Ziel der Entwicklung
Infolge der Beschränkungen des Einsatzes organischer Lösemittel für Beschichtungsstoffe (EU-„Decopaint“-Richtlinie; BImSchV, ChemVOC-FarbV) stellen Wasserlacke ein wesentliches und stetig wachsendes Segment des europäischen und globalen Beschichtungsmarktes dar. Daraus resultiert eine hohe Nachfrage nach wasserlack- und umweltverträglichen sowie gesundheitlich unbedenklichen Flammschutzlösungen. Nach aktuellem Kenntnisstand sind derartige, insbesondere mit transparenten und Hochglanzbeschichtungsmaterialien verträgliche Systeme derzeit am Markt nicht verfügbar. Im Rahmen des Projektes sollten daher neuartige Wirt-Gast-Komplexe aus nativen oder chemisch modifizierten Cyclodextrinen (CD) und Phosphor- beziehungsweise Phosphor-Stickstoff-Verbindungen, vorzugsweise Phosphorsäurederivaten (PSD), synthetisiert und deren potenzielle flammhemmende Wirkung und Kompatibilität mit wässrigen Holzbeschichtungssystemen untersucht werden. Durch die Komplexierung/molekulare Kapselung von PSD wurden folgende Ziele verfolgt: 1) Verbesserung der Wasserlöslichkeit der potenziell flammhemmenden Wirkstoffe (PSD), welche eine Formulierung der CDp-Komplexe (komplexierte PSD/ FSM) in Wasser basierten Beschichtungen unter Verzicht des Einsatzes organischer Lösemittel ermöglichen soll; 2) Wirkungsverbesserung der Gastmoleküle/PSD durch synergistische Wechselwirkung dieser mit CD, nämlich forcierte Dehydratation, Verkohlung/Carbonisierung und Intumeszenz bei thermischer Belastung; 3) erhöhte Verträglichkeit gekapselter/komplexierter P-Verbindungen (PSD/ FSM) mit dem zu schützenden Beschichtungsmaterial beziehungsweise Beschichtungskomponenten; 4) Einbindung von CDp-Komplexen als reaktive FSM in die Bindemittelmatrix chemisch vernetzender Beschichtungssysteme; 5) Darstellung von mit CDp-modifizierten Beschichtungen/Imprägnierungen behandelten und damit flammgehemmten Furnieren/Vollhollz/HWS; 6) Verringerung der Migration/Emission der teils (schwer) flüchtigen P-Verbindungen/ FSM aus dem CDp-modifizierten Beschichtungsmaterial bzw. dem mit CDp-Imprägnierungen behandelten HWS (VOC-Reduktion, Verlängerung der FSM-Wirkdauer). Dabei sollten die technischen/ funktionalen Beschichtungseigenschaften durch Zusatz von CD-P-Komplexen nicht beeinträchtigt werden.
Vorteile und Lösungen
Im Rahmen des Vorhabens wurden grundlegende Untersuchungen zu Darstellung, Struktur und Eigenschaften von CD-Derivaten und CDp durchgeführt. Wirkung und Wirkmechanismen nativer CD, CD-Derivate und CDp, deren Verarbeitungseigenschaften und Applikationsmöglichkeiten sowie die diese Eigenschaften beeinflussenden Faktoren, zum Beispiel chemische Struktur, Wechselwirkungen mit Substraten wurden ermittelt sowie ihre Anwendung als flammhemmende Komponente in wässrigen Imprägnierungen und Beschichtungen für lignocellulose Materialien untersucht. Folgende Ergebnisse konnten erzielt werden: 1) Entwicklung von Syntheserouten zur Darstellung von CDp-Komplexen aus nativem CD, Methyl-CD, Hydroxypropyl-CD, CD-Phosphaten und Arylphosphaten/-phosphonaten; 2) Erkenntnisse zu Struktur-Eigenschaftsbeziehungen der CD, CD-Derivate und CDp, zu deren Wirkung und Wirkmechanismen hinsichtlich Flammschutz; 3) Entwicklung flammhemmender wässriger Imprägnierungen und Beschichtungsformulierungen mit definierten Anteilen an CD-Derivaten und CDp; 4) Entwicklung von mit CD-Derivaten und CDp ausgestatteten flammgehemmten Furnieren, furnierten Materialverbunden und Lignocellulosefaser basierten Materialien mit gegenüber konventionellen FSM teils verbesserten