Ziel der Entwicklung

Logo: Roggen-Dinkel-Brot mit 5 % Larvenprotein (links) und 10 % Larvenprotein (rechts)
Roggen-Dinkel-Brot mit 5 % Larvenprotein (links) und 10 % Larvenprotein (rechts)

Ziel des Projekts war es, ein standardisiertes Aufarbeitungsverfahren für die Herstellung einer insektenbasierten Grundmasse zu entwickeln. Die insektenbasierte Grundmasse sollte aus getrockneten Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) bestehen. Aufgrund eines hohen Anteils an Protein und Fett, den die Larven innehaben, ging es primär darum, eine Protein-Fett-Nährstoff-Mischung in Lebensmittelqualität zu gewinnen. Aus vorangegangener Literaturrecherche war bekannt, dass die Larven der Hermetia illucens schlechte sensorische Eigenschaften in Geruch (alt und muffig) und Geschmack (bitter) aufweisen und als unappetitlich gelten. Aus diesem Grund wurde eine sensorische Aufwertung der Insektengrundmasse im Rahmen des Projekts eingeplant und durchgeführt. Des Weiteren waren wichtige Ziele eine günstige energetische Umsetzung bei der Herstellung, eine lange Haltbarkeit sowie die Möglichkeit, die insektenbasierte Grundmasse anteilig für weitere Lebensmittelherstellungen einzusetzen. Im Rahmen des Projekts wurden Produktmuster aus dem Bereich der Backwaren produziert, in denen die insektenbasierte Grundmasse in Trockenform Einsatz fand.
In vielen Ländern auf der Welt zählen Insekten zu Delikatessen oder gar zu den Grundnahrungsmitteln. Weltweit sind mehr als 1.900 essbare Insektenspezies bekannt. Sie gelten besonders aufgrund ihres hohen Eiweißgehaltes, ihrer ungesättigten Fettsäuren, Mineralien und Vitamine als mögliche Alternative zu Fisch- und Fleischprodukten. Aber auch aus ökologischer Sicht ist die Produktion von Insekten im Vergleich zu anderen tierischen Proteinquellen nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) besonders effizient und ressourcenschonend, da Insekten aus zwei Kilogramm Futter ein Kilogramm Körpermasse produzieren. Rinder hingegen benötigen 8 Kilogramm Futter, um 1 kg Körpermasse zu erreichen.
Lange Zeit durften Insekten und andere Futtermittel tierischen Ursprungs nicht an Nutztiere verfüttert werden. Grund dafür war die in den 1990er-Jahren ausgebrochene Tierseuche BSE – umgangssprachlich auch als Rinderwahnsinn bezeichnet. Erst seit 2021 dürfen in der Europäischen Union Schweine und Hühner unter strengen Voraussetzungen wieder mit Insekten gefüttert werden. Als Bestandteil von Fischfutter sind sie etwas länger zugelassen, nämlich seit 2017.
Verarbeitete Insekten waren in der Humanernährung in Deutschland bisher nicht üblich. Bei vielen Menschen löst alleine die Vorstellung Skepsis oder Ekel hervor. Dennoch ist die Lebensmittelindustrie vom ökologischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potenzial von Insekten überzeugt. Insekten gelten in der EU als neuartige Lebensmittel und müssen nach der sogenannten Novel-Food-Verordnung zugelassen werden. Die Hersteller müssen für jedes einzelne Insekt einen Zulassungsantrag stellen und wissenschaftliche Daten liefern. Auf dieser Basis wird ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft, bevor Insekten als Lebensmittel auf den Markt gelangen. Bisher sind in der EU vier Insekten als Lebensmittel zugelassen und es werden bereits in einzelnen Ländern der EU verschiedene Lebensmittel aus bestimmten Insekten, wie Mehl- und Buffalowürmern, Heuschrecken und Kurzflügelgrillen hergestellt und auf den Markt gebracht.
Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Verzehr von Insekten und daraus hergestellten Produkten in Zeiten der Überbevölkerung, kontroverser Debatten landwirtschaftlicher Nutztierhaltung und prognostiziertem Proteinmangel auf der Welt von großer Bedeutung sein wird. Es soll dabei um die globale Nahrungssicherung unter dem Aspekt der Bedarfsdeckung und der Ressourcenschonung gehen. Aus diesem Grund war das primäre Ziel dieses Vorhabens, Insektengrundmasse aus einer bisher auf dem Markt nicht zum menschlichen Verzehr angebotenen Insektenart (Hermetia illucens) in Lebensmittelqualität in einem Aufbereitungsverfahren zu standardisieren, um so die Herstellung verschiedener insektenhaltiger Lebensmittel in Deutschland zu etablieren. Im Vordergrund der Forschungsarbeiten sollten die ernährungsphysiologischen, sensorischen und mikrobiologischen Aspekte stehen, um eine Sicherung der Lebensmittelqualität und -hygiene während der gesamten Wertschöpfungskette zu garantieren.

Vorteile und Lösungen

Zuerst wurden die Larven analytisch und mikrobiologisch untersucht. Es wurde festgestellt, dass der Fettanteil höher ist als der Eiweißanteil, was für den weiteren Aufbereitungsprozess von großer Bedeutung war. Des Weiteren wurde bei dem Probenmaterial ein hoher Gehalt an Calcium (1870 mg/100g) und Eisen (9,54 mg/100g) nachgewiesen, was ernährungsphysiologisch vorteilhaft ist. Mikrobiologische Untersuchungen ergaben eine geringe Höhe der koloniebildenden Einheiten pro untersuchtem Mikroorganismus, daher wurde davon ausgegangen, dass das Probenmaterial mikrobiologisch einwandfrei ist. Eine optische Bewertung der Fliegenlarven brachte folgende Ergebnisse: Sie waren unregelmäßig in Form, Größe und Farbe, was bedeutete, dass verschiedene Larvenstadien gemischt vorlagen. Ebenso waren Präpuppen zu finden. Die Farbe der Larven (hellbraun bis schwarz) war vom Alter abhängig. Je jünger die Larven, desto heller sind sie.
Für die Herstellung der Insektengrundmasse war es notwendig, die Fliegenlarven zu zerkleinern und zu homogenisieren. Durch den Zerkleinerungsvorgang wurde die Problematik einer ungleichmäßigen Partikelgrößenverteilung offensichtlich. Das Larvengut lag durch die unterschiedlichen Larvenstadien nicht homogen vor. Aus diesem Grund wurde nach dem Zerkleinerungsvorgang mit einer Gewürzmühle das Klopfsieben angewandt, was unproblematisch durchführbar war. Diese Kombination führte zu guten Ergebnissen hinsichtlich der Weiterverarbeitung. Für die Herstellung des Homogenisats konnte ein optimales Verhältnis von Larve (100 g) zu Wasser (170 ml) ermittelt werden. Nach der Zerkleinerung wurde die Larvenmasse im Thermomix samt Wasser auf 80 °C bei 10 Minuten erwärmt, zur Gewährleistung der mikrobiologische Sicherheit.
Hermetia illucens weist einen starken Eigengeruch und einen bitteren Geschmack auf. Es wurde daher festgelegt, die sensorischen Merkmale: Geruch, Geschmack und Aussehen, so einzustellen, dass ein verbessertes Aromaprofil entsteht sowie ein Aufhellen der Masse bewirkt wird. Zur Geruchs- und Geschmacksverbesserung eigneten sich hauptsächlich Gewürze (Koriander, Oregano, Rosmarin, Thymian, Nelken, Zimt, Vanille u.ä.), da sie maskierende Fähigkeiten besitzen. Sie enthalten ätherische Öle, die so starke Düfte entfalten, um auch negative Gerüche zu überdecken. Es wurden u.a. Versuche mit Zitronenschalen, Koriander und Oregano sowie Bourbon-Vanille-Aroma durchgeführt. Dazu wurden Trockenmischungen sowie Kochproben hergestellt und sensorisch bewertet.
