Ziel der Entwicklung
Natriumsulfid ist weltweit die bei der reduktiven Enthaarung bevorzugt eingesetzte Chemikalie. Es ist preisgünstig und effektiv und seit langem in Äscherprozessen etabliert. Ein erheblicher Nachteil ist seine hohe Toxizität, die beim Umgang in der Gerberei besondere Vorsichtsmaßnahmen erfordert und außerdem das Abwasser in beträchtlichem Maße belastet. Thiolverbindungen stellen eine Alternative dar, die bei vergleichbaren chemischen Abläufen ebenfalls in der Lage sind, Haare reduktiv zu lockern und so im Äscher wirksam zu werden. Ziel des Projekts war der Ersatz von Natriumsulfid im reduktiven Äscherprozess durch toxikologisch unbedenkliche Thiol-Aminosäuren, die als ungiftig gelten und auch im Abwasser keine Belastung darstellen.
Vorteile und Lösungen
Es wurde nachgewiesen, dass Thiol-Aminosäuren, im Speziellen Cystein und Homocystein, als effektive Enthaarungsmittel in einem reduktiven Äscherprozess eingesetzt werden können. Die erfolgreiche Anwendung wurde sowohl im Labormaßstab als auch in größer dimensionierten Technikumsversuchen demonstriert. Der resultierende Äscherprozess bietet den Vorteil, komplett auf das toxikologisch bedenkliche Natriumsulfid verzichten zu können, ohne die technischen Randbedingungen eines konventionellen Äschers signifikant zu verändern. Letzteres ist ein wichtiges Argument bei der potenziellen zukünftigen Akzeptanz in der Gerbereibranche. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Reaktionsstöchiometrie und der Molmassen der Reagenzien ist die Effektivität von Cystein und Homocystein mit der von Natriumsulfid vergleichbar. Bei einer Umsetzung in die industrielle Praxis wird der höhere Preis für die Thiol-Aminosäuren mit den Einsparmöglichkeiten in der Abwasserentsorgung und im Arbeitsschutz gegenzurechnen sein.
Es wurde erfolgreich eine Synthesemethode etabliert, bei der in einem zweistufigen Prozess aus kommerziell relativ günstig erhältlichem Methionin Homocystein in reiner Form hergestellt werden kann. Identität und Reinheit des Produkts wurden verifiziert, und in Äscherversuchen wurde die enthaarende Wirkung nachgewiesen. Die Synthese verwendet günstige und nicht toxische Reagenzien und lässt sich daher auch in großem Maßstab durchführen.
Zielgruppe und Zielmarkt
Ein möglicher Anwendungsbereich für einen sufildfreien Thioläscher ist die gesamte Gerbereibranche. Schon seit langem wird nach sulfidfreien Alternativtechnologien gesucht, die meisten der bisher beschriebenen Verfahren sind aber zu kostspielig, wenig effektiv, ihrerseits toxisch oder verlangen völlig andere Reaktionsbedingungen. Damit eine neue Technologie in der Gerbereibranche eine etablierte ersetzen kann, sollte sie im Vergleich mit dem Sulfidäscher ebenso effektiv und allenfalls moderat teurer sein und nach Möglichkeit die etablierten Reaktionsbedingungen (alkalisch, reduktiv) nur geringfügig abwandeln. Der sulfidfreie Thioläscher erfüllt diese Bedingungen, was seine Chancen für eine Akzeptanz in der Gerbereiindustrie erhöht. Das im Projekt erarbeitete Verfahren zur Herstellung von Homocystein aus Methionin dagegen ist sowohl für die Gerbereibranche als auch für Chemiefirmen aus dem Bereich Lederhilfsmittel interessant.