Ziel der Entwicklung

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IC3-Plasmajetsystem

Obgleich mit dem klassischen Plasmaspritzverfahren eine Vielzahl funktioneller Schichten hergestellt werden kann und das Verfahren eine breite industrielle Anwendung findet, gibt es einen entscheidenden Nachteil: Die Eingrenzung auf ausreichend thermisch beständige Werkstückoberflächen. Um diese Nachteile zu überwinden, gab es in Deutschland vor rund zehn Jahren erste Untersuchungen im Bereich des sogenannten Kaltplasmaspritzens, wo mit Hilfe „kalter“ – im Sinne von nicht-thermischer – Jetplasmen und durch das Eindüsen geeigneter Pulver in das Jetplasma funktionelle Beschichtungen auch auf thermisch labilen Oberflächen appliziert werden konnten. Mittlerweile konnte das Potenzial dieser neuen Technologie anhand z.B. der Direkt-Metallisierung thermisch empfindlicher Substrate wie Kunststofffolien oder MID-Bauteilen eindrucksvoll demonstriert werden.
Vor diesem Hintergrund ist die weitere Erforschung der Grundlagen dieser neuen Kaltplasmaspritz-Technologie und der darauf basierenden Herstellung von funktionellen Schichten aus Sicht des Projektbearbeiters ein zentraler Punkt. Wesentliche Vorteile des Verfahrens gegenüber dem Stand der Technik sind die Verwendung von „kalten“ nichtthermischen oder translationalen Plasmen mit moderaten Gastemperaturen zur Herstellung von funktionellen Schichten, die Möglichkeit des Einsatzes auch für temperaturempfindliche Oberflächen sowie die Möglichkeit der ortsselektiven Beschichtung von Oberflächen.
Als wesentliche Gesamtziele des Vorhabens sind folgende drei Aspekte benannt:
- die Etablierung der atmosphärischen Plasmabeschichtung zur Abscheidung metallischer und keramischer Dickschichtsysteme auf der Basis des Kaltplasmaspritzens unter Verwendung geeigneter Pulver auch auf temperaturempfindlichen Substraten,
- die Entwicklung von neuartigen Kombinationsschichten mit erweiterten Funktionalitäten sowie
- die Darstellung von wirtschaftlich relevanten Anwendungsmöglichkeiten für metallische und keramische kaltplasmagespritzte Schichten und Schichtsysteme.

Vorteile und Lösungen

Im Zuge der Projektbearbeitung wurde ein Kaltplasmaspritzsystem aufgebaut, welches die Abscheidung metallischer und keramischer Dickschichten erlaubt. Das System beinhaltet entsprechende Komponenten zum Probenhandling und zur Probenkühlung, zur Eindosierung von Pulvern über zwei unabhängig voneinander agierende Pulverfördersysteme, zur gleichzeitigen Durchführung von Plasma Spraying Verfahren (auf der Basis von zugeführten Pulvern) und Suspension Precursor Plasma Spraying SPPS (auf der Basis von zugeführten Flüssigkeits-Aerosolen) sowie zur Absaugung des Overspray.
Unter Verwendung des Beschichtungssystems wurden metallische Dickschichten (Kupfer, Aluminium, NiP-Legierungen) u.a. auch auf temperaturempfindlichen Substraten abgeschieden. Im Bereich der keramischen Dickschichten muss die eingekoppelte Leistung des Plasmasystems erhöht werden, dennoch konnten auch hier Dickschichten (Aluminiumoxid, Hydroxylapatit, Hydroxylapatit / Zinkoxid) u.a. auch auf temperaturempfindlichen Substraten realisiert werden. Die hergestellten Schichten sind insbesondere mit Blick auf Schichtdicke, Topographie, Mikrohärte und Haftungseigenschaften untersucht worden.
Im Bereich der Kombinationsschichten mit erweiterten Funktionalitäten sei auf die Herstellung von Hydroxylapatit/Zinkoxid-Dickschichten auf PEEK als Grundmaterial verwiesen, Schichten, die einerseits biokompatibel sind und andererseits zusätzlich mit einer antimikrobiellen Ausstattung versehen sind. Diese Schichten sind insbesondere mit Blick auf Schichtdicke, Topographie, Phasenzusammensetzung, Haftungseigenschaften, antimikrobielle und zytotoxische Eigenschaften untersucht worden.
Ein völlig neuer Entwicklungsansatz ergibt sich für die Verfahrenskombination Kaltplasmaspritzen und nachgeschalteter plasmachemischer Oxidation (PCO). Hier konnte in ersten Prinzipversuchen demonstriert werden, dass kaltplasmagespritzte Aluminiumschichten, abgeschieden auf Kunststoffen, erfolgreich mittels PCO in keramische Dickschichten konvertiert werden können. Insofern lässt sich das Verfahren der PCO, was bisher ausschließlich für Leichtmetalle wie Aluminium, Magnesium und Titan zugänglich war, auch auf andere Grundmaterialien übertragen.

