ohne die Farbe der Tintenfischringe zu beeinflussen. Durch eine chemische Analyse konnte der Nutzen von Kelp als Jodlieferant bewiesen werden. Bei einer Gesamtsalzmenge von 1,305 g je 100 g veganer Tintenfischring konnte ein Jodgehalt von mehr als 66 µg erreicht werden. Dieses wäre mit dem reinen Einsatz von jodiertem Speisesalz nicht möglich gewesen.
Für die Entwicklung der Panade wurden verschiedene Zutaten ausgewählt und getestet. Durch mehrere Kombinationsversuche konnte eine optimale Panade, eine Kombination aus Nass- und Trockenpanade, gefunden werden. Zum Erzielen eines fischartigen Geschmacks der Tintenfischringe wurden der Nasspanade Braunalgenpulver und Hefeflocken zugegeben. Zur geschmacklichen Aufwertung der Panade wurden verschiedene Ingredienzien getestet und sensorisch bewertet. So besteht die finale Würzung aus Jodsalz, Zucker, Paprika edelsüß und Kurkuma.
Für das Aufbringen der Panade wurden verschiedene Varianten geprüft. Bei der Kombination von Trocken- und Nasspanade erwies sich eine dünne Schicht Nasspanade am besten. Dazu wurden die Ringe auf ein Gitter vereinzelt und von oben mit der Nasspanade übergossen. Gleichzeitig wurden sie mit der Unterseite leicht in die Flüssigpanade getaucht. Nach kurzem Abtropfen wurden die Ringe mit der Trockenpanade bestreut. Ein einmaliges Auftragen beider Komponenten hatte ein zufriedenstellendes Ergebnis gebracht, so dass kein weiterer Panierungsschritt angeschlossen werden musste.
Wie bei dem konventionellen Tintenfischring wurde der vegane Tintenfischring nur vorfrittiert und dann eingefroren. Die Haftung der Panade war auch noch nach dem Einfrieren zufriedenstellend. Bei der Endzubereitung der Ringe durch Frittieren konnte eine Bräunungsreaktion erzielt werden. Die Kombination aus Trocken- und Nasspanade schützte den innenliegenden Tintenfischring vor der starken Hitzeeinwirkung und dem Austrocknen. Die Panade zeigte ein gutes Frittierverhalten. Eine gummiartige Konsistenz und ein angenehmer Biss konnten erzielt werden. Die Panade wurde in Verkostungen als positiv knusprig empfunden.
Konventionelle Tintenfischringe werden im Convenience Bereich hauptsächlich als Tiefkühlprodukt angeboten. Daher wurden die veganen Tintenfischringe auch auf ihr Einfrier- und Auftauverhalten untersucht. Es konnten nach dem Einfrieren und Zubereiten keine sensorischen Mängel festgestellt werden. Auch in mikrobiologischen Analysen erwiesen sich die veganen Tintenfischringe als sehr stabil. Nach der Herstellung wiesen die Tintenfischringen eine Gesamtkeimzahl von 6x102 KbE/g auf. Auf Grund einer Lagerung bei -18 °C wurde angenommen, dass sich die Gesamtkeimzahl über einem Lagerzeitraum von 4 Monaten nicht signifikant verändert. Dieses wurde durch ein Untersuchungsergebnis von 8x10² KbE/g bestätigt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Es ist gelungen, vegane Tintenfischringe zu entwickeln, die eine gute Alternative zu konventionellen Tintenfischringen darstellen. Sie überzeugen nicht nur sensorisch, sondern liefern aufgrund ihrer ausgewählten Nährstoffzusammensetzung einen ernährungsphysiologisch positiven Nutzen bei einer veganen Ernährung. Ein ausreichender Gehalt an Calcium, Jod, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12 und Eisen konnte erreicht werden. Mikrobiologische Untersuchungen bestätigten eine Haltbarkeit von vier Monaten im tiefgefrorenen Zustand. Auf dem Markt existiert keine vergleichbare vegane Fischalternative. Die Angebotsvielfalt veganer Alternativprodukte fällt im Fischbereich ohnehin gering aus. Es ist davon auszugehen, dass das entwickelte Produkt aufgrund der Sensorik sowie des hohen Nährwertes großen Zuspruch bei den Verbrauchern findet.
Zur Herstellung der veganen Tintenfischringe wurden drei Verfahren entwickelt, die je nach technologischer Grundausstattung in den produzierenden Unternehmen individuell angepasst werden können. Zwei der Verfahren sind in klein- und mittelständische Unternehmen übertragbar. Ein Herstellungsverfahren ist für Anwender mit einem geringen technologischen Knowhow interessant, unkompliziert durchführbar und dadurch für die Gastronomie geeignet.
Zur besseren Veranschaulichung der Herstellung der veganen Tintenfischringe wurden Gebrauchsanweisungen für die drei Verfahren entwickelt und an interessierte Anwender weitergegeben.
Die Zielgruppen für die wirtschaftliche Verwertung des FuE-Ergebnisses sind bei kleinen und mittelständischen Unternehmen im Bereich der Lebensmittelherstellung zu suchen. Die Verfahren wurden so entwickelt, dass der Maschinenaufwand, unter Umständen auch Neuinvestitionen, so gering wie möglich gehalten wird. Die Unternehmen müssten für die Herstellung des Produktes immer einen gewissen Anteil Handarbeit leisten, wodurch das Verfahren und das Produkt für klein- und mittelständische Betriebe viel attraktiver sind, als für Großkonzerne. Diese Produktionsbetriebe werden dadurch in die Lage versetzt, ein neuartiges und auf dem Markt fast einzigartiges Produkt herzustellen und sich auch aus Sicht des Marketings und Firmenauftritts ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen.
Neben Lebensmittelbetrieben ist die Einführung der veganen Tintenfischringe in die Gastronomie geplant. Durch das einfache Herstellungsverfahren, mit küchentechnisch vertrauten Handgriffen, sind die veganen Tintenfischringe auch für diesen Anwendungsbereich geeignet. Insbesondere in deutschen Großstädten boomen vegane Restaurants. So kann in Berlin von ca. 380 Restaurants ausgegangen werden, die vegane Speisen anbieten. Man kann somit auch auf diesem Gebiet mit der Platzierung der veganen Tintenfischringe einen großen Verbraucherkreis erreichen.
Die Anzahl der Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an. So geht man mittlerweile von ca. 7 Mio. Vegetariern und 800.000 Veganern in Deutschland aus. Zusätzlich ist die Gruppe der Flexitarier interessant. Flexitarier essen zwar Fleisch und tierische Produkte, jedoch nur in Maßen und ersetzen diese teilweise durch fleischlose Alternativen. In Deutschland sind derzeit knapp 12 % der Bevölkerung der Gruppe der Flexitarier zuzuordnen. Weitere 9,5 % wollen ihren Fleischkonsum in Zukunft verringern.
Weiterhin bilden die Forschungsarbeiten mit den Hydrokolloiden sowie verschiedenen Zusätzen, durch welche fischtypische, sensorische Eigenschaften erreicht wurden, eine Grundlage für die Entwicklung weiterer veganer Fischalternativen, wie z. B. Garnelen und Muscheln, wodurch eine Erweiterung der Produktvielfalt möglich ist.