Ziel der Entwicklung
Kettenwirkmaschinen mit einer Breite ab sechs Meter und einer Maschinenfeinheit ab E22 müssen zeit- und energieintensiv vorgewärmt sowie ständig temperiert werden. Motivation des Vorhabens war, diesen Aufwand deutlich zu reduzieren.
Bei Kettenwirkmaschinen schwingen bis zu 4.000 mal pro Minute in Reihe auf Barren nebeneinander angeordnete obere Wirkelemente synchron durch die Lücken gleichartig angeordneter unterer Wirkelemente hindurch. Bei einer sechs Meter breiten Maschine mit einer Maschinenfeinheit von E22 sind das jeweils mehr als 5.000 Wirkelemente pro Barren. Die minimale Distanz zweier Wirkelemente beträgt 0,36 Millimeter (Maschinenfeinheit E22). Temperaturschwankungen, beispielsweise durch Eigenerwärmung nach Wochenendstillstand, Sonneneinstrahlung oder Raumtemperaturänderungen (Nacht- zu Tagschicht), führen zur Ausdehnung von Maschinenkomponenten. Dadurch verschieben sich die Wirkelemente relativ zueinander. Es besteht die Gefahr, dass Wirkelemente aneinander schleifen oder kollidieren. Das führt zu verminderter Materialqualität, zu Fadenbrüchen oder zum Maschinenausfall.
Zur Vermeidung von Kollisionen werden die Maschinen über eine Zeitdauer von zirka 10 Stunden pauschal auf 48 Grad Celsius vorgewärmt und diese Temperatur während des Betriebs gehalten. Das ist sowohl äußerst zeit- als auch energieintensiv. Ziel des Projektes war, das Wärmeausdehnungsverhalten von Kettenwirkmaschinen mit hoher Breite und Maschinenfeinheit genauer zu untersuchen, zu charakterisieren und in Bezug auf die Relativpositionen der Wirkelemente zu modellieren. Im Ergebnis sollten Aufwärmzyklen deutlich verkürzt werden um somit Zeit und Energie einzusparen.
Vorteile und Lösungen
Aus der Versuchsdurchführung und -auswertung wurden mathematische Modelle zur Beschreibung der Temperaturaufnahme, der Dehnung und Verschiebung verschiedener Maschinenkomponenten entwickelt. Die ermittelten Gleichungen wurden in ein theoretisches Modell zur Beschreibung der relativen Nadelverschiebung überführt.
Für die praktische Anwendung wurde ein aktives Überwachungssystem entwickelt, in welchem mathematische Beschreibungen integriert sind. Mit dem Überwachungssystem ist es möglich, die relative Verschiebung der Wirkelemente theoretisch zu ermitteln und bei Temperaturveränderungen (wie Aufwärm- und Abkühlprozesse) vorherzusagen. Unter Annahme einer maximal zu tolerierenden Distanz zwischen oberem und unterem Wirkelement von beispielsweise 80 Prozent (ausgehend von der idealen Positionierung) ließe sich der Aufwärmprozess rechnerisch von praktisch zehn Stunden auf theoretisch 1,74 Stunden reduzieren.
Zielgruppe und Zielmarkt
Das Zeitalter der Digitalisierung ist längst angebrochen und bringt auch in der Textilbranche unaufhaltsamen Wandel mit sich. Themen wie Industrie 4.0, Vernetzung und Individualisierung werden zunehmend auch von Unternehmen der Textilherstellung eingefordert. Diese Entwicklung zeigt, dass der ohnehin schon starke Konkurrenzdruck auf traditionelle deutsche Textilhersteller zunehmend ansteigt. Das Forschungsvorhaben leistet einen Beitrag, dieser Tendenz entgegenzuwirken oder diese zumindest abzuschwächen. Schon immer konnten deutsche Textilhersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit durch innovative Technologien und fortschrittliche Maschinen stärken. Die entwickelte Methodik sowie ihre Umsetzung tragen dazu bei, Kettenwirkmaschinen sowohl mit geringerem Energieaufwand und damit kostengünstiger als auch mit höherer zeitlicher Effizienz zu betreiben. Dies steigert die Konkurrenzfähigkeit.
Als Zielmarkt werden vor allem KMU mit bestehenden Maschinen und Anlagen, welche bisher ohne komplexe Maschinenkonstruktionen zur Lösung der thermischen Ausdehnungsproblematik der Wirkwerkzeugbarren ausgerüstet sind, gesehen. Zudem werden KMU mit solchen Wirkmaschinen als mögliche Interessenten gesehen, welche bisher mit Öl beheizten Maschinen arbeiten. Diese können mit Hilfe des Überwachungssystems erhebliche Energieeinsparungen realisieren.
Die Projektergebnisse dienen zudem langfristig der Entwicklung besser optimierter Maschinen. Indem das Maschinenverhalten bei Wärmeentwicklung genauestens untersucht, die exakten Punkte der thermischen Veränderungen festgestellt und mathematische Wirkzusammenhänge aufgezeigt wurden, können Kettenwirkmaschinen in zukünftigen Anlagenentwicklungen gezielt konstruiert und geregelt werden.
Ein weiterer Aspekt ist, dass sich Maschinenhersteller derzeit noch von Nadelteilungen größer E22 bei Maschinen ab sechs Meter Arbeitsbreite distanzieren. Derart geringe Abstände zwischen den Nadeln erfordern auf Grund der Temperaturproblematik eine derzeit noch schwer beherrschbar hohe Präzision. Die Forschungsergebnisse sowie das zu entwickelnde Überwachungssystem tragen dazu bei, auch Nadelteilungen über E22 bei gegebener Produktionssicherheit realisieren zu können.