Ziel der Entwicklung
Viele Gebäude wie Lager, Maschinenhallen und Fahrzeugdepots, aber auch Bahnhöfe und Hochhäuser werden heute im Stahlbau errichtet. Obwohl Stahl nicht brennt, benötigen Stahlbauwerke einen Brandschutz. Dies ist notwendig, da sich die mechanischen Eigenschaften von Stahl bei hohen Temperaturen drastisch ändern. So sinkt das Elastizitätsmodul (die "Festigkeit" des Stahls) von etwa 200 GPa bei 20 °C auf etwa 120 GPa bei 600 °C. Ohne geeignete Maßnahmen kann die Brandhitze zum Versagen der Stahlträger und infolgedessen zum Einsturz des Gebäudes führen.
In Deutschland schreiben die Bauordnungen genormte Feuerwiderstandsklassen für Stahlbauten vor. Es gibt mehrere Methoden, um den vorgeschriebenen Brandschutz zu erreichen.
Dazu zählen:
– eine Überbemessung der Konstruktion
– wärmeabführende Brandschutzmaßnahmen, z.B. Kühlwassersysteme (vorwiegend im Hochhausbau)
– abschirmende Brandschutzmaßnahmen (z.B. abgehängte Decken)
– dämmende Brandschutzmaßnahmen (z.B. Umkleidungen aus Gipskarton, Brandschutzbeschichtungen)
Bei Brandschutzbeschichtungen handelt es sich um aufschäumende (intumeszierende) Anstriche, die bei Hitzeeinwirkung expandieren und verkohlen. Es entsteht eine aufgeschäumte, poröse Schicht, die den Stahlträger thermisch isoliert und die Zeit bis zum Erreichen der kritischen Temperatur verlängert.
Brandschutzbeschichtungen haben eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen dämmenden Brandschutzmaßnahmen:
– Sie ermöglichen eine große Gestaltungsfreiheit und betonen die charakteristische Struktur der Stahlbauweise.
– Sie unterscheiden sich optisch nicht von konventionellen Beschichtungen.
– Sie sind sehr vielseitig und flexibel anwendbar.
– Sie haben eine lange Nutzungsdauer und sind praktisch wartungsfrei.
Handelsübliche intumeszierende Brandschutzanstriche ähneln einer normalen Farbe. Sie bestehen aus einer flüssigen Phase (Lösungsmittel oder Wasser), die ein schichtbildendes organisches Bindemittel enthält (meist Acrylat oder Epoxid). Außerdem sind die intumeszierenden Stoffe enthalten, die im Brandfall den Kohleschaum generieren.
Diese Intumeszenzsysteme bestehen immer aus drei Komponenten:
1. einer Kohlenstoffquelle, z. B. einem Zuckeralkohol
2. einem Verkohlungsmittel, z. B. einer Säure
3. einem Treibmittel, z. B. einer Stickstoffverbindung
Brandschutzlacke werden für gewöhnlich aufgesprüht. Dies erlaubt eine glatte Beschichtung mit gleichmäßiger Dicke. Kleine Flächen können auch mit Pinsel und Rolle behandelt werden.
Das Pulverlackieren ist dagegen ein Beschichtungsverfahren, bei dem ein pulverförmiger Beschichtungsstoff auf ein elektrostatisch aufgeladenes Werkstück aufgesprüht wird. Beim Erwärmen schmilzt und verläuft der Pulverlack und bildet anschließend eine feste und dauerhafte Beschichtung.
Pulverlacke werden häufig zur Beschichtung schwerer und voluminöser Metallteile eingesetzt. Typische Produkte sind Stahlträger und -streben, Fassadenteile, Geländer, Zaunanlagen und Tore. Auch Fahrzeugteile (Land-, Baumaschinen) und Haushaltsgroßgeräte (sog. Weiße Ware) werden pulverlackiert.
Gegenüber Nasslacken haben Pulverlacke mehrere Vorteile:
– Die Schichten sind sehr hart, beständig, korrosionsfest und von hoher Qualität.
– Der Beschichtungsprozess ist effektiver als bei Nasslacken, da der mehrstündige Trocknungsprozess entfällt.
– Durch den Verzicht auf Lösungsmittel ist das Verfahren besonders ökologisch.
– Die Kosten eines Pulverlackauftrags sind niedriger als bei Nasslacken.
