Ziel der Entwicklung
Ultrakurze Laserpulse (UKP) sind dafür bekannt, einen hochpräzisen Materialabtrag zu ermöglichen. Aufgrund der nahezu athermischen Wechselwirkungsmechanismen können auch spröd-harte, dielektrische Werkstoffe schonend mit UKP-Lasern bearbeitet werden. Da das Parameterfenster dabei jedoch nahe der Ablationsschwelle liegen sollte, sind die Abtragraten sehr gering und die zur Verfügung stehende Laserleistung kann nicht vollständig ausgenutzt werden. Zudem liegen die erzielbaren Oberflächenqualitäten aufgrund verschiedener Probleme der bisherigen Standardverfahren unter den prinzipiellen physikalischen Möglichkeiten. Dazu zählen die gaußförmige Energieverteilung der Einzelpulse, die Pulsüberlappungen beim linienförmigen Abrastern sowie die sich herausbildenden Treppenstufen beim formgebenden, schichtweisen Abtrag (Slicing).
Ziel des Projektes war es deshalb, verschiedene neuartige Methoden der flexiblen Strahlformung für eine quantitative und qualitative Optimierung von UKP-Abtragprozessen an Gläsern und Keramiken einzusetzen und miteinander zu vergleichen. Das beinhaltet den Einsatz homogenerer Intensitätsprofile zur Reduzierung von Mikroschädigungen, Spannungen und Rauheiten beim flächigen Abtrag, die Aufteilung des Strahls in viele Teilstrahlen zur Effizienzsteigerung bei der Mikrostrukturierung sowie die stationäre oder quasi-simultane Bewegung speziell angepasster Energieverteilungen über das Werkstück, um kontinuierliche 2,5D-Oberflächenprofile herzustellen.
Vorteile und Lösungen
Zur Erzeugung verschiedener Intensitätsprofile wurden im Projekt ein statisches Diffraktiv-Optisches-Element (DOE), welches das herkömmliche Gaußprofil in eine definierte Top-Hat-Verteilung umwandelt, und ein flexibler, programmierbarer Spatial Light Modulator (SLM), mit welchem beliebige Energieverteilungen ermöglicht werden können, eingesetzt. Untersuchungen zum flächigen Abtrag zeigten, dass insbesondere quadratische Top-Hat-Verteilungen zur qualitativen und quantitativen Verbesserung scannerbasierter Abtragprozesse eingesetzt werden können. Dabei stellten sich starke Abhängigkeiten vom Material und dem verwendeten Parameterregime heraus. Im Bereich hoher Abtragraten, welche durch geringe Pulsabstände und hohe Laserleistungen hervorgerufen werden, ist durch den Einsatz der veränderten Intensitätsprofile kaum eine weitere Steigerung der Abtragrate möglich. Jedoch kann insbesondere bei Glaswerkstoffen die Qualität der Oberfläche gesteigert werden, was sich durch eine Reduzierung der sonst hohen Rauheiten um bis zu 30 Prozent zeigt. Im Parameterregime geringer Abtragraten, welches für die meisten Applikationen relevant ist und durch hohe Pulsabstände und niedrige Leistungen gekennzeichnet wird, konnte die Prozesseffizienz hingegen mehr als verdoppelt werden. Anhand von Spannungsmessungen sowie der Untersuchung der Störtiefenschädigungen konnte zudem gezeigt werden, dass sich auch die optischen Eigenschaften der bearbeiteten Gläser aufgrund der Strahlformung verbessern lassen.
Neben dem Oberflächenabtrag konnte der SLM erfolgreich als flexibler Strahlteiler eingesetzt werden, welcher den Strahl in viele Teilstrahlen mit beliebiger Anordnung aufteilt. Dadurch wird es ermöglicht, die zur Verfügung stehende hohe Laserleistung zur parallelen Bearbeitung periodischer Mikrostrukturen zu nutzen und die Prozesseffizienz damit um ein Vielfaches zu steigern. Die entscheidende Herausforderung, Einzelstrahlen mit möglichst gleicher Leistung zu erzeugen, konnte durch eine Modifikation des Gerchberg-Saxton Algorithmus gelöst werden. Die flexible Ansteuerbarkeit des SLMs erlaubte es zudem, ihn als lokal abtragenden Intensitätsstempel zu nutzen, mit welchem dreidimensionale Mikroprofile in die Werkstückoberfläche „eingeprägt“ werden können. Mittels speziell angepasster Linienstrahlprofile, welche mit einem eigens entwickelten, eindimensionalen Gerchberg-Saxton-Algorithmus simuliert und im Experiment getestet wurden, konnten verschiedene Strukturen, wie konvexe Zylinderlinsen, prismatische Gräben oder Sägezahnstrukturen erzeugt werden. Dabei wurde auf das übliche Slicing verzichtet, so dass kein Treppenstufeneffekt auftritt.
