Ziel der Entwicklung
Ziel des Forschungsvorhabens war die papiertechnologische Herstellung von selbstklebenden Etiketten mit funktionalem Schichtaufbau sowie einem integrierten Indikatorsystem zum Detektieren des unsachgemäßen und/oder übermäßigen Gebrauchs von Textilprodukten des Onlinehandels. Dazu waren die folgenden Etappenziele für die Entwicklung eines Etiketts zur Entlastung der kmUs im Bereich Textilproduktion und Handel zu realisieren. Spezifische physikalische und/oder chemische vom Menschen ausgehende Einflussfaktoren gelangten im Etikett durch gezielte Ausnutzung der Diffusionsparameter im Schichtaufbau zum Wirkungsort des Indikatorsystems und lösten eine Farbreaktion aus, die eine visuelle Auswertung ermöglichte und damit den Nachweis erbrachte. Das Etikett war dabei leicht einsetz- und austauschbar. Es wurde ein Indikatoretikett entwickelt, welches durch die Kombination von mindestens drei menschlichen Einflussfaktoren durch Farbumschlag und Ringschluss ausgelöst wird und den übermäßigen Gebrauch des online bestellten Fashionartikels zeigt. Dieses Etikett ist aus Papier und Cellophan aufgebaut und die Funktion wurde im Test mit 500 Demonstratoren und an 100 Probanden zur Verwendung im Schuh untersucht. Die Wirksamkeit konnte gezeigt werden. Die erzielten Teilergebnisse im Rahmen dieses Vorhabens, insbesondere der Oberflächenbeschichtung mittels Spray-Coating und die Verwendung von Spezialsalzen sind wesentlich, um zukünftig weitere Verwendungsmöglichkeiten und umfassendere Scaling-Up-Versuche in die industrielle Praxis weiter voranzutreiben. Generell hat die PTS mit diesem Forschungsvorhaben einen Schritt in Richtung Etikettenherstellung und -charakterisierung gewagt und wird dieses Knowhow auch in Folgeprojekten wie dem IK-MF „Finde!“ weiter umsetzen. Mit den Indikatoretiketten wurde ein neuartiges Produkt entwickelt, welches den Herstellern und Zulieferern der verschiedenen, beschichteten Substrate (Papier, Vlies, Cellophan), der Etiketten-hersteller als auch den Onlinehändlern von Mode (B2B als auch B2C) in Zukunft zu Gute kommt. Der Onlinehandel zeigt eine stetig wachsende Entwicklung. Im Jahr 2021 konnte ein sprunghafter Anstieg des Umsatzes auf 85 Mrd. Euro für Deutschland ermittelt werden. Das Onlinevolumen betrug mit dem zweit-größten Anteil von 23,1 Prozent nach CE/Elektro rund 16,8 Mrd. Euro. Mit steigendem Warenangebot im Onlinehandel und weiterhin sehr positiven Wachstumsprognosen ist davon auszugehen, dass Retouren ebenfalls zunehmen werden. Laut § 355 des BGB Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen dürfen Onlinebestellungen innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen zurückgesandt werden. Eine Studie des EHI-Institutes zeigt auf, dass die Anzahl an Retouren für die Händler zunehmend zum Problem wird. Die Retourquoten sind abhängig von den bestellten Produkten und besonders in dem Bereich „Fashion und Accessoires“ überdurchschnittlich hoch. 3,6 Prozent der Kunden planen eine Retour bei der Bestellung nicht mit ein, 27,6 Prozent bestellen mehrere Artikel in verschiedenen Größen und Farben zum Ansehen und anschließendem Entscheiden. Der Anteil an Kunden, die ohne tatsächliche Kaufabsicht die Retoure schon bei der Bestellung fest planen, beträgt 18,8 Prozent. Ein Beispiel dafür ist die Bestellung von Lederhosen und Dirndl zum Oktoberfest, das Tragen Vorort und anschließende Zurücksenden. Das heißt die Kleidungsstücke werden unsachgemäß behandelt, sind meist verschmutzt, und übermäßig lange getragen, nachdem sie im Onlinehandel bestellt, aber nicht gekauft, wurden. Diese missbräuchliche Nutzung von Fashionartikeln im Onlinemarkt nimmt, für den Kunden mit teilweiser kostenfreier Retoure, stetig zu. Aus 16,8 Mrd. Euro jährlichen Gesamtumsatzes des Onlinehandels im Fashionbereich in Deutschland lässt sich bei einem Anteil an missbräuchlichen Retouren von sieben Prozent ein jährlicher Verlust von 3,4 Mrd. Euro errechnen. Dieser Wert ist veraltet, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Nur zirka 79 Prozent der retournierten Artikel können als A-Ware für den Kundenversand weiterverwendet werden. Der Rest zeigt eine beeinträchtigte Qualität, so dass eine Aufbereitung unmöglich bzw. unwirtschaftlich ist. Neben Transport-, Reinigungs- und Warenersatzkosten fallen zudem die Personalkosten für die Bearbeitung und Qualitätskontrolle für die Versender ins Gewicht. Hier kann ein Indikatoretikett, das durch aufeinander abgestimmte Sensor-Merkmale eine übermäßige Nutzung anzeigt, genau in diesem Bereich für eine drastische Einschränkung des Missbrauchs führen.
