Ziel der Entwicklung
Die Nachfrage nach hochpräzisen sensorischen und optischen Systemen für intelligente und untereinander breit vernetzte Zukunftstechnologien steigt stetig. Überwachungs- und Assistenzsysteme für die Herausforderungen künftiger Verkehrskonzepte und modernste Medizin- und Scantechnik sind hierfür nur einige Beispiele. Entscheidende Bedeutung haben aus Kunststoff bestehende Optiken erlangt, die sich prinzipiell in günstiger Massenfertigung herstellen lassen. Entsprechend wachsender Vielfalt sind unterschiedliche Werkzeug- und Herstellungstechnologien zur Gewährleistung von Präzision, Effektivität und Nachhaltigkeit erforderlich. Das Spritzgießen solcher Komponenten mit präzisen optischen Eigenschaften stellt jedoch enorme Ansprüche an Werkzeuggestaltung als auch an Justierung der Prozessparameter. Extreme Formgenauigkeit, Transparenz und reproduzierbare innere Spannungsverteilung sind spezifische Anforderungen für das Enderzeugnis. Marginale Differenzen, wie zum Beispiel eine ungleiche Brechungsindexverteilung, ziehen Abbildungs- und Farbfehler nach sich. Dies ist unter Anderem bei sicherheitsrelevanten Anwendungen nicht zulässig. Der Abformung der optischen Kunststoffteile im variothermen Prozess wird wesentlich von den Eigenschaften der Formkerne im Spritzgießwerkzeug beeinflusst. Entscheidend ist die Ausbildung des flächigen Temperaturfeldes im Abkühlvorgang hinsichtlich des homogenen Wärmeabzuges und damit einer gleichmäßigen Erstarrung im transparenten Kunststoffbauteil. Aber auch andere Faktoren sind entscheidend, so höchste Oberflächengüte in Politur, mechanische und chemische Verschleißbeständigkeit sowie Inertheit gegenüber mehr als 300 °C heißen Kunststoffen. In einem Projekt des ITW e. V. Chemnitz in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IKTS Dresden wurden Möglichkeiten zur Herstellung oxidkeramischer Formkerne im sogenannten LCM-Verfahren untersucht.
Vorteile und Lösungen
Die Vorteile generativ gefertigter Komponenten werden seit einigen Jahren auch im Werkzeug- und Formenbau für den Kunststoff-Spritzguss genutzt. Neben der schnellen digitalen Fertigung direkt aus den CAD-Daten werden die fast grenzenlosen Gestaltungsoptionen gezielt zur Verbesserung der Werkzeugtemperierung eingesetzt. Neue Perspektiven in dieser Sparte bietet der stereolithografische Keramikdruck, ein vergleichsweise junger Verfahrenszweig mit hohen technologischen Potenzialen. Mittels angepasster Werkstoffmischungen, wie ZTA (Zirconia toughened Alumina) basierter Keramik, können hohe Härte und Steifigkeit sowie Stählen angenäherte Wärmeleitfähigkeit erreicht werden. Durch gezielte Zusetzung leitfähiger Anteile wurden beispielsweise erodierbare Mischkeramiken entwickelt, die punktuell im Werkzeugbau getestet und eingesetzt wurden. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurde eine werkzeugtechnische Systemlösung mit dem Kerngedanken der Verhinderung lokaler thermischer Minimalgradienten an den Abformflächen entwickelt. Basis stellt ein thermodynamisch, mechanisch und rheologisch optimiertes Formnest dar, welches mit Al2O3-Formkernen ausgestattet ist. Für die Implementierung optimierter variothermer Prozesse im Spritzgießzyklus wurden diese Kerne mit inneren Tempe-rierstrukturen ausgestattet, die für keramische Formnester neuartig sind. Im Rahmen der Arbeiten wurde die generative Herstellung im LCM-Verfahren untersucht und validierte Muster hergestellt. Herausforderungen der Herstellungskette im 3D-Druck sowie der thermischen Entbinderungs- und Sinterprozessierung wurden herausgestellt. Aufgrund dieser konnte die experimentelle Validierung der Formkerne in praktischer Werkzeugerprobung noch nicht erfolgen, jedoch konnten die Potenziale des entwickelten CeramicCore-Werkzeugkerns hinsichtlich des thermodynamischen Verhaltens und der Oberflächeneigenschaften charakterisiert werden. Im Ergebnis liegen erste anwendungsbezogene Kennwerte vor. So entsprechen stichprobenartig ermittelte Oberflächengüten des generativ gefertigten Al2O3-Formkern-Prototypen nach thermischer Prozessierung im Druckzustand mit Ra ~ 0,1 - 0,2 µm und Rautiefen < 1 µm etwa denen der gefinishten Probe. Hierzu wurden Ursachen im Druckprozess diskutiert. Die in diesem Status erzielten Güten entsprechen dem Stand der Technik üblicher Al2O3-Industrieapplikationen, wobei diese im Sinterzustand sogar übertroffen werden. In Forschungs-Maßnahmepaketen zur Minderung der Porosität einhergehend mit Dichtesteigerung > 99 Prozent wird die Erreichung in der Literatur beschriebener Höchstleitungspolituren für technische Keramiken mit Ra < 0,01 µm durchaus realistisch. Zur Bewertung des Temperierverhaltens wurden mit präparierten Formkern-Prototypen Versuchsreihen im Labormaßstab (Batchbetrieb und kontinuierliche Durchströmung mit Temperierfluid Wasser) durchgeführt. Dabei wurde der dynamischen Verlauf der Mittel-, Maximal- und Minimaltemperatur der Abformfläche thermografisch erfasst und aufbereitet.
