Ziel der Entwicklung
Im Bereich der textilen Flächen zeichnen sich Maschenwaren durch ein besonders großes Spektrum an Einsatzmöglichkeiten aus. Sie sind dehnbarer als Gewebe, wobei ihre Dehnbarkeit durch das Einbringen von Schussfäden eingeschränkt werden kann. Besonders bei Gestricken sind umfassende Muster durch farbliche Akzente und insbesondere durch viele Bindungsvariationen möglich. Letztere beeinflussen wiederum die textilphysikalischen Eigenschaften des Gestricks.
Durch die vielseitigen technischen Modifikationsmöglichkeiten und daraus resultierenden Eigenschaften kommen Gestricke in allen Gebieten zum Einsatz, die textile Flächengebilde erfordern. Neben der Bekleidungsindustrie sind Gestricke besonders für den Zukunftsmarkt der Textilien mit Funktionsintegration und somit im Einsatzgebiet der technischen Textilien interessant.
Die zunehmend individualisierte Produktnachfrage sowie der Abruf kleiner Mengen stehen im Widerspruch zu der auf Produktion großer Mengen ausgelegten Großrundstrickmaschinen (GRSM). Mit 72 und mehr Stricksystemen an einer Maschine und vielfältigen Einstellmöglichkeiten können die Parameter für neue Gestrickkonstruktionen nur durch iteratives Herantasten in mehreren zeit- und kostenintensiven Versuchen gefunden werden. Diese unbefriedigende Situation war Motivation für ein Projekt zum mathematisch unterstützten Finden optimaler Maschineneinstellungen für GRSM.
Vorteile und Lösungen
Um optimale Maschineneinstellungen für GRSM schneller zu finden, wurden mathematische Modelle entwickelt, welche wiedergeben, ob und wie einzelne Maschinenparameter Einfluss auf Eigenschaften des Gestricks besitzen. Als statistische Verfahren kamen beispielsweise die Korrelations- und Varianzanalyse sowie die Regressionsanalyse zum Einsatz. Untersucht wurden unter anderem die Parameter Maschinenfeinheit, Maschinendurchmesser, Fadenspannung, Einlauf, Fadenfeinheit und Fadenmaterial mit ihrem Einfluss auf die Gestrickeigenschaften flächenbezogene Masse, Festigkeit, Dehnung, Breite und Dicke. Vor der Modellentwicklung wurde je Kombination aus den qualitativen Parametern Bindung und Fadenmaterial eine Versuchsreihe mit variierenden quantitativen Parametern gestrickt. Die Eigenschaften der aus den Versuchen resultierenden Gestricke wurden im Prüflabor bestimmt und zunächst der Korrelations- sowie der Variationsanalyse zugeführt. Die finale Regressionsanalyse mit schrittweiser Koeffizientenelimination lieferte je zu untersuchter Eigenschaft ein Modell zu deren Berechnung. Die ermittelten mathematischen Modelle wurden mit dem zwischen 0 und 1 liegenden Bestimmtheitsmaß (R^2) bewertet. Der Wert für R^2 lag für die meisten Modelle über der Zielsetzung von 0,90.
Zielgruppe und Zielmarkt
Das Zeitalter der Digitalisierung ist bereits angebrochen und bringt auch in der Textilbranche unaufhaltsam einen Wandel mit sich. Themen wie Industrie 4.0, Vernetzung und Individualisierung werden zunehmend auch von Unternehmen der Textilherstellung eingefordert. Diese Entwicklung zeigt, dass der ohnehin schon starke Konkurrenzdruck auf traditionelle deutsche Textilhersteller zunehmend ansteigt. Das Forschungsvorhaben leistet einen Beitrag, dieser Tendenz entgegenzuwirken beziehungsweise zumindest abzuschwächen. Schon immer konnten deutsche Textilhersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit durch innovative Technologien und fortschrittliche Maschinen stärken. Die entwickelte Methodik sowie ihre Umsetzung tragen dazu bei, dass Gestrickhersteller die schnellere Entwicklung neuer Produkte bei reduziertem Material-, Energie- und Zeitbedarf, die Steigerung der Flexibilität und die Reduktion wirtschaftlicher Risiken realisieren können. Alle Effekte steigern nicht zuletzt die Konkurrenzfähigkeit. Der im Rahmen von Industrie 4.0 geforderten Individualisierung und häufigem Musterwechsel auf Großrundstrickmaschinen wird ebenfalls Rechnung getragen, da Maschinenparameter gezielt nach Kundenanforderung kurzfristig gefunden werden können. Das im Rahmen des Projektes erarbeitete Wissen über das Zusammenspiel von technologischen Parametern und Textileigenschaften bei Großrundstrickmaschinen ist vor allem für Gestrickhersteller von Interesse. Diese profitieren von kürzeren Produktentwicklungszeiten, von der Reduzierung der Anzahl von Ausmusterungen und schließlich von reduziertem Material-, Energie- und Zeitbedarf. Somit lässt sich die Flexibilität bei der Reduktion wirtschaftlicher Risiken steigern. Mit Hilfe des erarbeiteten Wissens über grundlegende Zusammenhänge zwischen Parametern des Rundstrickprozesses und resultierenden Gestrickeigenschaften wurde die Basis geschaffen, die wesentlichen Einflussfaktoren zu finden, welche die Gleichmäßigkeit der Produktion beeinflussen. Der im Projekt untersuchte und quantifizierte Einfluss unterschiedlicher Garnmaterialien führte zu konkreten mathematischen Zusammenhängen der Herstellparameter. Mit Hilfe dieser mathematischen Modelle wurden Ansätze zur aktiven Maschinenbeeinflussung und Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit auch bei Qualitätsschwankungen eröffnet. Mit dem Wissen über mathematische Zusammenhänge des Rundstrickprozesses können neue Produkte unter Einsparung von umfangreichen Vorversuchen schneller entwickelt werden. Die Flexibilität der Gestrickhersteller ist gesteigert, wodurch sich die wirtschaftlichen Risiken minimieren.