Vorteile und Lösungen
Die verwendeten Materialien und Methoden zum Erstellen des Indikatoretikettes sind lange bekannt. Es existieren viele (auch digitale) Lösungen für die verschiedensten Varianten und Anwendungen. Diese reagieren allerdings nur auf einen einzelnen Einflussfaktor wie Temperatur, Feuchte, Druck oder Abrieb. Der mehrlagige Aufbau des in diesem Projekt konfiguriertem Indikatoretikettes erlaubt das Einbeziehen von drei Einflussfaktoren und führt somit zu einem „sicheren“ Nachweis in Bezug auf übermäßige Tragen von Textilien. Es wurden verschiedene Etikettenaufbauten für das Projekt entwickelt und getestet: Variante eins für eine schnelle Reaktion innerhalb von zehn min; Variante zwei und drei mit dem Zusatz einer Schicht Cellophan sowie Spacer. Papierbasierte, mehrlagige, beschichtete Etiketten wurden bisher nicht so miteinander kombiniert, dass sie dem Zweck des Nachweises des übermäßigen Tragens von Textilien erfüllten. Hier sind die einzelnen Schichten exakt für diese Aufgabe angepasst worden. Bei 1 und 2 handelt es sich um ein Vlies, welches mit je einer Komponente des Indikatorsystems beschichtet wurde. Die beiden Schichten sind lokal getrennt. Dazwischen liegt der Spacer drei, ein hochporöses Vlies, welches in seinem Durchmesser geplant kleiner vorliegt und ein und zwei räumlich voneinander trennt. Die Deckschicht und die Unterlage A1 sind frei wählbar, je nachdem, wo das Indikatoretikett an der Textilie angebracht werden soll. Das Indikatorsystem liegt im Ausgangszustand räumlich voneinander getrennt vor. Der Spacer verhindert den direkten Kontakt. Erst das Ausüben von Druck auf die Oberfläche durch ein Gewicht oder eine Pressung bringt die äußeren Ränder der beiden Schichten eins und zwei mit den Indikatorkomponenten in Kontakt. Nun kann der zweiten Einflussfaktor der Schweiß (Feuchte bei pH = vier) wirken. Der Spacer reguliert dabei den Feuchtetransportweg von Schicht eins zu Schicht zwei und den Ringschluss von innen nach außen. Erst durch Entstehung des Diffusionspfades und der stetigen Zufuhr von pH = vier und Feuchte kommt es zum Farbumschlag im äußeren Ring und nach drei Stunden zum Ringschluss. Die ausgewählten Materialien waren flächig und flexibel. Die Deckschicht diente dem Fixieren der unterliegenden Schichten und der gezielten Reizleitung der menschlichen Einflussfaktoren zum Indikatorsystem. Gleichzeitig wurde das Wirkungsfeld des Indikators vor unbefugtem Entfernen/Ablösen (Manipulation) geschützt. Bei der Folie handelte es sich um Materialien mit glatter und dichter Oberfläche. O2, Dampf und Fette können durch die Schicht diffundieren. Papier ist wegen seiner Inhomogenität bei der Zusammensetzung und Oberflächenmorphologie (Rauheit, Porosität) herausfordernder, was die Funktionalisierung durch Indikatorsysteme betrifft. Bei Vlies handelt es sich um ein Gebilde aus Fasern begrenzter Länge aus Materialien, die auf ungeordnete Weise zu einem Gebilde zusammengefügt und verbunden sind. Sie besitzen einen gröberen Aufbau. Alle drei Stoffklassen zeigen Eigenschaften, die sie als Deckschicht im Schichtaufbau des Etikettes geeignet macht. Der verwendete Spacer vermeidet