Untersuchungen zum sogenannten Weg-Zeit-gesteuerten Abtrag zeigten, dass der scannerbasierte Abtragprozess aber auch ohne die Anwendung komplexer Strahlformungstechnologien optimiert werden kann. Um eine quasi-simultane 3D-Bearbeitung zu ermöglichen, wurde eine mittels Scanner erzeugte, frei definierbare so genannte Werkzeugkontaktzone mit Hilfe der Achsen über das Werkstück bewegt. Diese fortlaufend mittels Scanner wiederholte Geometrie erzeugt eine definierte Energieverteilung, deren Abmaße über die der mittels SLM erzeugten Profile hinausgehen kann. Durch konstante oder funktionsabhängige Ansteuerung der Achsgeschwindigkeit kann eine kontinuierlich abtragende 3D-Profilgebung umgesetzt werden, welche sich im Vergleich zum konventionellen Slicing – aufgrund des Wegfalls des Treppenstufeneffektes – durch ein stetigeres Oberflächenprofil auszeichnet. Die gewählte Form und Größe der Werkzeugkontaktzone ist dabei entscheidend, um Wärmeakkumulationseffekte zu vermeiden und die räumliche Auflösung des Prozesses zu steuern. Mit Hilfe der parallelen Scanner- und Achsbewegung konnten definierte dreidimensionale Flächen und Gräben, wie Sinus- oder V-Profile, berechnet und praktisch umgesetzt werden. Im Gegensatz zur Standard-Scannerbearbeitung wird die mögliche Konturlänge dabei nur durch den Verfahrweg der Achsen begrenzt und muss somit auch bei großformatigen Strukturen nicht durch Stitchingstellen unterbrochen werden.
Zielgruppe und Zielmarkt
Piko- und Femtosekundenlaser kommen mittlerweile in fast allen wichtigen Produktionsindustriezweigen zum Einsatz, beispielsweise zum Bohren, Scriben, Trennen oder Strukturieren. Die Nutzung entsprechender Laser für eine flächige Bearbeitung war jedoch bisher häufig nicht wirtschaftlich. Im Projekt konnten nun wichtige Erkenntnisse zur Erhöhung der Bearbeitungsgeschwindigkeit gesammelt werden. Je nach Anwendung können dabei sogar qualitativ höherwertige Resultate erzielt werden, welche sich unter anderem durch geringere Oberflächenrauheiten oder Materialspannungen auszeichnen. Als Hauptzielgruppen werden deshalb Anwendungen gesehen, bei denen eine flächige Bearbeitung erfolgt, also vor allem die Texturierung beziehungsweise Strukturierung von Oberflächen.
Insbesondere der präzise Materialabtrag dielektrischer Materialien stellt trotz des hohen Potenzials ultrakurzer Pulse extrem hohe Anforderungen an den Prozess. Durch den mittels Strahlformung optimierten Energieeintrag und die im Projekt entwickelten Bewegungskonzepte können Materialschädigungen reduziert und die Effizienz auf ein industrietaugliches Niveau angehoben werden. Der Markteintritt für den formgebenden UKP-Materialabtrag kann dadurch für verschiedenste Anwendungen ermöglicht werden. Da sich die UKP-Technologie prinzipiell für die Bearbeitung aller Werkstoffe eignet, können auf der Grundlage der Forschungsergebnisse für Dielektrika weitere, innovative Produkte anderer Materialklassen, wie Metalle oder Kunststoffe, entwickelt und am Markt platziert werden.
Die untersuchten Verfahren und daraus generierten Systemlösungen ermöglichen neue Produktpaletten, unter anderem in den Bereichen der Mikro- und Freiformoptiken, Fluidikchips sowie Sensorbauteile. Durch die Nutzung des SLMs als Strahlteiler kann die Laserleistung, welche durch neue Systeme in immer größerem Umfang zur Verfügung steht, effizient genutzt werden. Gleichzeitig führt der parallele Einsatz vieler Spots bei der Erzeugung periodischer Strukturen zu einer drastischen Verringerung der Bearbeitungszeit. Die Produktivität der Oberflächentexturierung, zum Beispiel zur Änderung der tribologischen Eigenschaften eines Werkstücks, kann dadurch maßgeblich reduziert werden. Die funktionsabhängige Achsbewegung definierter Energieverteilungen, welche mittels SLM oder Scanner erzeugt werden können, ermöglicht zudem dreidimensionale Profile mit kontinuierlicheren und größeren Profilgeometrien als es bisherige Standardverfahren erlaubten. Die ausführenden Unternehmen können durch das neue Portfolio und die Möglichkeit, mittels innovativer Lasertechnik qualitativ hochwertigere und preisgünstigere Produkte am Markt zu platzieren, ihre Umsätze steigern.
Sowohl die UKP-Lasertechnik selbst als auch die verwendete SLM-Technologie zeichnen sich durch höchste Flexibilität aus. Die präzisen, berührungslos und verschleißfrei arbeitenden Verfahren zur Formgebung und Mikrostrukturierung können für die verschiedensten Anforderungen und Geometrien programmiert werden und eignen sich deshalb insbesondere zur Prototypen- und Kleinserienfertigung. Da gezeigt werden konnte, dass die flexible SLM-Technologie dem statischen DOE in nichts nachsteht, können durch die Forschungsergebnisse auch die Produktion und Planung strahlformender Elemente zum Einsatz in Laseranlagen erleichtert werden. Mit Hilfe eines SLMs können die berechneten Phasenmasken zunächst praxisnah getestet werden, bevor diese für die Herstellung eines qualitativ hochwertigen, aber teuren DOEs verwendet werden.
Der Transfer der Ergebnisse erfolgt sowohl durch Veröffentlichung auf Veranstaltungen und in Journalen als auch durch den direkten Kontakt mit Industriepartnern. Das ifw Jena bietet hierfür rund um den Prozess folgende Leistungen an:
#Beratung
#Muster- und Kleinserienfertigung
#Weiterführende Prozessentwicklung
#Unterstützung bei der Prozessintegration in die Anlagen des Partners