Zur Farbverbesserung wurden farbintensive Säfte (Rote Beete-Saft und Möhrensaft) eingesetzt sowie das helle Kirchererbsenmehl, zur Auflockerung der Masse sowie zur optischen Farbaufhellung. Es wurden verschiedene Kombinationen an Zutaten erprobt und unter die Hermetia illucens-Masse gemischt. Eine Verbesserung der Farbe konnte nicht erreicht werden. Die Massen blieben dunkel.
Zur mikrobiologischen Sicherheit erfolgte eine thermische Nassbehandlung der Masse im Thermomix bei 80 °C und 10 Minuten. Die Proben unter Einsatz von Koriander und Oregano, Zitrusschale und Vanille schnitten sensorisch am besten ab, konnten aber die negativen Gerüche nicht überdecken. Der Einsatz hoher Mengen an stark duftenden Stoffen war zwar hinsichtlich der Maskierung zielführend, aber nicht mit gewünschtem Ausgang für eine eher sensorisch neutrale Grundmasse.
Die Methode zur Haltbarmachung war das Trocknen. Der hohe Fettabsatz, der durch die thermische Behandlung der Masse entstand, verhinderte die vollständige Trocknung. Ohne eine vollständige Trennung des Fettes vom Rohprotein konnten keine zufriedenstellenden Trocknungsergebnisse erzielt werden.
Zur Herstellung von Produktmustern wurden Rezepturen aus dem Backwarenbereich unter Einsatz von sensorisch modifiziertem Larvenprotein erprobt. Hierfür wurde das Fett von den Larven getrennt. Anschließend wurde das Larvenprotein mit Oregano und Koriander versetzt, um lebensmitteluntypische Gerüche zu maskieren. Hinsichtlich der dunklen Farbe des Larvenproteins bot es sich an, ein dunkles Brot auszuwählen, um das Pulver einzuarbeiten. Der Vorteil war, dass sich das Protein farblich nicht vom Mehl unterscheidet. Es wurde ein Dinkel-Roggen-Brot gewählt. Aus Literaturrecherchen war bekannt, dass die meisten Anbieter insektenbasierter Waren Zugabemengen zwischen 5 bis 20 % Proteinmehl in Lebensmittelzubereitungen wählen. Aufgrund des starken Geruches des Larvenproteins wurden geringe Zugabemengen ausgewählt (5 % bis 10 %). Während der Teigverarbeitung gab es keine signifikanten Unterschiede bei der Konsistenz des Teiges bei verschiedenen Zugabemengen. Beim fertigen Brot konnten jedoch zwei deutliche Unterschiede ausgemacht werden: mit zunehmendem Anteil an Protein wurde das Brotvolumen kleiner und mit zunehmendem Anteil an Protein roch und schmeckte das Brot artuntypisch (muffig und alt). Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass das Larvenprotein unkompliziert zu verarbeiten ist, aber negative sensorische Eigenschaften mit sich bringt.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Überführung der entwickelten Insektengrundmasse konnte zum abschließenden Projektstand nicht stattfinden, da die Ergebnisse nicht zufriedenstellend waren. Das betraf zum einen die hohe Fettabscheidung durch die unabdingbare thermische Behandlung der Masse, so dass eine Trocknung nur unvollständig möglich ist. Zum anderen waren die sensorischen Ergebnisse nach den Maskierungsversuchen nicht zufriedenstellend, da nicht alle sensorischen Merkmale (Geruch, Geschmack und Aussehen) nachhaltig geändert werden konnten. Auch wenn die Produktentwicklung nicht direkt zu einem vermarktungsfähigen Produkt führte, konnten dennoch wichtige Erkenntnisse für die Verwendung von Hermetia illucens als Insektengrundmasse gewonnen werden.