den direkten Kontakt zwischen zwei Indikatorbestandteilen. Mit dessen Hilfe ist eine gezielte Verzögerung der Analyt-Migration zum Indikatorsystem möglich. Damit übernimmt der Spacer eine entscheidende Rolle bei der Beeinflussung des Indikatorsystems. Für den Einsatz als Spacer wurden feuchtesensitive, hydrophile und durchlässige (für das Reaktivsystem) semipermeable Materialien wie Zellophan, Polyamid und Celluloseether gewählt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Grundsätzlich werden einem Etikett Inhalte zum Preis, Adresse, Mindesthaltbarkeitsdatum, Transport- und Gefahrenhinweise sowie Gebrauchsanweisungen (z. B. Textilpflege) entnommen. In vielen Fällen dient das Etikett auch als Werbeträger mit Angaben zu der Marke. Eine weitere Form um-fasst die Warensicherheitsetiketten, die im Handel als Maßnahme zur Diebstahlsicherung dienen. Etiketten werden in immer breiteren Anwendungsfeldern verwendet, so auch im vermehrt im digitalen Sektor und im medizinischen Bereich. So sind die Etikettenhersteller eine Zielgruppe. Auf der anderen Seite befinden sich die Interessenten und Anwender im Fashionbereich des Onlinehandels. Der Verkauf von Fashionartikeln durch den Onlinehandel nimmt exponentiell zu, was in einen Anstieg am Missbrauch des Widerrufsrechtes durch übermäßigen Gebrauch der bestellten Textilien vor der eingeplanten Rücksendung resultiert. Das Anbieten eines vorausschauenden, integrierten, bedarfsgerechten Serviceproduktes, wie das im Projekt thematisierte Indikatoretikett, wird diesem Problem gerecht.
Beide Zielgruppen wurden in diesem Forschungsprojekt kombiniert. Es wurde ein maßgeschneidertes Indikatorsystem in einem speziell konzipierten Schichtaufbau zu einem Etikett komplettiert, die den schnellen und visuellen Nachweis für ein übermäßiges Tragen von Fashionartikeln ermöglicht. Mit dieser Neuentwicklung wurde an der PTS ein neues Kompetenzfeld geschaffen und das Etiketten schon werbeträchtig verbreitet. Auf diesem Weg konnten neue Kunden aus dem Etikettenbereich wie dem Onlinehandel gewonnen werden.
Durch Verwendung der Etiketten im Produktportfolio der Onlinehändler sinkt deren Verlustmarge durch Verringerung des Missbrauchs von Fashionartikeln. Es werden Produkte im hohen Preissegment bei kleineren exklusiven Verkäufern für die Verwendung der Sicherheitsetiketten favorisiert, da ein Missbrauch hier große wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge haben kann. Für den Praxistest wurden Anfragen an Zalando und Amazon gestartet. Neben den eingangs beschriebenen Profiteuren der entwickelten Etiketten und der Technik der Etikettenherstellung können auf den Erkenntnissen basierende Etiketten in der Logistikbranche zum Einsatz kommen (Anzeige von sachgemäßer Beförderung). Überall wo bestimmte Bedingungen beim Transport, oder der Nutzung vorherrschen müssen, kann ein papierbasiertes Indikatoretikett diesen Punkt im Sinne einer Qualitätsüberwachung anzeigen. Der Vorteil besteht darin, dass ein solches Etikett größtenteils wieder rezyklier bar ist und somit im Gegensatz zu aufwändigeren, teils elektronischen Lösungen des Problems als nachhaltig eingestuft werden kann.