Ziel der Entwicklung
Die Ansprüche an die Oberflächenqualität von Werkstücken und Bauteilen sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Beispielsweise im Werkzeug- und Formenbau sind mitunter sehr hohe Oberflächenqualitäten von weniger als Rz=1 Mikrometer notwendig. Solche Oberflächen sind mit typischen Zerspanungswerkzeugen wie Fräsern nicht oder nur mit sehr hohem technischen und zeitlichen Aufwand zu erreichen. Bisher ist es daher häufig notwendig, die Oberflächen durch bspw. Polieren nachzuarbeiten. Dieser zusätzliche Arbeitsschritt ist sehr zeitaufwändig und nicht immer sicher reproduzierbar. Daher ist der Bedarf an einem alternativen Bearbeitungsverfahren, welches mit möglichst geringem Aufwand und prozesssicher eine deutliche Verbesserung der Oberflächenqualität spanend bearbeiteter Flächen ermöglicht, vorhanden. Da sich das Rollieren jedoch im Wesentlichen auf einfache Formen wie zylindrische Innen- und Außenkonturen beschränkt, liegt hier eine Grenze des Verfahrens.
Die Bearbeitung von 3D-Oberflächen (Freiformflächen), wie sie im Werkzeug- und Formenbau üblich sind, ist nur mit Einschränkungen möglich (kein automatischer Werkzeugwechsel, Pumpe erforderlich u.a.).
Ziel war es ein neuartiges Rollierwerkzeug zu entwickeln, welches im Gegensatz zu vorhandenen Lösungen:
- ein automatisches Einwechseln aus dem Magazin der Werkzeugmaschine ermöglicht
- keinerlei Zusatzeinrichtungen wie beispielsweise Hydraulikaggregate benötigt
- kein Verschmutzen von Bauteil und Maschine bewirkt und
- ein wesentlich wirtschaftlicheres Bearbeiten ermöglicht.
Dieses Werkzeugkonzept sollte auf der Kinematik eines Fräswerkzeugs beruhen, dessen „Schneiden“ Wälzkörper sind. Nach ersten Vorüberlegungen des Antragstellers sollte das Werkzeugkonzept im Wesentlichen aus zwei Komponenten bestehen: dem Grundkörper und den Rolliereinheiten. Der Grundkörper entspricht vom Prinzip her einem Wendeschneidplattenfräser mit wechselbaren Rolliereinheiten. Die Rolliereinheit besteht aus dem Wälzkörper und dem System zur Erzeugung der Rollierkraft.
Die angestrebte Lösung sollte es ermöglichen, dass bekannte Verfahren des Rollierens auf den Bereich komplexer Geometrien zu erweitern. Somit sollte es möglich sein manuelle Verfahren der Oberflächenbehandlung, insbesondere das Polieren zu reduzieren bzw. vollständig zu ersetzen. Gelingt dies in der vorgesehenen Weise, also ohne nennenswerte Zusatzkosten, ist eine nachhaltige Steigerung der Produktivität bei der Herstellung komplexer Oberflächen mit sehr hohen Rauheitsanforderungen möglich. Zusätzlich wird eine Reduzierung der Durchlaufzeiten durch Automatisierung von Prozessen sowie eine Verbesserung der Bauteilqualität durch eine Verfestigung der Randzone angestrebt.
Vorteile und Lösungen
Zunächst wurden durch theoretische Überlegungen verschiedene Konstruktionsvarianten erarbeitet. Welche im Anschluss miteinander vergleichend bewertet wurden und die dabei entstandenen konstruktiven Lösungsansätze in die Entwicklung und Konstruktion des ersten Prototyps einflossen. Dabei wurden Festlegungen über die Werkzeugaufnahme und den grundsätzlichen Werkzeugaufbau getroffen.
Mit dem ersten Prototyp sollte die grundsätzliche Funktionsfähigkeit eines Rollierwerkzeuges unter Nutzung der Fräskinematik überprüft werden. Aus diesem Grund wurde es für einen relativ einfachen Anwendungsfall, eine Planfläche, konzipiert, ausgelegt und konstruiert.
Für die Untersuchungen mit dem ersten Prototyp wurden zunächst Platten aus C45 und Toloox44 durch Fräsen vorbearbeitet, um einheitliche Bedingungen für die Tests herzustellen. Die Parameter wurden einem Schlichtprozess entsprechend ausgewählt, welcher in der Prozesskette unmittelbar vor dem Rollieren durchgeführt wird. Durch das Rollieren konnten sehr große Verbesserungen der Oberflächenqualität erreicht werden. So konnte beispielsweise der Rz-Wert beim Werkstoff C45 um 89% und beim Werkstoff Toolox44 um 64% verbessert werden. Die erzielten Ergebnisse an ebenen Bauteilen zeigten bereits das enorme Potential der angestrebten Werkzeuglösung. Im Folgenden galt es nun die gewonnen Erkenntnisse in die Entwicklung eines weiteren Prototyps fließen zu lassen, welcher für die Bearbeitung komplexerer 3D-Flächen geeignet ist.
Der neu entwickelte Prototyp für das 3D-Rollieren wurde deutlich schlanker aufgebaut, um möglichst enge Radien realisieren zu können. Für die anschließenden Praxistests bzw. praxisnahen Tests mit diesem Werkzeugprototyp wurden Werkstücke aus X38CrMoV5-1 (1.2343 mit ~43 HRC) ausgewählt. Dabei handelt es sich um einen Warmarbeitsstahl, der üblicher Weise im Werkzeug- und Formenbau zum Einsatz kommt. In die Werkstücke wurde ein Wellenprofil eingebracht, mit dem es möglich ist die Einsatzfähigkeit des Prototyps an 3D-Flächen zu untersuchen. Die Untersuchungen wurden auf dem Bearbeitungszentrum DMU 125 P im Versuchsfeld der GFE Schmalkalden durchgeführt. Wie auch schon bei den Untersuchungen an planen Flächen wurden insbesondere bei den Werten für Ra und Rz deutliche Verbesserungen erreicht, ebenso wie beim Traganteil. Für Rz wurde eine Verbesserung von 83% und für Ra eine Verbesserung um 89% erreicht, der Traganteil konnte um 25% erhöht werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die Erschließung wirtschaftlich effizienterer Technologien spielt besonders für die mittelständische Industrie eine wichtige Rolle und unterstützt diese in ihrem Bestreben, qualitativ hochwertige Produkte zu marktfähigen Preisen herstellen zu können. Hierbei gewinnt die Energie- und Rohstoffeffizienz aufgrund der ansteigenden Rohstoff- und Energiepreise stetig an Bedeutung.
Mit dem in diesem Forschungsvorhaben entwickelten Werkzeug soll insbesondere der Werkzeug-und Formenbau als Anwender angesprochen werden. Da das Werkzeug auf konventionellen Werkzeugmaschinen einsetzbar sein soll, ist es auch für KMUs attraktiv und bietet ihnen somit die Möglichkeit zum Einsatz neuer Werkzeug- und Technologiekonzepte, ohne in neue Maschinentechnik investieren zu müssen.
Innerhalb dieses Marktsegments sind folgende wirtschaftliche Effekte angestrebt:
Reduzierung der Bearbeitungszeit und damit der Bearbeitungskosten und des Energiebedarfs und Verbesserung der Bauteilqualität.
Beispiel: Für Branchen des Fahrzeugbaus kann die Fertigung von CFK-Bauteilen automatisiert werden. Die Technologie wird für das produzierende Gewerbe angeboten und kann auf individuelle Bedürfnisse angepasst werden.