Ziel der Entwicklung
Das Mikrospritzgießen stellt eines der wichtigsten Verfahren zur Herstellung von mikrostrukturierten Bauteilen und singulären Mikroteilen aus Polymerwerkstoffen dar. Jedoch treten bei der Spritzgießfertigung Nachteile vor allem durch Werkzeuginnendruckunterschiede auf, die zu Einfallstellen, Bauteilverzug, Anisotropien oder auch zur Schädigung von zu umspritzenden Einlegeteilen führen. Zur Vermeidung dieser Fehler wird bei vielen Formteilen in der klassischen Spritzgießfertigung das sog. Spritzprägen eingesetzt. Hier wird in einem Spritzgießprozess bei partiell geöffnetem Werkzeug ein definierter Preform innerhalb der Kavität generiert und anschließend mittels eines Kompressionsformprozesses zum fertigen Bauteil ausgeformt. Es werden kurze Zykluszeiten und lange Fließwege bei geringem Druckniveau realisiert.
Mit der Forderung, in zunehmendem Maße hochintegrierte Teile mit immer kleineren Abmaßen zu fertigen, wird die übertragung der positiven Eigenschaften des Spritzprägeverfahrens auf Bauteile mit kleinen Abmessungen (in der Größenordnung einiger Millimeter) interessant. Gerade in der Mikrooptik werden präzise abgeformte optische Funktionsflächen und homogene Bauteileigenschaften im Strahlengang in der Anwendung gefordert. Für Mikrooptiken hoher Abbildungsgüte aus Kunststoff, wie zum Beispiel für anspruchsvolle Applikationen in der Mess- und Medizintechnik, sind Bauteilspannungen häufig schwer zu beherrschen. Innere Spannungen und Molekülorientierungen in spritzgegossenen Kunststoffoptiken verursachen Doppelbrechungseffekte, die zu unerwünschten Polarisations- und damit Transmissionseffekten führen und nicht immer mit Deformationen der Formteile einhergehen müssen.
Etablierte moderne Mikrospritzgießtechnik bietet heutzutage zwar die Möglichkeit der Kontrolle über die Formfüllung einer Mikrokavität mit geringen Schussvolumina, jedoch ist bisher kaum Technik mit Spritzprägefunktion bekannt. Dies ist begründet durch das sehr enge Zeitfenster, welches zur Druckbeaufschlagung der Kunststoffschmelze vor kompletter Erstarrung zur Verfügung steht, sowie durch die Anforderung einer sehr exakten und sensiblen Regelung des kleinen Prägehubes.
Ziel des Forschungsprojektes war es, durch neue technische und technologische Lösungen die Möglichkeiten des Spritzprägens bei der Fertigung von Mikroformteilen zu untersuchen. Speziell für mikrooptische Formteile soll die Eignung des Verfahrens nachgewiesen werden. Weiterhin war es notwendig, eine geeignete Technik zu entwickeln, mit welcher die Spritzprägetechnologie auf einer Mikrospritzgießmaschine durchgeführt werden kann.
Vorteile und Lösungen
Ergebnisse: Das Spritzprägen von dünnwandigen Mikrokavitäten stellt eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Dynamik der Maschine im Prägeprozess dar. Durch das rapide Erkalten der Fließfront kann sich eine Druckbeaufschlagung des Schmelzekuchens bei Teilfüllung der Kavität als sehr negativ auf die Bauteileigenschaften auswirken. Dies kann bei unzureichender Prozessdynamik zu Oberflächendefekten und den eigentlich vermeidbaren inneren Spannungen und Orientierungen führen. Daher werden Mikroteile bisher hauptsächlich nach der vollständigen Füllung der Kavität mit dem Prägedruck beaufschlagt. Die Dynamik der fomicaPLAST lässt jedoch auch eine Teilfüllung der Kavität zu, um mit dem Prägedruck einen eingespritzten Schmelzekuchen zum Formteil auszuformen. Dies setzt ebenfalls eine reproduzierbare präzise Dosierung der Kunststoffschmelze voraus. Die Möglichkeit von simultanen Bewegungen zwischen Einspritzkolben und Prägeantrieb, die ab bestimmten Weg- oder Druckpunkten parallel ablaufen können, lässt viel Spielraum bei der Optimierung des Prägeprozesses. Diese Vorraussetzungen erst ermöglichen im dünnwandigen Mikrobereich eine Prozessführung des Prägevorganges mit Teilfüllung der Kavität.
