Ziel der Entwicklung
Die Verarbeitung von PAN zu Fasern ist auf Grund seiner Polymereigenschaften immer an Lösungsmittel gebunden. Diese Lösungsmittel sind oft organischer Natur. Weiterhin haben die am meisten bei der Faser- bzw. Filamentherstellung eingesetzten aprotischen Lösungsmittel wie Dimethylformamid (DMF) und Dimethylacetamid (DMAc) giftige, gesundheitsgefährdende, teratogene Wirkung bzw. sind z.T. laut REACh-Verordnung fortpflanzungsgefährdend. Das aus gesundheitlicher Sicht am wenigsten gefährliche aprotische organische Lösungsmittel ist Dimethylsulfoxid (DMSO), welches in niedrigen Konzentrationen unbedenklich ist und unter Anderem als Schleppmittel in der Medizin eingesetzt wird. Erst in letzter Zeit sind Bestrebungen in Gang gekommen in bestehenden Anlagen DMSO als Lösungsmittel einzusetzen und die bis dahin genutzten, giftigen bzw. problematischen, Lösungsmittel zu substituieren. Aus diesen Gründen wurde DMSO für die geplanten Arbeiten im Projekt ausgewählt.
Entscheidende Begrenzungen der Prozesseffizienz beim Nassspinnverfahren sind die limitierte Konzentration des Polymers in der Spinnlösung auf Grund der entstehenden hohen Drücke beim Spinnen in der Spinndüse (es sind für die Erspinnung feiner Fasern beim Nassspinnen kleine Kapillardurchmesser zwischen 40 und 60 µm notwendig) sowie der Widerspruch zwischen möglichst hohen Temperaturen auf der Lösungsseite (Niedrighalten der Viskosität, geringere Prozessdrücke Filtration/Spinndüse) und einer niedrig zu haltende Temperatur des Fällbades zur Erzielung einer homogenen Struktur des Gelfadens bei sich dabei verlangsamenden Diffusionsvorgängen im System Lösungs- /Fällmittel / Polymer. Die (heißere) Düse hat beim Nassspinnen direkten Kontakt zum (kälteren) Fällbad. Eine Lösung dieses Widerspruches bietet das Trocken/Nassspinnverfahren oder auch Luftspaltspinnen, bei dem die Spinndüse durch einen Luftspalt vom Fällbad getrennt wird und somit eine thermische Entkopplung des Systems Spinnlösung/Fällbad erfolgt. Es wurde mit für den Nassspinnprozess hergestellten Industriepolymerisaten nachgewiesen, dass ein Luftspaltspinnen mit DMSO-Lösungen mit dem Einsatz von Spinndüsen mit größeren Düsenlöchern eine signifikant höhere Polymerkonzentrationen ermöglicht. Weiterhin wurden dabei deutlich höhere Festigkeits- und Elastizitätsmodule an den Fasern gemessen, als das nassgesponnene Fasern aufweisen.
Verbesserungswürdig beim DMSO-Luftspaltspinnen mit den auf dem Markt verfügbaren „Industrie“-Polymerisaten ist die Spinnstabilität. Trotz hoher Lösungskonzentration kommt es ab und zu zum Abriss der Polymerfädchen bzw. die Filamente verkleben im Luftspalt. Aus den vorliegenden Scherkurven der Lösungen und der Untersuchung der elastischen und viskosen Anteile während unterschiedlicher Scherung wurde klar, dass spezielle, dem Luftspaltspinnen angepasste, Polymerisate entwickelt werden müssten, die an die Scher- und Reckanforderungen zwischen Düse durch den Luftspalt ins Spinnbad angepasst sind. Dabei ist neben der verbesserten Sicherheit und Gleichmäßigkeit des Spinnprozesses und der Faserparameter eine weitere Steigerung der Festigkeits- und E-Modulwerte zu erwarten. Das begründete auch die Wichtigkeit der durchgeführten Forschungsarbeiten und trifft vor allem bei der Erspinnung von Precursoren für Karbonfasern, aber auch für die direkte Nutzung von PAN-Fasern zur Verstärkung von Kunststoffen, Bitumen, Beton o.ä., zu.
Vorteile und Lösungen
Bisher für Lösungsspinnen angebotenes PAN-Pulver ist darauf ausgelegt, im Nassspinnverfahren verarbeitet zu werden. Dessen Verarbeitungsparameter unterscheiden sich deutlich von denen im hier erprobten Luftspaltspinnverfahren. Um eine Verbesserung der Fasereigenschaften zu erzielen, mussten neue Polymere synthetisiert werden, die auf die Bedingungen beim Luftspaltspinnen angepasst sind. Zur Implementierung bestimmter Fasereigenschaften kamen unterschiedliche Acrylverbindungen als Comonomere zum Einsatz; ebenfalls untersucht wurde die Herstellung von PAN-Homopolymer. Molekulargewicht und Polymolekularität der Produkte wurden gezielt eingestellt.
Mit verschiedenen Polymeren erzeugte Spinnlösungen verschiedener Konzentrationen wurden nach Herstellung rheologisch untersucht. Motivation dabei war der Erhalt von Lösungen mit höchst möglichen Konzentrationen, um bestmögliche Prozesseffizienz zu erreichen, wobei das Kriterium der möglichen Eignung zum Spinnen im Vordergrund stand.
Die mit selbst synthetisiertem PAN hergestellten Spinnlösungen wurden auf der Laborspinnlinie im Luftspaltspinnverfahren verarbeitet. Dabei wurden die Filamente zunächst im Luftspalt und anschließend in heißen Wasserbädern gestreckt. Anschließend wurden sie getrocknet und in einem Heißluftkanal weiter gestreckt. Es ist die Streckung von PAN-Filamenten, die ihnen hohe Zugfestigkeit verleiht. Anhand von Beobachtungen der Prozessqualität während der Technikumsversuche und Messungen der resultierenden Faserwerte wurden Anpassungen der Versuchsparameter vorgenommen.
Während der Spinnversuche erhaltene Filamente wurden in einem zweistufigen Prozess in einem Hochtemperatur-Ofen karbonisiert. Die erste Stufe wurde unter einer Sauerstoff-Atmosphäre bei ca. 270 °C durchlaufen. Die so erhaltenen oxidierten PAN-Fasern durchliefen die nächste Stufe, bei der sie unter Stickstoffatmosphäre bis ca. 1400 °C aufgeheizt wurden. Es wurde bestätigt, dass es möglich ist, die hergestellten PAN-Copolymer Fasern zu karbonisieren und dadurch deren Festigkeit zu erhöhen.
Zielgruppe und Zielmarkt
In erster Linie ist das im Projekt beschriebene Verfahren interessant für Hersteller von Verstärkungsfasern aus PAN, oder mehr noch solchen, die es gerne werden wollen. Bestehende Anlagen können umgerüstet oder neue Anlagen direkt mit der beschriebenen Technologie gebaut werden. Durch sie ist es möglich, mit gleichem Lösungsdurchsatz mehr PAN-Fasern herzustellen, die gleiche oder bessere mechanische Kennwerte aufweisen als bisher am Markt erhältliche Produkte.
Die nach diesem neuen Verfahren aus den neuen PAN-Copolymeren hergestellten Fasern eignen sich zudem als Precursoren für die Herstellung von Carbonfasern. Sie ist daher interessant für Hersteller dieser, die dadurch bessere mechanische Kennwerte der resultierenden Carbonfasern erhalten könnten, bei gleichzeitig erhöhter Produktivität der Precursorfasern.