Brandeigenschaften. CD-Derivate und CDp bewirken aufgrund ihrer flammhemmenden funktionellen Gruppen beziehungsweise Wirkstoffe eine signifikante Verbesserung des Brandverhaltens wässriger Holzbeschichtungen, entsprechend imprägnierter beziehungsweise beschichteter Furniere und furnierter Werkstoffverbunde. Die Komplexe stellen somit umweltfreundliche und leistungsfähige, weitestgehend biobasierte und wasserlösliche Systeme zur Flammhemmung wässriger Holzbeschichtungssysteme dar oder können als Flammschutzimprägnierungen eingesetzt werden. In Hinblick auf die Verträglichkeit der CD-Derivate und CDp-Komplexe mit Beschichtungsstoffen, deren Bindemitteln beziehungsweise Hilfsstoffen sowie der Dispergierfähigkeit/Löslichkeit und Formulierung von CD-Derivaten und CDp in wässrigen Systemen besteht weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die Projektergebnisse ermöglichen es der mittelständischen Industrie, ihr Portfolio durch die Synthese von CD-basierten FSM, die Formulierung von mit CDp modifizierten, flammgehemmten Beschichtungssystemen und deren Applikation zu erweitern. Weiterhin sind Produktentwicklungen im Imprägnier-/ Tränkmittelbereich, zum Beispiel flammgehemmte Papier und im Klebstoffbereich denkbar. Eine Reihe der in nachfolgenden Entwicklungsarbeiten angestrebten Applikationen sind typische Betätigungsfelder der mittelständischen Produzenten und Anwender. Gemeint sind Formulierer und Verarbeiter von Beschichtungssystemen sowie deren Anwendungen auf unterschiedlichen, insbesondere thermisch sensiblen Trägermaterialien, zum Beispiel auf Lignocellulose-/Cellulose-Basis. Entwicklungsarbeiten zur Formulierung CDp-modifizierter wässriger Beschichtungssystemen sind auf Basis der gewonnenen Projektergebnisse vielversprechend. Insbesondere Kooperationsprojekte mit Industriepartnern erscheinen zum jetzigen Zeitpunkt sehr erfolgversprechend. In Verbindung mit den beschriebenen Applikationsmöglichkeiten liefern die Projektergebnisse die Grundlage für eine breit gefächerte Forschungstätigkeit beim Antragsteller: A) Neuartige biobasierte FSM: Erarbeitung neuer CD-Derivate und CDp-Komplexe zur flammhemmenden Ausrüstung einer Bandbreite wässriger Polymerdispersionen; B) Flammgehemmte Beschichtungen: Entwicklung einer Bandbreite mit biobasierten FSM formulierten wässrigen Beschichtungssystemen; C) Flammgehemmte Dispersionsklebstoffe: Entwicklung wasserbasierter flammgehemmter Klebstoffe; D) Funktionalisierte Holzwerkstoffe: Entwicklung von mit neuartigen FSM behandelten Partikel- und Faserwerkstoffen, Dämmstoffen, etc.; E) Funktionalisierte Möbel- und Fassadenelemente: Entwicklung flammhemmend beschichteter/ behandelter Möbel, Innenausbau- und Fassadenelemente. In Verbindung mit den beschriebenen Applikationsmöglichkeiten liefern die Projektergebnisse die Grundlage für einen breit gefächerten Know-how-Transfer seitens des Antragstellers. Mit den erwarteten Vorhabensergebnissen beabsichtigt das IHD darüber hinaus einen weiteren Ausbau seiner wissenschaftlich-technischen Basis in den Bereichen der Funktionalisierung von Holz, Holzwerkstoffen und Beschichtungssystemen für den Brandschutz mit flamminhibierenden Agentien und Entwicklung von „Engineered Wood Products“. Über Inhalt, Durchführung und Ergebnisse des Forschungsvorhabens wird neben der regulären jährlichen Berichterstattung beim Fördergeber regelmäßig in Fachzeitschriften für einen breiten Anwenderkreis publiziert. Neben der Verbreitung in Form von Publikationen und Fachvorträgen werden die Resultate auch auf den entsprechenden Fachmessen vorgestellt.