Ziel der Entwicklung

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Demonstratorformteil aus PP mit (oben) und ohne (unten) Keramikeinsatz

Sehr dünne Wandstärkenbereiche (< 0,5 mm) und sehr große Fließweg-Wanddickenverhältnisse von über 1:400 scheitern im Standard-Spritzguss bisher am Fließverhalten der Polymerschmelze. Das Verarbeitungsfenster verschiebt sich durch längere dünnwandige Formteilbereiche zu höheren Werten bei Einspritzgeschwindigkeiten, Drücken und Massetemperaturen. Dies führt häufig zum Einsatz teurer Maschinen- oder Werkzeugtechnik. Um die damit verbundenen Kosten zu umgehen, wird in den meisten Fällen schon bei der Konstruktion des Formteils eine Kombination von normal dicken und sehr dünnen Wanddicken vermieden. Dies bedeutet wiederum eine kostenintensive separate Herstellung der dünnwandigen Bereiche durch z. B. Extrudieren und anschließendes Verbinden mit dem spritzgegossenen Formteil durch einen nachfolgenden Arbeitsschritt.
Das neu entwickelte Prinzip basiert auf der geringeren Wärmeleitfähigkeit von spezieller Keramik im Vergleich zum Werkzeugstahl. Durch exakt an die Metallkontur angepasste Keramikeinsätze wird in den dünnwandigen Teilbereichen der Werkzeugkavität die Viskosität der Schmelze auf einem niedrigerem Niveau gehalten und somit am vorzeitigen Erstarren gehindert. Die Schmelze durchströmt den dünnwandigen Teilbereich des Formteils, um dann in normal dicke Wandstärken überzugehen. Die Einsätze verbessern das Fließweg-Wanddicken-Verhältnis in den partiell sehr dünnen Bereichen des Formteils. Das Modellformteil ist  in 3D-Geometrie gestaltet und erlaubt – bei nur teilweiser Formfüllung - die Beurteilung verschiedener Füllgrade bei Formteilwanddicken von 0,3; 0,2 und 0,1 mm.

Vorteile und Lösungen

Durch Verwendung von speziellen Keramikeinsätzen können auch auf Standard-Spritzgießmaschinen sehr dünne Wanddicken bis 0,1 mm hergestellt und werkstoffabhängig bis zu 4-5 mal höhere Fließweg-Wanddickenverhältnisse erzielt werden als mit herkömmlichem Werkzeugstahl. Es ist somit möglich, in einem Formteil sowohl normal dicke als auch extrem dünne und lange Bereiche miteinander zu kombinieren. Die Wertschöpfungskette wird verkürzt, d. h. Fertigungsschritte, die zuvor mehrere Stufen (wie z. B. Verkleben, Verschweißen) erforderten, können in einem Arbeitsgang zusammengefasst werden.
Beispiele für mögliche Anwendungen sind:
Gehäuse für Telekommunikation, Sensorik, Mikropneumatik oder Mikrofluidik, Membranfiltereinsätze mit Rahmen, Kunststoffformteile mit direkt angespritztem Sichtfenster, Verpackungsformteile mit angespritzten Funktionselementen wie Verschraubungen, Befestigungselemente und Verschlüsse.

Zielgruppe und Zielmarkt

Wie verhalten sich die mit diesem Verfahren erreichten minimalen Wanddicken im Vergleich zu sonstigen marktüblichen Verfahren mit dem gleichen Ziel? Die kleinsten im Spritzgießverfahren dargestellten Wanddicken von 0,1 mm sind bis dato mit der Expansionsspritzgießeinheit für Engel-Maschinen (x-melt®) realisiert worden. Mit Keramikeinsatz betrug die mittlere gemessene Wanddicke 0,122 mm für ein vollständig gefülltes Formteil aus Moplen®, die minimal erreichte Wanddicke betrug 0,094 mm. Die Wanddicke für sich genommen ist aber kein ausreichendes Kriterium zur Beurteilung der Formfüllung. Für konstruktive Zwecke ist daher das Fließweg-Wanddickenverhältnis gebräuchlich. Viele Rohstoffhersteller stellen für ihre Formmassen Diagramme zur Verfügung, die Aussagen über erreichbare Fließweglängen in Abhängigkeit von der Wanddicke erlauben. In der Literatur wird allgemein ein Fließweg-Wanddickenverhältnis von 1:250 für leicht fließende Formmassen angegeben. Mit Keramikeinsatz wurden, abhängig von der Formmasse, bei empfohlenen Verarbeitungstemperaturen Fließweg-Wanddickenverhältnisse von über 1:400 bis maximal 1:600 erreicht.
Weitere mögliche Kundennutzen: Das Vermeiden von Spritzgießfehlern wie z. B. Bindenähte (unzureichende Verschmelzung der Fließfronten) oder Schlieren aufgrund vorzeitiger oder ungleichmäßiger Abkühlung der Schmelze an der Werkzeugwand.