Die erreichte Heterogenität entspricht den im Projektantrag geforderten Zielkriterien (1 K) und stimmt mit den Ergebnissen der Modellierung überein. Hierzu wurde die Abhängigkeit der stationären Heterogenität und maximalen Heterogenität der Abformflächenmitteltemperatur vom Volumenstrom des Thermofluids Wasser ermittelt. Das Projektteam sieht aufgrund der erhaltenen Ergebnisse das im Antrag angestrebte Zielkriterium einer Temperaturheterogenität der Abformfläche von < 1 K als erfüllt an. Zur Klärung und Gewährleistung verbesserter und reproduzierbarer Ergebnisse ist die Validierung der gesamten additiven thermischen und mechanischen Fertigungskette in Folgeuntersuchungen anzustreben. Hierzu stellen die konsequente Weiterentwicklung von Design- und Prozessierung weitreichende Perspektiven in Aussicht. Zusätzlich soll die abgegrenzte Vorzugsvariante gegebenenfalls noch mit einer alternativen Materialmischung gegenübergestellt werden, um Mikrostruktur bzw. Materialdichte und weiterführend den Abgleich zur Heterogenität der Abformflächentemperatur mit den technologischen Parametern weiter zu verfeinern. Im Rahmen der geführten Tätigkeiten wurde mit einem vorbereiteten Spritzgießwerkzeug, ausgewählter Maschinen- und Temperiertechnik in Verbindung mit deren Vorparametrierung eine Hardwareplattform für experimentelle Untersuchungen geschaffen, die eine geeignete Basis für weiterführende Forschungsarbeiten darstellt.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die im Vorhaben entwickelte Lösung zum Spritzgießen ist unabhängig von Formteilwerkstoff, Aufbau und Geometrie übertragbar, speziell jedoch auf die Abformung transparenter Kunststoffe zugeschnitten. So kann ein breites Spektrum fallspezifisch in deutlich höherer Präzision abgeformt und damit nachhaltig, energie- und kosteneffizient hergestellt werden. Die potenziellen Anwender und Zielmärkte für die angestrebte neue Plattform sind ausrüstungsseitig auf den europäischen Märkten der Werkzeug- u. Formenbauer, weiterhin der Maschinen- und Anlagenhersteller für die Kunststoffverarbeitung angesiedelt. Orientiert wird auf Produkt-, Prozess- und Werkzeugentwicklung für Fachunternehmen, 3D-Kunststoff-Formteilspektrum im Präzisionssektor und deren Dienstleister im Bereich Design, Konstruktion, Berechnung, Prozessgestaltung und Qualitätssicherung. Erzeugnisseitig erfolgt eine besondere Orientierung in der Kunststoffindustrie mit Zielmärkten im Bereich der bildgebenden Technologien, besonders im Verkehrswesen, in der Kommunikations-, Mess- und Medizintechnik beziehungsweise in der Produktionstechnik. Hierzu zählen die Photonik-Volumenmärkte mit Anwendern und Produzenten insbesondere von:
- (laser-)optischen und holographischen Applikationen in der Mechatronik, Automobil-, Flugzeug- und Multimediatechnik und Kommunikationstechnik
- medizinischen und verfahrenstechnischen Lab-On-Chip-Strukturen der Mikrosystemtechnik / Elektronik.
Über eine erfolgreiche Marktvorstellung erschließen sich für das anwendungsorientierte Institut wirtschaftliche Effekte aus FuE-Folgeaufträgen. Adressierte Themenschwerpunkte sind: Etablierung generativer Keramikapplikationen in größerer Anwendungsbreite, Prozess- und Werkzeugentwicklung für das Kunststoffspritzgießen, Prozess- und Werkzeugsimulation, adaptive Prozessregelung sowie Fertigungs- und Prozessmesstechnik. Mit den Entwicklungsaufträgen sind entsprechende Umfänge an Industriedienstleistungen gekoppelt. Zusätzliche wirtschaftliche Effekte ergeben sich aus der Vermarktung der neuen Werkzeug- und Prozesstechnologie durch strategische Partnerschaften mit Drittunternehmen.