Das Pulverlackieren erfordert eine umfangreiche technische Ausrüstung. Neben einer Pulverkabine und einem Einbrennofen ist eine elektrostatische Aufladung des Pulverlacks erforderlich. Daher können Pulverlacke nicht im Heimwerkerbereich oder auf Baustellen aufgebracht werden, sondern nur von spezialisierten Firmen.
Obwohl Stahlträger zu den Bauteilen zählen, die häufig pulverbeschichtet werden, existieren auf dem Markt keine intumeszierenden Pulverlacke. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ein intumeszierender Pulverlack bieten würde, wären weitreichend.
Vorteile und Lösungen
Es konnte nachgewiesen werden, dass die Ausrüstung von Pulverlacken auf Polyesterbasis mit Flammschutzadditiven, die auf Stahlkonstruktionen aufgetragen werden und im Brandfalle eine Intumeszenz auslösen, grundsätzlich realisierbar ist. Infolge der Intumeszenz entsteht im Brandfall eine verschäumte Verkohlungsschicht auf der Stahlkonstruktion, die eine thermische Isolierung des Untergrundes hervorruft, wodurch die Lebensdauer von thermisch sensiblen Teilen im Stahlbau, wie z.B. Stahlträger, soweit ausgedehnt werden kann, dass die Tragfähigkeit der Stahlkonstruktionen im Brandfalle verlängert wird.
Ziel der Untersuchungen war es, dass die Intumeszentsystembestandteile, d.h. Säurebildner, Kohlespender und Treibmittel, direkt in den Herstellungsprozess des Pulverlackes integriert werden, um eine homogene Verteilung im Pulverlack selbst zu erzielen sowie eine aufgrund der einwirkenden Scherkräfte für eine Spritzapplikation ausreichend homogene Partikelgröße zu generieren.
Um die Ausbildung einer ausreichenden Kohleschicht im Brandfalle eines gelierten Pulverlacks anzuregen, ist ein Flammschutzmittelgehalt von zirka 25 bis 35 Prozent einzustellen. Die Verschäumung der intumeszierenden Pulverlackschicht im Brandfall erfolgt ca. um den Faktor 10. Grundsätzlich ist eine Schichtdicke des intumeszierenden Pulverlacks von 250 bis 400 µm einzustellen. Die thermische Isolierung der Stahlträger wurde durch Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera belegt.
Die thermische Isolierung verlängert die Tragfähigkeit der Stahlkonstruktionen in Abhängigkeit von der aufgetragenen Pulverlackschichtdicke um einige Minuten bis zu einer halben Stunde.
Die Verarbeitung des additivierten Pulverlacks kann mittels Spritzapplikation in einer Pulverlackkabine erfolgen.
Im Vergleich zu bestehenden Lösungen im Bautenschutz von Stahlträgern bieten intumeszierende Pulverlacke signifikante Eigenschaftsvorteile wie eine deutlich geringere Korrosionsneigung, bessere Hafteigenschaften, eine erhöhte mechanische Festigkeit (z.B. Schlagversuch, Abrieb) sowie eine optisch ansprechendere Oberfläche (z.B. Glanz, Struktur).
Zielgruppe und Zielmarkt
Der Zielmarkt der Entwicklung ist der Markt für Farben und Lacke. Der globale Markt für Pulverlacke im Jahr 2021 wird auf zirka elf Milliarden Euro geschätzt. Die Marktgröße soll bis 2025 auf einen Wert von zirka 14,7 Milliarden US Dollar ansteigen. Die Hauptanwender agieren mit zirka 60 Prozent im asiatisch-pazifischen Raum, wobei momentan insbesondere in China hohe Wachstumsraten erzielt werden. Europa und Nordamerika bedienen mit jeweils zirka 20 Prozent den Weltmarkt. Der Pulverlackmarkt wächst momentan (2021) um zirka sechs bis sieben Prozent jährlich, wobei das Wachstum dadurch angetrieben wird, dass Pulverlacke für neue Anwendungen eingesetzt werden und andere Technologien, wie z.B. Nasslacke, verdrängt werden.
Die hohe Nachfrage nach Pulverlacken erstreckt sich über diverse Marktsegmente, darunter Architektur, Möbel, Haushaltsgeräte und Schwerlastgeräte sowie Land- und Baumaschinen. Mit dem Wachstum dieser Marktsegmente steigt auch die Nachfrage nach Pulverlacken, die Leistungen über den Korrosionsschutz hinaus bieten, wie z.B. einen effektiven Flammschutz. Inzwischen ist die Langlebigkeit der Pulverlacke zu einem Synonym für Nachhaltigkeit geworden.
