Ziel der Entwicklung
Das Ziel des Vorhabens bestand in der Entwicklung von beschichteten Werkzeugen und einer Technologie, um den vorwiegend im medizinischen Bereich eingesetzten Edelstahl 1.4441 mit Mikrowerkzeugen effizient zu fräsen. Dazu sollte die gesamte Prozesskette von der Schneidkantenpräparation, der Werkzeugbeschichtung, der Schichtglättung bis zur Frästechnologie untersucht und aufeinander abgestimmt werden. Der Kernpunkt des Vorhabens bestand in der Entwicklung dünner, haftfester, sehr glatter und verschleißbeständiger PVD-Schichten, mit denen die Standwege und Zerspanungsvolumina von handelsüblichen Mikrofräsern gegenüber solchen mit einer TiAlN-basierten Referenzschicht erhöht werden und die Oberflächengüte der zu bearbeitenden Bauteile verbessert werden sollten.
Vorteile und Lösungen
Der zentrale Ansatz zum Erreichen der Ziele war die Entwicklung einer Werkzeugbeschichtung mit besonderen Eigenschaften. Im Gegensatz zu einer TiAlN-basierten Referenzschicht, die durch Arc-PVD-Verfahren abgeschieden wird, besteht die neu entwickelte Schicht AlTiN(SCIL)+TiSiN aus einer sehr glatten und dichten gesputterten AlTiN-Kernschicht und einer darüber abgeschiedenen temperatur- und verschleißbeständigen TiSiN-Deckschicht. Der Ätzprozess vor der eigentlichen Beschichtung der Werkzeuge ist so gestaltet, dass sich keine Droplets bilden. Die Haftfestigkeit der Schicht wurde dahingehend optimiert, dass keine zusätzliche Anbindungsschicht erforderlich ist. Dadurch ist es möglich, sehr dünne Schichten mit einer Schichtdicke unter 1 µm, wie sie für Mikrowerkzeuge erforderlich ist, abzuscheiden.
Die hohe Verschleißbeständigkeit dieser Werkzeugbeschichtung wurde durch ein hohes Verhältnis aus Schichthärte HIT zum Eindringmodul EIT und eine geringe Kalottenverschleißrate nachgewiesen. Deshalb kann diese Schicht wesentlich dünner abgeschieden werden als eine Referenzschicht, ohne einen erhöhten Werkzeugverschleiß zur Folge zu haben. Im Schneidenbereich der Mikrofräser ist die Schichtdicke deutlich dünner als die Referenzschicht. Auch ist sie in Folge der eingesetzten Sputtertechnologie wesentlich glatter als die Referenzschicht.
Mit dieser dünnen, glatten und verschleißbeständigen PVD-Schicht AlTiN(SCIL)+TiSiN wurde der Standweg der Mikrofräser bei gleichem Verschleiß um 32% gegenüber Mikrofräsern mit einer TiAlN-basierten Referenzschicht erhöht. Durch diese sehr glatte und verschleißbeständige Schichtoberfläche der Mikrofräser konnte die Flächenrauheit Sa der gefrästen Bauteiloberflächen von 0,62 µm (mit Referenzwerkzeugen) auf 0,35 µm um 44% reduziert werden, wodurch kosten- und zeitaufwändige Nacharbeiten beim Anwender der Werkzeuge möglicherweise entfallen oder reduziert werden. Gleichzeitig konnten auch die Zerspankräfte gegenüber Mikrofräsern mit einer Referenzschicht reduziert werden.
