Ziel der Entwicklung
Beschichtungssysteme auf Basis nachwachsender Rohstoffe (NawaRo) sind nach wie vor ein Nischenprodukt. Auf Basis schon vorhandener Forschungsergebnisse im Bereich isocyanatfreier Polyurethane (NIPU) aus nachwachsenden Rohstoffen sollten in diesem Projekt Voraussetzungen geschaffen werden, die biobasierte Poly(hydroxy)urethan-Bindemittel (PHU) gegenüber herkömmlichen Polyurethanen (PU) wettbewerbsfähig machen, hierbei lag der Fokus auf Bindemittel für Farben und Lacke.
Im Unterschied zu klassischen Polyurethanen gasen Polyhydroxyurethane bei der Aushärtung nicht aus, was zu blasenfreien Beschichtungen führt. Darüber hinaus verfügen PHU, im Vergleich zu klassischen PU, über eine verbesserte chemische und thermische Beständigkeit. Sie sind in der Applikation unempfindlicher gegenüber Wasser, toxikologisch weniger kritisch (Arbeitsschutz), VOC-arm und verfügen nach der Aushärtung über eine höhere Glasübergangstemperatur sowie über verbesserte Adhäsion und Abriebhärte im Vergleich zu klassischen PU-Beschichtungen. Ein großer Nachteil dieser biobasierten Systeme ist die, im Vergleich zu isocyanatbasierten Systemen, unzureichende Reaktivität der Ringöffnungs-Polyaddition. Insbesondere bei Bindemittelsystemen, die bei Raumtemperatur in überschaubarer Dauer aushärten müssen, erwies sich dies als ein schwer zu überwindender Faktor in der Entwicklung. Angesichts dessen wurden im Vorläuferprojekt NIPUQUICK cyclische Carbonate entwickelt, welche auch bei Raumtemperatur eine ausreichende Reaktivität mit Aminen aufweisen.
Forschungsbedarf bestand nun bezüglich der Bindemittelformulierungen, hierzu mussten Untersuchungen durchgeführt werden, die das Anwendungsfeld der NIPU zunächst klar aufzeigen können. Es war zum Beispiel zu klären, ob sich NIPU-Systeme als 100%-Bindemittel einsetzen lassen, ob lösemittelbasierte 2K-Systeme mit hohen Anteil NawaRo realisierbar sind und wie das Verhalten von NIPU-Bindemitteln in Blends mit natürlichen Ölen einzuschätzen ist. Die ausschlaggebenden Faktoren zur Bewertung der Systeme sind hierbei letztlich die zu erhaltenen Schichteigenschaften (Härte, Kratzfestigkeit, Aushärtung, etc.), die zumindest vergleichbar zu klassischen Polyurethan-Systemen sein müssen.
Aufgrund der Vielfältigkeit der Polyurethan-Chemie (Modifizierbarkeit der Monomere und Präpolymere), sowie der vielfältigen Möglichkeiten zur Einstellung von Schichteigenschaften durch die Formulierung, resultiert ein beträchtliches Potenzial, und damit das Ziel des vorliegenden Vorhabens, der Entwicklung biobasierter Polyhydroxyurethan-Bindemittel. Der so generierte Erkenntnisfortschritt ermöglicht es in Folgevorhaben Produktentwicklungen von Lacken und Farben im industriellen Maßstab durchzuführen.
Vorteile und Lösungen
Im Vorhaben war das Ziel, die zuvor entwickelten biobasierten Carbonate zu verwenden, um isocyanatfreie PUR-Bindemittel zu formulieren. Diese sollten eingesetzt werden, um insb. Lacke und Öle zu entwickeln, welche bei RT aushärten/vernetzen und die für einzelne Produkte gewünschte Härte, Kratzfestigkeit, Flexibilität und Transparenz aufweisen. Es sollten sowohl schichtbildende (> 20 µm) als auch nicht-schichtbildende (< 20 µm) biobasierte Beschichtungssysteme für Holz entwickelt werden, welche in der Lage sind, rohölbasierte Produkte zu ersetzen.