Zielgruppe und Zielmarkt

Im Rahmen der Projektbearbeitung wurde das Marktumfeld im Bereich Kaltplasmaspritzen als auch die Metallisierung von Kunststoffen analysiert.
Der globale Kaltplasmamarkt war, bedingt durch die Corona-Pandemie, im Jahre 2020 stark rückläufig. Für das Jahr 2021 ergab sich ein geschätztes Marktvolumen von ca. 1,67 Mrd. USD geschätzt [Polaris Market Research - Cold Plasma Market Share, Size, Trends, Industry Analysis Report, Base year: 2021, Historical data: 2018 – 2020, Forecast period: 2022 – 2030, https://www.polarismarketresearch.com/industry-analysis/cold-plasma-market]. Dieses Volumen wird im Prognosezeitraum voraussichtlich mit einer jährlichen Wachstumsrate von 14,9 % wachsen auf dann 5,44 Mrd. USD. Eine breite Palette von Branchen wie Textil-, Lebensmittel-, Medizin- und Druckindustrie nutzen diese Technologie, was das Marktwachstum während des Prognosezeitraums antreibt. Nach Endverbrauchern gesehen stellen die Behandlung von Polymeren sowie Anwendungen in der Raum- und Luftfahrt wesentliche Schwerpunkte dar.
Der globale Markt für thermische Spritzschichten wurde von Mordor Intelligence analysiert [Thermal Spray Market Size and Share Analysis - Growth Trends & Forecasts (2023 - 2028), Mordor Intelligence, gesehen am 13.09.2023 https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/thermal-spray-market]. Es wird erwartet, dass der globale Markt für thermisches Spritzen von 10,91 Mrd. USD im Jahr 2023 auf 13,41 Mrd. USD im Jahr 2028 wachsen wird, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 4,22 % während des Prognosezeitraums (2023-2028). Seit der Aufhebung der Corona-Beschränkungen hat sich der Sektor wieder erholt, was auf die steigende Nachfrage aus verschiedenen Endverbraucherindustrien wie Luft- und Raumfahrt, Turbinen, Automobilbau, Elektronik, Öl und Gas, medizinische Geräte usw. zurückzuführen ist. Kurzfristig sind die zunehmende Verwendung von thermisch gespritzten Beschichtungen in medizinischen Geräten, die steigende Beliebtheit von thermisch gespritzten Keramikbeschichtungen, der Ersatz von Hartchrombeschichtungen und die zunehmende Verwendung von thermisch gespritzten Beschichtungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie einige Faktoren, die die Marktnachfrage ankurbeln.
Im Jahr 2021 konnten die rund 1.450 deutschen Medizintechnikhersteller nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Gesamtumsatz von 36,41 Milliarden Euro erwirtschaften [Spectaris Jahrbuch 2022/23, https://www.spectaris.de/fileadmin/Content/Medizintechnik/Zahlen-Fakten-Publikationen/SPECTARIS_Jahrbuch_2022-2023_01-2023_Lesezeichen_3.pdf]. Das entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von mehr als sechs Prozent. Der Inlandsumsatz lag bei 12,21 Milliarden Euro (plus vier Prozent), das Auslandsgeschäft erreichte einen Wert von 24,20 Milliarden Euro (plus sieben Prozent). Die Zahl der Beschäftigten hat in 2021 ebenfalls zugelegt und stieg um 1,7 Prozent auf knapp 155.000 Mitarbeiter.
Die Branche hat einen starken mittelständischen Kern: Bei mehr als 93 Prozent der Betriebe handelt es sich um Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern. Hinzu kommen zahlreiche Klein- und Kleinstunternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern. Die FuE-Quote, also der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Gesamtumsatz, liegt im Branchenschnitt bei etwa neun Prozent.
Mit Blick auf die erzielten Projektergebnisse fokussiert der Projektbearbeiter derzeit auf nachfolgende Anwendungsgebiete:
- Direkt-Metallisierung mittels Kaltplasmaspritzen auch auf temperaturempfindlichen Substratmaterialien, zum Beispiel für die Elektrotechnik
- Herstellung dielektrischer Hartstoffschichten (zum Beispiel Aluminiumoxid)
- Bereitstellung biokompatibler Schichten auf Basis von Hydroxylapatit auf temperaturempfindlichen Implantatmaterialien wie PEEK für die Medizintechnik, optional auch mit antimikrobieller Ausstattung der Oberflächen
- Bereitstellung von hochabsorbierenden Schichten auf nahezu beliebigen Oberflächen für die optische Industrie und die Lasertechnik durch die Kombination der Prozesse Kaltplasmaspritzen und Plasmachemische Oxidation.