Durch eine Schneidkantenpräparation durch Schleppschleifen auf einen Kantenradius von 4 µm vor der Beschichtung konnte der Standweg gegenüber schleifscharfen Schneidkanten um weitere 50% erhöht werden. Ergänzend wurde nachgewiesen, dass die Ergebnisse der Zerspanversuche mit den neu entwickelten Schichten auch auf andere Bearbeitungszentren übertragbar sind sowie dass eine Schichtglättung zu einem reduzierten Werkzeugverschleiß führen kann.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse zur Bedeutung der Rundlaufgenauigkeit, der Werkzeugspannung, der Auswuchtung sowie der Auswahl und Zuführung von Kühl- und Schmiermedien können als wertvolle Informationen für Werkzeughersteller, Werkzeuganwender und Beschichtungsdienstleister dienen. Indem diese Akteure auf fundiertes Wissen über die kritischen Einflussfaktoren im Mikrozerspanungsprozess zurückgreifen können, lassen sich nicht nur die Entwicklungsprozesse beschleunigen, sondern auch die Effizienz und Qualität der hergestellten Werkzeuge und bearbeiteten Werkstücke signifikant verbessern. Diese Erkenntnisse bieten insbesondere mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Position im wettbewerbsintensiven Marktumfeld zu stärken. Durch den gezielten Einsatz der gewonnenen Daten können Entwicklungszyklen verkürzt und innovative, marktfähige Produkte schneller zur Marktreife gebracht werden. Dies trägt nicht nur zur Optimierung der Produktionsprozesse bei, sondern unterstützt auch die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft mittelständischer Unternehmen in der hochspezialisierten Branche der Mikrozerspanung und Werkzeugbeschichtung. Darüber hinaus könnte die Verfügbarkeit dieser Erkenntnisse als Grundlage für die Entwicklung neuer Standards in der Branche dienen. Dies hätte weitreichende positive Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette, von der Werkzeugherstellung über die Beschichtung bis hin zur Anwendung der Werkzeuge in verschiedenen Industriezweigen, einschließlich der Medizintechnik. Solche Fortschritte könnten dazu beitragen, technologische Hürden zu überwinden und die Innovationsfähigkeit der beteiligten Unternehmen zu steigern, was letztlich die Wettbewerbsposition auf nationalen und internationalen Märkten festigt.
Ein weiteres Innovationspotenzial liegt in der Schichtnachbehandlung durch trockenes Elektropolieren. Erste Stichproben an drei Mikrofräsern zeigten, dass die Bearbeitungszeit Einfluss auf das Freilegen der Schneidkanten hat, während bestehende Droplets noch nicht vollständig entfernt werden konnten. Hier besteht weiterer Entwicklungsbedarf, um die Effektivität dieser Nachbehandlung zu optimieren.
Der Einsatz eines Ätzindikators erwies sich ebenfalls als äußerst nützlich, um das Ätzen der Werkzeugoberfläche vor der Beschichtung und die optimale Positionierung der Werkzeuge in der Beschichtungskammer zu verbessern. Diese Erkenntnisse werden im geplanten Nachfolgeprojekt zum Fräsen von bleifreiem Messing mit Mikrowerkzeugen weiter vertieft.
Besondere Bedeutung für zukünftige Anwendungen hat die Tatsache, dass die AlTiN-Beschichtung bereits ein Biokompatibilitäts-Zertifikat für den Einsatz in der Medizintechnik besitzt. Es wird erwartet, dass auch das neuentwickelte Schichtsystem AlTiN(SCIL)+TiSiN für medizinische Anwendungen zertifiziert werden kann. Dies eröffnet weitreichende Applikationsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich der Medizintechnik, wo höchste Anforderungen an Verschleißfestigkeit, Biokompatibilität und Oberflächenqualität gestellt werden. Die Möglichkeit, Mikrowerkzeuge mit dieser fortschrittlichen Beschichtung in der Fertigung von medizintechnischen Komponenten einzusetzen, könnte zu einer erheblichen Verbesserung der Prozesssicherheit und Produktqualität führen. Besonders in der Herstellung von Implantaten und chirurgischen Instrumenten, bei denen eine geringe Rauheit der Oberflächen sowie eine hohe Beständigkeit gegenüber korrosiven Umgebungen erforderlich sind, bietet das beschriebene Schichtsystem vielversprechende Potenziale. Dies könnte nicht nur die Effizienz der Produktion steigern, sondern auch die Lebensdauer und Sicherheit der medizintechnischen Produkte erhöhen.