Alle Insekten oder insektenhaltigen Produkte, die als Lebensmittel in der EU in den Verkehr gebracht werden sollen, müssen vorab von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gesundheitlich bewertet und anschließend zugelassen werden. Grundlage hierfür ist die Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283. Bisher existiert für Lebensmittelprodukte, die aus Hermetia illucens-Larven hergestellt werden, noch keine Zulassung. Sollte jedoch durch zukünftig anschließende thematisch angelehnte Forschungsprojekte ein vermarktungsfähiges, zugelassenes Produkt entwickelt werden, sind die Zielgruppen für die wirtschaftliche Verwertung der FuE-Ergebnisse bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Start-ups zu suchen. Diese sind eher in der Lage, ein Produkt im handwerklichen Bereich herzustellen und in den Markt einzuführen, das unter Umständen dem Nischensegment zuzuordnen ist. Das grundlegende Verfahren wurde daher so entwickelt, dass der Maschinenaufwand geringgehalten wird. Die größte Herausforderung, sofern betrieblich nicht vorhanden, beherbergt der Trocknungsprozess von aufgearbeiteter Insektengrundmasse, da die Anschaffung der entsprechenden Technologie relativ hohe Investitionen verursachen kann. Hier würden dann auch größere Unternehmen für die Herstellung der Insektengrundmasse in Frage kommen, die sich die Technologie finanziell leisten können.
In Deutschland haben laut einer BfR-Verbraucherumfrage etwa 14 Prozent der Deutschen schon einmal Insekten gegessen, vorrangig im Ausland. Insbesondere Jüngere befürworten Insekten als Lebensmittel. Für den Verzehr sprachen nach Ansicht der Befragten vor allem der hohe Eiweißgehalt, der Nährstoff- und Vitaminreichtum sowie, dass Insekten als zusätzliche Nahrungsquelle für die Weltbevölkerung genutzt werden könnten.
Weltweit gibt es nur wenige wirtschaftliche Akteure, die die Lebensmittelindustrie im Insektensektor vorantreiben. Für Deutschland konnte nur ein Züchter ausgemacht werden, der nach eigenen Angaben Insekten nicht ausschließlich als Tierfutter, sondern auch als Lebensmittel herstellt, die Bugs-International GmbH. Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei Betrachtung der Akteure der Lebensmittelindustrie. Immer mehr Start-ups bieten auch hierzulande Insekten als Lebensmittel bzw. insektenhaltige Produkte an. Die meisten Insekten werden getrocknet und zu Riegeln, Mehl oder Pasta verarbeitet. Es werden aber auch Proteinshakes und Süßwaren angeboten. Die Produkte werden via Internet und (Bio-) Supermärkten vertrieben. Die Grundstoffe für die Produkte der deutschen Anbieter, z. B. das Insektenmehl, werden bislang fast ausschließlich von Insektenzüchtern aus Europa oder dem außereuropäischen Ausland bezogen.
Wie bereits dargestellt, bedarf es für die mögliche finale Insektengrundmasse auf Basis von Proteinmehl weiteren Forschungsbedarf, der durch anschließende Projekte realisiert werden kann. Diese Projekte könnten beispielsweise mit am innovativen Produkt interessierten Unternehmen durchgeführt werden. Dazu hat sich bereits ein Konsortium aus Unternehmen und Wissenschaftlern gebildet, das gemeinsam an der Verbesserung der Produkteigenschaften arbeitet. Die Frankenförder Forschungsgesellschaft mbH kann das im vorliegenden Projekt gewonnene Knowhow aus dem Bereich der Insektenverarbeitung gemeinsam mit den Unternehmen bei einer individuellen Produktentwicklung und Prozessanpassung anwenden sowie die Unternehmen bestmöglich beraten und unterstützen.
Insekten und insektenbasierte Lebensmittel werden als vielversprechende Lösung für die Nachhaltigkeitsherausforderungen in der Lebensmittelindustrie angesehen. Sollte die Schwarze Soldatenfliege eine Zulassung zur Lebensmittelanwendung erhalten, sieht die FFG nach Weiterentwicklung der Insektengrundmasse die Chance einer erfolgreichen Markteinführung, da sich viele Unternehmen zurzeit eher auf bisher zugelassene Insekten beschränken und bestehende Lebensmittelkreationen aufgreifen. Die im Projekt erarbeiteten Kompetenzen der FFG könnten bei der Weiterentwicklung der Insektengrundmasse sowie der Entwicklung von spezifischen Lebensmitteln genutzt werden und somit auch zukünftig zu wirtschaftlicher Stabilität der FFG beitragen.