Es wurden zunächst Syntheseverfahren für cyclische Carbonaten (Monomere) weiterentwickelt. Auf Basis dieser Monomere wurden NIPU-Präpolymere für schichtbildende Systeme hergestellt, charakterisiert und für nicht-schichtbildende Systeme mit ungesättigten Funktionen ausgestattet. Es wurden Ansätze für schichtbildende 100 %- und 2K-Systeme geprüft, wobei festgestellt wurde, dass 100 %-Systeme schnell zu hohen Viskositäten führen – was die Verarbeitung erschwert. Hiermit lassen sich eher Klebstoffe und Gießharze realisieren. Bei der Applikation als 2K-Systeme ergaben sich zunächst Schichten mit niedrigem Vernetzungsgrat, was weitere Entwicklungsarbeiten im Bereich der Polymerarchitektur notwendig machte. Im Bereich nicht-schichtbildender Systeme wurden erfolglos verschiedenste Ansätze verfolgt, um Mischungen zwischen unpolaren Ölen und polaren NIPU-Präpolymeren zu erreichen. Da jedoch überraschende Erfolge mit wässrigen Systemen erreicht wurden, wurde stattdessen dieser Ansatz weiterverfolgt. Hier konnten schlussendlich schichtbildende Systeme auf Basis von polymeren Aminen und wässrigen cyclischen Carbonaten entwickelt werden, welche die erfolgreiche Entwicklung von Formulierungen und Herstellung von Demonstratoren sowie den damit verbundenen Syntheseverfahren der Bindemittel ermöglichten.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die Projektergebnisse ermöglichen es der mittelständischen Industrie ihr Portfolio durch die Synthese cyclischer Carbonate, die Darstellung isocyanatfreier Polyurethane (Oligomere und Polymere) und die Darstellung modifizierter NIPU (ungesättigt sowie mittels Epoxide und Silane) sowie mittels Formulierungen von auf diesen Systemen basierenden Beschichtungssystemen zu erweitern. Weiterhin sind Produktentwicklungen im Tränkmittelbereich und im Klebstoffbereich denkbar. Eine Reihe der in nachfolgenden Entwicklungsarbeiten angestrebten Applikationen sind typische Betätigungsfelder der mittelständischen Produzenten und Anwender. Gemeint sind Formulierer und Verarbeiter von Beschichtungssystemen sowie deren Anwendung auf unterschiedlichen Trägermaterialien.
Entwicklungsarbeiten zur Formulierung von reinen NIPU- und hybridisierten NIPU-Beschichtungssystemen und Klebstoffen sind auf Basis der gewonnenen Projektergebnisse sehr vielversprechend. Insbesondere Kooperationsprojekte mit Industriepartnern erscheinen zum jetzigen Zeitpunkt sehr erfolgversprechend. In Verbindung mit den beschriebenen Applikationsmöglichkeiten liefern die Projektergebnisse die Grundlage für eine breit gefächerte Forschungstätigkeit beim Antragsteller: A) Neuartige biobasierte Härter auf Basis cyclischer Carbonate zur Herstellung neuer niedermolekularer und oligomerer mehrwertiger cyclischer Carbonate als Härter für eine Bandbreite an biobasierten Bindemitteln; B) Neuartige isocyanatfreie Polyurethane zur Herstellung einer Bandbreite isocyanatfreier Polyurethane durch Steuerung des Vernetzungsgrates, Quellverhaltens, etc.; C: Neuartige hybride NIPU zur Herstellung verschiedener hybridisierter NIPU als Beschichtungs- und Klebstoffe; D) Weiterführende Modifizierung von NIPU zur Herstellung von NIPU mit zusätzlichen Eigenschaften, z.B. flammhemmend oder bakterienabweisend; E) Erhöhung des Biomasseanteils in etablierten Systemen zur Herstellung von bio-NIPU zum direkten Ersatz rohölbasierter Polyurethane in unterschiedlichen Produkten.
In Verbindung mit den beschriebenen Applikations-möglichkeiten liefern die Projektergebnisse die Grundlage für einen breit gefächerten Know-how-Transfer seitens des Antragstellers. Mit den erwarteten Vorhabensergebnissen beabsichtigt das IHD darüber hinaus einen weiteren Ausbau seiner wissenschaftlich-technischen Basis in den Bereichen der Beschichtung und Verklebung von Holz und Holzwerkstoffen.
Über Inhalt, Durchführung und Ergebnisse des Forschungsvorhabens wird neben der regulären jährlichen Berichterstattung beim Fördergeber regelmäßig in Fachzeitschriften für einen breiten Anwenderkreis publiziert. Neben der Verbreitung in Form von Publikationen und Fachvorträgen werden die Resultate auch auf den entsprechenden Fachmessen vorgestellt.
Das Forschungsvorhaben hat jetzt schon zu Kooperationen mit Industriepartnern geführt, bei denen Produktentwicklungen vorbereitet werden. Hierbei sind auch wirtschaftliche Effekte für die Forschungsstelle durch Lizenzeinnahmen absehbar.