Vergleichende Untersuchungen von spritzgegossenen und spritzgeprägten Chargen der Rechtecklinse ergaben eine deutliche Reduzierung der Doppelbrechungseffekte für die im Tauchkantenwerkzeug geprägten Formteile. Die geprägten Formteile wiesen auch eine höhere Formtreue in der optischen Kontur gegenüber den spritzgegossenen Formteilen auf. Qualitative Aussagen zu Eigenspannungen und Orientierungen wurden über die Betrachtung der Doppelbrechungseffekte mit vergleichender Polarisationsmikroskopie getroffen.
Das regionale Kernprägen von dickwandigen Mikrokavitäten dient dazu, die mit Druck beaufschlagte Kontur geometrisch exakt und spannungsarm abzuformen. Nicht beeinflusste Randregionen können durchaus spritzgießtypische Fehlerbilder aufweisen, werden aber auch durch zurückdrückendes Material während des Prägens beeinflusst. Eine Beeinflussung der Spannungsdoppelbrechungseffekte der dickwandigen Zylinderlinsen ist auch hier mittels Polarisationsmikroskopie gut ersichtlich. Bei dickwandigen Formteilen werden selbst beim Spritzgießen ohne Nachdruck durch starke Orientierungen während des Füllvorganges über eine Angussstange Doppelbrechungseffekte erzeugt. Mit der Verfahrensvariante des Kernprägens können im druckbeaufschlagten Konturbereich nahezu alle Doppelbrechungseffekte vermieden werden. Dieser Effekt konnte jedoch nur bei einer zum Einspritzvorgang synchron ablaufenden Stempelbewegung nachgewiesen werden.Der Einsatz der des Spritzprägens bei der Fertigung von Mikroformteilen bietet dem Anwender folgende Vorteile:
- Verbesserung der Oberflächenqualität und höhere Konturtreue der abgeformten Kavität
- Minderung der Doppelbrechungseffekte, der Eigenspannungen und damit kein Bauteilverzug
- Vorbeugung von Einfallstellen
- Steigerung der Qualität und Minderung des Ausschussanteiles
- Erhöhung der Effizienz der Formteilfertigung mit geringeren Energieeinsatz
- Minderung der Werkzeugbelastung oder von Kräften auf Einlegeteile während der Füllvorganges
Die Zielmärkte für quallitativ hochwertige Mikroformteile kommen vor allem aus den Anwendungsgebieten Medizin- und Kommunikationstechnik und dem Automobilbau. Es ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Innovationen der Bereiche Mikrotechnik / Mikrosystemtechnik deutlich zu den Umsatzsteigerungen und zu der Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen beitragen und damit auch eine standortsichernde Funktion erfüllen.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die Untersuchungen konnten den Nachweis erbringen, dass auch bei sehr kleinen Kavitäten ein Prägevorgang gut realisierbar ist. Der Prozess bietet bei der Fertigung von Mikroteilen eine reproduzierbare Abformung der Konturen mit einer hervorragenden Oberflächenqualität und Konturtreue, sowie eine deutliche Verringerung von Orientierungen und inneren Spannungen. Wesentliche Einflussfaktoren im Prägeprozess sind die Einstellparameter Prägegeschwindigkeit, Prägeweg und Prägekraft. Während höhere Einstellwerte für Prägeweg und -geschwindigkeit eine höhere Prägequalität mit sich brachten, konnte diese wiederum nur bei minimal möglicher Prägekraft erzielt werden. Alle aus der konventionellen Spritzgießtechnik bekannten Prägeverfahren sind auch im kleinen Maßstab umsetzbar und damit für Mikroformteile anwendbar. Dies setzt jedoch eine sehr dynamische Regelung des Prozesses seitens der Maschinentechnik voraus.
Die Mikrospritzprägetechnologie eignet sich nicht nur für die Fertigung hochwertiger Mikrooptiken aus Kunststoff. Bei der Abformung von filigranen Konturelementen (feine Kernstrukturen) besteht meist die Problematik der Deformation während des Einspritzvorganges durch die Kunsstoffschmelze. Der Einsatz der Prägetechnologie kann hier durch verringerte Einspritzdrücke die Gefahr der Deformation der Werkzeugstrukturen bannen. Denkbar ist auch der Einsatz des Mikrospritzprägens beim Umspritzen von Einlegeteilen. Auch hier werden die auftretenden Kräfte in Folge des Füllvorgangs minimiert, welche zu einer Lageverschiebung des Einlegeteiles führen können.