In Deutschland werden jährlich zirka 2,6 Millionen Tonnen Farben und Lacke gehandelt. Der Umsatz liegt bei etwa acht Milliarden Euro. Mengenmäßig dominieren derzeit noch die Nasslacke, die Pulverlacke weisen aber einen steigenden Marktanteil auf. Pulverlacke ermöglichen härtere Oberflächen, eine bessere Kantenabdeckung und sind zudem noch recycelbar, was für eine langfristige Perspektive der Pulverlacke spricht.
Der deutsche Markt für Farben und Lacke ist eine mittelständisch geprägte Branche. Neben wenigen international tätigen Konzernen gibt es viele kleine und mittlere Unternehmen, so dass zirka 1.000 Pulverlackierer auf dem Markt agieren. Bei ihnen handelt es sich meist um kleine Unternehmen, die gewöhnlich einen regional begrenzten Markt bedienen. Ausnahmen sind Großabnehmer wie die Deutsche Bahn.
Als Transferunternehmen wurden deshalb Unternehmen angesprochen und bemustert, die sich auf die Herstellung und die Verarbeitung von Pulverlacken spezialisiert haben.
Diese Firmen können (nach entsprechenden Anpassungsentwicklungen) ihr Produktangebot durch den im vorliegenden Projekt entwickelten intumeszierenden Pulverlacks ergänzen. Sie haben die notwendige Ausrüstung, um die Intumeszenzsysteme in ihren Produktionsprozess zu integrieren, die fachliche Kompetenz, um den Anwendern die Vorteile der intumeszierenden Pulverlacke nahezubringen und den erforderlichen Marktkontakt, um Endkunden (Verarbeiter) gezielt anzusprechen und zu beraten.
Von der Entwicklung können die angesprochenen Unternehmen in mehrfacher Hinsicht profitieren:
– Erhöhung des Umsatzes durch ein neues Produkt
– Erhöhung der wirtschaftlichen Stabilität durch Produktdiversifikation
– Wirtschaftliches Wachstum durch Expansion in neue Märkte
Aus dem Umfeld der Entwicklung sind ein Konkurrenzprodukt zu nennen:
Intumeszierende Nasslacke, die zum Schutz tragender Stahlbauteile eingesetzt werden können, aber hinsichtlich Anwendung, Preis und Eigenschaften Nachteile aufweisen.
Direkt vergleichbare Produkte, d.h. intumeszierende Pulverlacke, sind auf dem deutsch- und englischsprachigen Markt derzeit nicht verfügbar.
Aufgrund seiner positiven Eigenschaften (niedrige Kosten, schnelle Verarbeitung, hohe Schichtqualität, hohe Korrosionsfestigkeit) hat der entwickelte intumeszierende Pulverlack auf Polyesterbasis das Potential, hohe Marktanteile zu erreichen. Die Marktverfügbarkeit intumeszierender Nasslacke erleichtert die Einführung intumeszierender Pulverlacke insbesondere in Bereichen wie dem Stahlbau, da beim Bauträger bereits grundlegende Vorkenntnisse zur Flammhemmung im Brandfalle vorliegen.
Die Situation am Rohstoffmarkt für Pulverlacke hat sich infolge der globalen Ereigniskette in den letzten Monaten kaum entspannt. Die meisten Rohstoffe zur Herstellung der Pulverlacke sind nur in geringen Mengen verfügbar und demzufolge stark im Preis gestiegen. Die Erhöhungen für Polyesterharze sind so extrem, dass die Einkaufspreise direkt an die Kunden weitergegeben werden müssen. Auch im Additiv- und Pigmentbereich ist diese Entwicklung zu verzeichnen. Für Stahlbleche, Verpackungen, Transport und Energie ist die Situation kritisch. Auf Basis der in den letzten Monaten enorm gestiegenen Rohstoffkosten, sind die Pulverlackhersteller gezwungen die Lieferkonditionen anzupassen, so dass die Preise für reine Epoxid-Pulverlacke auf 0,34 €/kg, für Polyester-Epoxid-Pulverlacke auf 0,46 €/kg sowie auf 0,58 €/kg für Polyester-/Polyurethan-Pulverlacke angepasst werden müssen. Die preislichen Verwerfungen erleichtern die Markteinführung additivierter und damit preisintensiverer Pulverlacke, da die Kunden bereit sind, generell mehr zu bezahlen und eher ein höherwertigeres Produkt mit breiterem Leistungsspektrum erwerben wollen.